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Beschäftigung, Immigration, Diskriminierung: Ist Europa rassistisch?

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Daniela Berger-Riede

Gesellschaft

Von vermischten Meldungen wie dem obdachlosen Inder, der in einem Bahnhof Roms bei lebendigem Leibe verbrannt wurde, bis hin zu Streiks, die von Arbeitern geführt werden, die sich um ihre Arbeitsplätze in Großbritannien sorgen, macht sich der Rassismus in Europa breit und entbrennt immer öfter auf der Titelseite der Tageszeitungen.

Das ist nicht nur ein erfahrungsgemäßer Eindruck. Zwei Studien, die eine amerikanisch und die andere europäisch, kommen zu demselben Schluss. Rassistische Äußerungen würden in der europäischen Politik banalisiert, Misshandlungen und rassistische Vergehen immer öfter toleriert. Im Frühjahr 2008 hat das Pew Center, ein unabhängiges amerikanisches Forschungsinstitut, 4700 Personen in sechs europäischen Ländern nach ihrer Wahrnehmung der Juden und der Muslime befragt. Und überall steigen diese Zahlen an, teilweise sind mehr als 50% diesen Minderheiten gegenüber negativ eingestellt.

Folgen des Terrorismus

Die zunehmende Islamfeindlichkeit zum Beispiel sei das Ergebnis der Antiterrorpolitik, die in den Augen der Menschen den Islam mit Terrorismus gleichsetze. Gegenwärtig muss die Regierung in Deutschland vor dem UN-Menschenrechtsrat zu den Anschuldigungen des Iran Rechenschaft ablegen, der einen „dramatischen Anstieg“ krimineller Vergehen gegen Ausländer in Deutschland anprangert. Der UN-Vertreter Russlands hat die gleiche Kritik hervorgebracht. Deutschland verteidigt sich, indem es die zahlreichen Bemühungen im Kampf gegen den Rassismus und die Islamfeindlichkeit anführt. Trotzdem haben laut dem Forschungsinstitut Pew Center 50% der Deutschen eine ablehnende Haltung gegenüber Muslimen. Das sind 4% mehr als 2004.

Schauen wir in Richtung Spanien: Nach den Attentaten von Madrid 2005 ist der Anteil der antimuslimisch eingestellten Bevölkerung Spaniens von 37 auf 60% angestiegen, bevor er 2008 wieder auf 52% sank. Zur selben Zeit ist der Anteil der Personen, die sich abfällig über Juden in Spanien äußern, von 21% im Jahre 2005 auf 46% im Jahre 2008 gestiegen.

Spannungen wegen der zunehmenden Arbeitslosigkeit

©klohFR/flickr

Ende Januar sorgt in England die wegen der Wirtschaftskrise gedrückte Stimmung in der Arbeitswelt dafür, dass die Furcht vor dem Fremden wieder zu Tage tritt. In England sind Arbeitnehmer des Energiesektors spontan und illegal in Streik getreten, um gegen die Beschäftigung von fast 500 portugiesischen, spanischen und italienischen Gastarbeitern durch Total zu protestieren, die billiger als die Arbeitskräfte vor Ort sind. Die zunächst nur vereinzelt aufkommende Bewegung hat sich inzwischen ausgebreitet und betrifft heute annähernd 3000 Beschäftigte an 12 Energiestandorten des Landes. Die Streikenden nehmen die Parole der britischen Rechtsextremen auf: „UK jobs for British workers“ [britische Arbeitsplätze für englische Arbeitnehmer]. Die letzte Gruppe angestellter portugiesischer Arbeiter ist unter dem Druck der Demonstranten am 5. Februar 2009 nach Hause zurückgekehrt.

Auch in Irland entfacht die Wirtschaftskrise wieder protektionistische Reflexe. Hier hat sich die Arbeitslosenrate in weniger als einem Jahr fast verdoppelt und liegt bei 8,3% der Erwerbstätigen. Die Wut der Iren wendet sich gegen die erste Migrantenbevölkerung des Landes, die Polen. Es seien mehr als 250.000, die in den letzten zwanzig Jahren zum Arbeiten nach Irland gekommen seien. Von der Tageszeitung Le Monde befragt, bejaht Tomasz: „Die Iren werfen uns vor, ihnen die Arbeitsplätze wegzunehmen, Arbeit zu suchen, von staatlicher Unterstützung zu leben.“

In diesem Falle sozialer Spannungen kommen „zahlreiche Faktoren ins Spiel“, bestätigt Georgina Siklossy, die Pressesprecherin von European Network Against Racism (ENAR), die ebenfalls 25 nationale Berichte über den Rassismus in Europa zusammengetragen hat. „Das wirft beispielsweise die Frage nach dem Sozialdumping auf. Dies ist auf jeden Fall eine beunruhigende Frage, was den freien Warenverkehr anbelangt, eines der Grundrechte der Europäischen Union.“, fährt sie fort. Bleibt abzuwarten, was aus diesen Phänomenen wird, wenn die Krise andauert.

Der Fall der Roma

Es ist unmöglich, ein Panorama des Rassismus zu entwerfen, ohne die Roma und SInti zu erwähnen, die größte ethnische Minderheit Europas. Unter dem Druck von Nichtregierungsorganisationen wurde ihnen im September 2008 ein erster europäischer Gipfel gewidmet, um zu versuchen, Lösungswege aus der Diskriminierung zu finden, deren Opfer sie sind. Dieser Gipfel hat vor allem tiefe Unstimmigkeiten zwischen den verschiedenen Akteuren aufgezeigt. Die Politik des italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi geriet insbesondere wegen des Projektes, die Fingerabdrücke aller Zigeuner Italiens zu registrieren, direkt in die Kritik.

Die Mediatisierung der Meldungen über diese Gemeinschaft zieht kollektive hysterische Reaktionen nach sich. Am 10. Mai 2008, nach lückenhaften Hetzmeldungen über die Entführung eines Neugeborenen durch eine junge Roma, zünden wütende Bürger aus Rache ein Roma-Lager an. Am 5. Februar stimmte der italienische Senat über eine Maßnahme ab, die Ärzte zukünftig dazu befugen soll, illegale Einwanderer zu denunzieren. Angesichts dieser Situation hat sich die Abwanderung der Roma-Gemeinschaft in andere Länder in den letzten Monaten verstärkt.

Das Phänomen bezieht sich auf die allgemeine Migrationspolitik der EU, die „Rückkehr-Richtlinie“ und die Haftbedingungen für schriftenlose Ausländer, die von den Vereinigungen kritisiert wird, die sich für Migranten einsetzen. Christian Delarue, leitendes Mitglied des MRAP [Bewegung gegen Rassismus und für Völkerfreundschaft, eine französische Nichtregierungsorganisation] prangert sogar eine „staatliche Fremdenfeindlichkeit“ an. In seinen Augen „kreiert, unterhält und reproduziert der Staat den Hass auf Ausländer“, unter anderem durch eine restriktive Migrationspolitik, eine „Festung Europa“ mit immer undurchdringlicheren Grenzen, die die Ausländer stigmatisiert.

Translated from Emploi, immigration, discrimination : l’Europe est-elle raciste ?