Bosnien: Wahlen in einem gespaltenen Land
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Martin SchneiderZehn Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs ist in Bosnien die Kluft zwischen Kroaten, Muslimen und Serben nicht überwunden.
Derzeit liegt das Bruttonationaleinkommen Bosniens weit unter der Europäischen Norm, das Bruttoinlandsprodukt beträgt gerade einmal 1 000 Dollar pro Person. Jeder Vierte Erwerbsfähige ist ohne Arbeit. Genauso hoch ist der Anteil an Menschen, die nach dem Krieg nicht in ihre Städte und Dörfer zurückkehren konnten.
Zudem befinden sich die beiden Kriegsverbrecher Radovan Karadzic und Ratko Mladic immer noch auf freiem Fuß. Und das, obwohl es an Gelegenheiten, sie gefangen zu nehmen, wahrlich nicht gemangelt hat. Vielleicht ist es dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag lieber, noch einmal eine Schmach wie mit Slobodan Milosevic zu erleiden, dessen Prozess zu einer juristischen Groteske wurde.
Der Geist von Dayton
Der Zustand, in dem sich Bosnien-Herzegowina heut befindet, rührt vom Abkommen von Dayton. 1995 schuf man einen Retortenstaat aus vielen Einzelteilen, um dem Willen der Regierung Clinton Genüge zu tun, die den Balkan-Konflikt, der seit dem Zweiten Weltkrieg schwelt, beenden wollte. Die Vereinigten Staaten befürchteten, dass der Balkan aus dem Gleichgewicht geraten und Europa zerreißen könnte. Deshalb wurden Verhandlungen zwischen Kroaten, Muslims und Serben organisiert. Schließlich wurde ihnen ein – fragiler – Friede aufgezwungen.
Man wollte in der ehemaligen jugoslawischen Republik Bosnien-Herzegowina ein Glechgewicht schaffen und ein Gefühl der Einheit bewahren, damit sich das Land nicht zerbicht. Schon drei Jahre zuvor, 1992, hatte die internationale Staatengemeinschaft das Land anerkannt. Es ist nicht auszuschließen, dass das Land damals aufgrund der Unterstützung Deutschlands und Österreichs seine Unabhängigkeit erklärt hatte.
Das Schicksal dieses amerikanischen Polit-Kunstwerks war vorhersehbar. Serben, Kroaten und Muslime verließen Dayton mit den hängenden Schultern von Verlierern. Der Konflikt des Landes erwies sich schnell als viel komplexer. Dayton sah vor, dass Kroaten und Muslime in einer Föderation zusammen lebten. Auch erkannte es die bosnische Serbenrepublik an. Der Föderation wurden 51 Prozent des Gebiets zugesprochen, die Serben erhielten den Rest, obwohl sie vor dem Konflikt nur 40 Prozent der Bevölkerung stellten.
Es war außerdem nicht sehr klug, die Föderation in zehn Kantone zu unterteilen und so einen nur schwer regierenden Staat herzustellen. In Bosnien gibt es heute Hunderschaften von Ministern, Abgeordnete, Bürgermeistern und Beratern. In dem Land, das gerade mal viereinhalb Millionen Einwohner zählt, hat deshalb jeder einen Verwandten in der Politik…
Ein erzwungener Frieden
Das einizige Verdienst, das sich die amerikanischen und europäischen Politiker zuschreiben können ist, dass sie auf dem Balkan die Kämpfe beendet haben. Doch die Unterschriften unter den Friedensvertrag sind noch frisch. Ob Kroaten, Muslime oder Serben: Alle erinnern sich noch, wie der Konflikt entstanden ist. Sobald die internationalen Truppen abziehen, werden die Kämpfe wieder aufflammen. Denn es ist ein erzwungener Frieden.
Nun wird über den Status des Kosovo verhandelt. Doch auch hier scheinen die Meinungsverschiedenheiten unüberwindlich. Während die Albaner die völlige Unabhängigkeit von Belgrad fordern, wollen die Serben ihnen nur einen ausgedehnten Autonomiestatus zugestehen.
Trotz der wenig freundschaftlichen Atmosphäre die zwischen Brüsseler Bürokraten und albanisch-kosovarischen Politikern herrscht, darf man nicht vergessen, dass eine weitere Teilung Ex-Jugoslawiens gerade angenommen wurde und der Staat Kosovo im Herzen des Balkans praktisch Realität ist. Kann man nun noch eine unabhängige serbische Republik in Bosnien-Herzegowina verhindern?
Translated from Bosnia: una paz artificial