Brennende Liebe: Die Feuerfestivals DER ShetlandInseln
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Susanne JuliaDick in Fell gehüllt, marschiert eine Horde Wikinger durch die sternlose Nacht, während ein eisiger Wind an ihren wild lodernden Fackeln zerrt. Ihre rauen Stimmen schallen durch die Dunkelheit: sie singen von Helden, Drachen und uralten Schlachten. Hier wähnt man sich in düstere, wilde Zeiten zurückversetzt und nicht im Jahr 2014 auf den Shetlandinseln.
Wir befinden uns auf den Shetlandinseln, der am weitesten vom Festland entfernten Inselgruppe Großbritanniens. Das Feuerfestival von Northmavine ist nur eines von vielen Feuerfestivals, die überall auf den Shetlandinseln stattfinden. Das größte und bei Touristen beliebteste „Up Helly Aa" findet in Lerwick, der Hauptstadt der Shetlandinseln, statt. Jedes einzelne dieser vielen Festivals, die ursprünglich das Ende der Weihnachtszeit einläuteten, hat jedoch seinen ganz eigenen Reiz und seine ureigenen Besonderheiten. Mein Freund und ich reisten gemeinsam mit einer Freundin nach Northmavine, um das Feuerfestival mit allen Sinnen, mit seinen Düften und Klängen, zu erleben.
Northmavine, der nördlichste Zipfel der Hauptinsel, ist so einsam und stürmisch schön, wie man sich eine schottische Insel nur vorstellen kann. Dort findet man die berühmten Eshaness Cliffs. An diesen Klippen werden alle Worte von einer wilden Gischt weggespült; ihre stürmische Schönheit verschlägt einem schlicht die Sprache. Die Einwohner benachbarter Ortschaften richten hier in den Dorfhallen abwechselnd Buffets aus. Es gibt Süßes und Suppen. Und wenn die Zeit der Feuerfestivals kommt, gibt das Anlass genug die liebenswürdigen Schrullen ihrer Nachbarn zu feiern. Das Oberhaupt der Verammlung ruft die als Wikinger verkleideten Prozessionsteilnehmer, die „guizers", auf, sich „nüchtern" im Großen Saal von Hillswick „zu versammeln". Dann rezitiert er in Reimform die verschiedenen amüsanten Missgeschicke, die den Dorfbewohnern im letzten Jahr passiert sind:
‘Da plumber he left Tirvister
dan fell doon on his luck
O man, o man, he ditched da van
Thank god for da fork-lift truck’
Am Freitagmorgen blieben wir stehen, um das bunt bemalte Wikingerschiff zu bewundern, das bald lichterloh brennend übers Meer segeln würde. Die Kunsthandwerker der Gegend verbringen jedes Jahr Monate mit der Gestaltung der Wikingerschiffe, nur um sie dann in Brand zu stecken. Der Aufwand ist beträchtlich und macht die Zeremonie umso eindrucksvoller. Das diesjährige Wikingerschiff wurde mit einem Drachenkopf geschmückt, der noch dazu mit einem verwegenen Schnauzer ausgestattet ist und dem Ganzen seinen verspielten Charakter gibt.
Keine nüchterne Versammlung
Am Abend gesellten wir uns dick in wollene Schichten gepackt zu den „guizers" im großen Saal von Hillswick. Später würden wir unsere Hüllen in einem wenig erotischen Striptease wieder fallen lassen. Um den heftigen Böen zu entgehen, standen wir im Lee des Saals und warteten darauf, dass die Fackeln entzündet werden, die Wikinger ihren Auftritt hinlegen würden und die Prozession beginnen würde. Eine Stimme erhob sich - und hunderte Wikingerkrieger strömten herein, gefolgt von einer Blaskappelle, einigen Menschen in Arbeitskleidung und jemandem, der sich als Huhn verkleidet hatte. Anders als beim Feuerfestival in Lerwick, an dem nur Männer beteiligt sind, können in Northmavine Männer und Frauen teilnehmen. Scheinbar hatten sich nicht alle dieser Wikinger an die „Verkündung" gehalten, sich „nüchtern" zu versammeln. Vielleicht hielt der Alkohol die Kälte ein wenig ab, denn es herrschte wirklich eine Eiseskälte. Als die Fackeln entzündet wurden, warf ihr Schein die Umrisse der mit geflügelten Silberhelmen gekrönten Köpfe als Schatten voraus. Feuer wirkt anziehend, ist gefährlich und lebensspendend gleichzeitig. Ich musste an eine Zeile aus einem Gedicht von Dylan Thomas denken, aus der eine wilde Kraft spricht: „Wer jagt und preist der fliehenden Sonne Macht / Und lernt zu spät, dass er nur sie betrauert, / Geh nicht gelassen in die gute Nacht." Dann, als einer der „guizer" lachte, erloschen diese Zeilen. Ein rotes Flackern erschien am Himmel gen Norden, und vom Drachenschiff angeführt, begannen die Menschen ihre etwa anderthalb Kilometer lange Prozession an der Küste entlang, hinunter zum Meer.
Natürlich könnte man sich nun fragen, ob die Shetländer eigentlich schon mal von Sicherheitsvorschriften gehört haben. Keine Polizei, keine Feuerwehr, keine Absperrung und eine ganze Horde (möglicherweise betrunkener) Menschen mit Fackeln, die nichts anderes im Sinn haben, als ein Schiff in Brand zu stecken. Was könnte da schon schief gehen? Nach all den Jahren - nicht mehr viel. Soviel erfahre ich zumindest von einem der Teilnehmer aus der Gegend. Einmal sei eine Fackel auf den Boden gefallen und ein Polizeiauto hätte auf den brennenden Überresten geparkt. Ich fragte nach, was passiert sei. Jemand habe ihnen Bescheid gesagt, erwiderte mein Gesprächspartner etwas barsch. Er meint es nicht so, der Ton gehört zum Geschichtenerzählen dazu. An jenem Freitag jedenfalls brauchte man nicht fürchten, dass irgendetwas in Flammen aufgehen würde: der Boden war vom wochenlangen Regen ganz durchweicht. Wir waren uns eine Weile lang nicht einmal sicher, ob das Schiff überhaupt brennen würde, da heftige Böen immer wieder die Versuche den Mast zu entzünden zu vereiteln drohten. Stoisch trotzten wir - „guizer" und Zuschauer - dem Sturm, bis dann eine Viertelstunde später der Mast in Flammen aufging, als ob er endlich kapitulieren würde. Deutsche Sonnwendfeiern sind nichts dagegen.
‘From grand old Viking centuries Up Helly Aa has come
So light the torch and form the march and sound the rolling drum!’
Translated from Up Helly Aa: Shetland's fire festivals