Betrug, Verbrechen und Medien: Enthüllen ist Gold
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Hélène WallandKorruption in der europäischen Politik ist (wieder) zur Unterhaltungsserie des Sommers geworden. Die Presse verbreitet skandalöse Enthüllungen, die Regierungen des „Alten Europas“ sind not amused. Sie versuchen, die Medien mundtot zu machen, deren Einfluss sie fürchten. Aber der Einfluss der „vierten Gewalt“ ist nicht in allen Ländern gegeben.
Während in Großbritannien, Deutschland und Polen Ermittlungen durch Medien Regierungen zum Zurücktreten drängen können, so hat die Information in Frankreich und Italien wenig Gewicht.
Informieren ist tödlich. Vor allem, wenn man eine zu große Vorliebe für mafiöse Milieus hat. Eine Szenerie wie in einem 30er-Jahre-Krimi: Ein griechischer Journalist „der viele Geschäfte aufgedeckt hat“, so das hellenische Tagesblatt Ta Nea, wurde am 19. Juli diesen Jahres mit einer Automatikwaffe ermordet. Den Fahndern zufolge steckt in Wirklichkeit die terroristischen Zelle „Die Revolutionäre Sekte“ dahinter. Sokratis Giolias, Journalist und Blogger, hatte enthüllt, in welch korruptem Zustand der griechische Staat momentan vor sich hin vegetiert – und seine Neugier mit dem Leben bezahlt.
Die Presse macht Druck
Das Unwesen endet aber nicht an der griechischen Grenze. Der letzte Bericht der Nichtregierungsorganisation Transparency International legt offen, dass Korruption in ganz Europa omnipräsent ist.
Griechenland, Italien und Spanien sind davon allerdings am meisten betroffen. So sehr, dass das Europäische Parlament am 6. Mai eine Erklärung verabschiedet hat, die von der Europäischen Union (EU) eine klare politische Linie im Kampf gegen dieses Phänomen verlangt. Den Medien dauert das offensichtlich zu lange. Sie beschlossen, selbst Licht in die dunklen Praktiken der oft undurchsichtigen Regierungen zu bringen. Und dies mit Worten. Also ohne schwere Geschosse...
Seit 2009 hat die Arbeit des Daily Telegraph einen Finanzskandal ohnegleichen in Großbritannien ans Licht gebracht, der mit dem Rücktritt des Sprechers des House of Commons endete. Je mehr die Tageszeitung an neue Informationen herausdestillierte, umso mehr versank die Regierung Gordon Browns in politischer Demütigung. Der findige Daily Telegraph erwarb sogar eine Festplatte mit allen Rechnungen der britischen Parlamentarier. Das Resultat: Die englischen Abgeordneten haben sich Dinge wie Toilettenpapier, Katzenfutter und auch Rasenmäher vergüten lassen. Mit öffentlichen Geldern, of course.
17,5 Millionen Euro Schmiergeld
Im Jahr 2002 brachten die polnischen Medien den größten Korruptionsskandal des Landes seit der Emanzipation vom Kommunismus ans Licht. Der Produzent Lew Rywin näherte sich der einflussreichsten polnischen Zeitung Gazeta Wyborcza gefährlich an und wollte Einfluss auf den editorischen Inhalt der Publikation nehmen. Adam Michnik, Chefredakteur der Gazeta Wyborcza, beschloss, diese fragwürdige Praxis des Produzenten auf der Titelseite zu veröffentlichen. Rywin bot Michnik 17,5 Millionen Euro Schmiergeld und erklärte, im Namen einer Regierungsgruppe zu handeln. In diesem Fall handelte es sich um den SLD (Bund der Demokratischen Linken), die Oppositionspartei. Die Veröffentlichung löste einen solchen Erdrutsch aus, dass in Polen zum ersten Mal eine parlamentarische Untersuchungskommission ins Leben gerufen wurde. Die Verhöre wurden direkt im polnischen Fernsehen übertragen, um die Öffentlichkeit für das Thema Korruption zu sensibilisieren. Nach Meinung von mehreren Politologen wurde dank „Rywingate“ eine echte Büchse der Pandora geöffnet. Denn was Korruption angeht, gibt es in Polen noch einiges aufzudecken: Die Bindungen zwischen der polnischen Politik und dem Unternehmer- und Verlegermilieu sind zäh.
Europa: Unterschiedliche (Medien-) Machtverhältnisse
Dass Korruptionsaffären in der Öffentlichkeit ausgetragen werden, ist durch die Gewandtheit der Presse möglich. Die hat allerdings, je nach Land, mehr oder weniger Einfluss. Ein positives Beispiel ist wieder einmal die britische Presse. Der ehemalige Finanzminister David Lawstrat aus der Regierung zurück, nachdem der Daily Telegraph enthüllte, dass Laws unberechtigterweise 47 000 Pfund als Spesen abrechnen ließ.
Noch eindrucksvoller ist das Beispiel Deutschland, wo ein Satz von Horst Köhler, ehemaliger Präsident der Bundesrepublik, reichte, ihn nach der Hälfte seines zweiten Mandats zum Rücktritt zu bewegen. Die französischen und italienischen Medien hingegen haben quasi Bücher geschrieben und noch immer ist nichts geschehen. Ein kleines Maß an Verdruss macht sich jedoch bemerkbar …
In Italien ist Schweigen Gold - also besser Klappe halten
Freitag, 11. Juni 2010. Auf der Titelseite der mitte-links orientierten italienischen Tageszeitung La Reppublica findet sich ein gelbes Quadrat auf weißem Hintergrund. Dieses soll ein Post-it darstellen, mit dem Satz: „La legge- bavaglio nega ai citadini il diritto di essera informati“ („Das Knebel-Gesetz leugnet das Recht der Bürger auf Information“). Alle nationalen Medien stellen sich gegen den Gesetzesentwurf, der von Silvio Berlusconi initiiert wurde. Der Entwurf sieht Strafen für Zeitungen vor, die Inhalte aus Telefongesprächen veröffentlichen.
Berlusconi wollte damit seine Allmacht ausbauen, er hat bereits fast die totale Straffreiheit erreicht. Aber die Presse wehrte sich und streikte - und löste so eine öffentliche Welle der Entrüstung aus, die den Cavaliere zum Rückzug zwang. Berlusconis Gesetz scheiterte.
In Frankreich bringen die von Mediapart in der Bettencourt-Affäre veröffentlichten Lauschangriffe die französische politisch-mediale Welt zum Wanken. Rufe nach einem Rücktritt von Minister Eric Woerth werden laut. „Trotskisten“, „Faschisten“ – die Führungselite Frankreichs findet keine ausreichend starken Worte, um die Investigativarbeit der Medien zu verurteilen.
Seit einer Woche betont die französische und europäische Presse, dass die Regierung mit der Zuneigung der Franzosen spielt, um einen Skandal zu vertuschen. Das funktioniert bisher recht gut, da braucht man gar kein Knebel-Gesetz mehr...
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Translated from Arnaque crime et journalisme