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Berlinhype: Touris wollen Kiezkultur

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Helen Z.

Touristen lauern mittlerweile nicht mehr nur an den typischen Sehenswürdigkeiten, sondern erobern Orte und Transportmittel, die bislang nur die Berliner kannten.

Der Sommer 2009 hatte mit der Leichtathletik-Weltmeisterschaft nach der Fußball-WM vor drei Jahren wieder ein sportliches Großereignis in die deutsche Hauptstadt gebracht. Und mit ihr kamen die Touristen. „Die Stadt war voll, die Hotels gut gebucht“, so der Geschäftsführer der Berlin Tourismus Marketing (BTM) GmbH Burkhard Kieker. Allein vom 15. bis 23. August kamen rund 400.000 Besucher zu den Wettkämpfen im Olympiastadion. Ende September fand außerdem der jährliche Berlin-Marathon statt und im November wird der 20. Jahrestag des Mauerfalls gefeiert. Das europäische Großereignis wird wieder tausende Berlin-Reisende in die Stadt locken.

©http://www.flickr.com/photos/antaldaniel/2912118873/sizes/o/

Den zahlreichen Berlin-Touristen reicht es jedoch mittlerweile nicht mehr, nur die wichtigsten Sehenswürdigkeiten wie das Brandenburger Tor, den Reichstag oder den Alexanderplatz abzuklappern. Seit längerem sind Berlin-Touristen auf der Suche nach originellen Orten. Neue Reiseführer, aber auch die Homepage der Stadt selbst hat diesen Trend längst aufgegriffen und informiert über diverse „Insider“-Plätze. Dazu gehören Kreuzberg oder Schöneberg im ehemaligen West-Berlin, Prenzlauer Berg, Mitte und Friedrichshain im Ost-Teil. Diese Stadtteile bieten Kiez-Kultur und alternatives Flair und locken damit zunehmend Touristen an.

©http://www.flickr.com/photos/patrickwilken/3290700012/„Selbst hier im Bezirk Neukölln, wo traditionell Arbeiter, Studenten und türkische Familien leben, begegnet man zunehmend Touristenscharen. Sie sind auf der Suche nach dem echten, ursprünglichen Berlin, um das Gefühl zu haben, nicht nur die üblichen Sehenswürdigkeiten gesehen zu haben“, so die 30-jährige Studentin Anette. So entwickeln sich Orte, an denen früher hauptsächlich Anwohner anzutreffen waren, wie die erholsamen Wiesen am Landwehrkanal oder die Kreuzberger Bergmannstraße mit ihren vielen Cafés, zu Touristenmagneten, während die Berliner nun fast schon nach Orten suchen müssen, an denen sie etwas unter sich sein können.

Berlintouris per Drahtesel durch die Hauptstadt

Mit der Erstürmung neuer Orte kommt auch die Eroberung neuer Transportmittel: Immer öfter fällt die Wahl auf das Fahrrad. Die meisten Stadtteile können per Drahtesel ganz einfach erreicht werden. So tun die Touristen es dem echten Berliner gleich, der von Natur aus sein Fahrrad liebt. Und in der Tat ist die Hauptstadt fahrradfreundlich. Die Deutsche Bahn beteiligt sich am Geschäft mit der Bereitstellung von so genannten CallBikes, die mittels Handy und Kreditkarte direkt auf der Straße entliehen werden. Ein Fahrradverleih ist in der Hauptstadt dieser Tage ein boomendes Geschäft. Fußlahme oder Faule lassen sich im bequemen Velotaxi durch die Stadt kutschieren. Wissenshungrige nehmen an einer der zahlreichen Fahrrad-Stadtführungen teil.

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Diese Touren rufen beim einheimischen Berliner Belustigung, zuweilen aber auch Unmut hervor: Wenn er sich auf dem Weg zur Arbeit durch eine Gruppe schlingernder und schnatternder Fahrrad-Touristen schlängeln muss, fühlt sich der von Natur aus ungeduldige und nörgelnde Berliner in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt.

©http://www.flickr.com/photos/nazlykasim/Meist aufgrund mangelnder Erfahrung verhalten die Touristen sich zudem selten verkehrssicher. Bisweilen stellen sie ein großes Risiko dar, nämlich dann, wenn sie abrupt bremsen, weil eine vermeintliche Sehenswürdigkeit den Weg kreuzt oder sie mal eben schnell auf dem Stadtplan nachsehen müssen, an welcher Ecke genau sich denn nun Curry 36 befindet (den Berlinern als die beste Currywurst-Bude der Stadt bekannt).

Be Berlin!

Das Gefühl, dass mehr Touristen in die Stadt kommen, ist aber nicht nur ein Gefühl: Berlins Tourismussektor boomt. Seit dem Mauerfall steigen die Übernachtungszahlen jedes Jahr. Laut BTM zieht die Metropole mit knapp 18 Millionen Übernachtungen im Jahr 2008 mehr Besucher an als jede andere deutsche Stadt. Damit hat sich der Zulauf um 2,8% im Vergleich zum Vorjahr gesteigert. Auf Rang zwei liegt München mit 10 Millionen.

Multikulti-Weltstadt: Darauf sind die Berliner dann doch heimlich ziemlich stolz!

Die meisten Gäste kommen immer noch aus Deutschland, aber vor allem die Zahl der Gäste aus dem Ausland wächst. Die Briten stehen ganz oben auf der Liste der Berlin-Besucher. Aber auch Italiener, Holländer, US-Amerikaner, Spanier, Franzosen und Skandinavier strömen en masse in die Stadt an der Spree.

Angesichts dieser Entwicklung kann der Berliner nicht ernstlich böse sein. Berlin-Besucher, auch jene auf dem Rad, bringen das ganze Jahr über Geld in die Stadt. Der Tourismus-Sektor wächst auch in Zeiten der Krise und beschert einer ansonsten strukturschwachen Region mit relativ hoher Arbeitslosigkeit (über 14% in Berlin) in diesem Bereich wirtschaftliches Wachstum. Nebenbei bringt der Tourismus mehr Multikulti-Flair nach Berlin und die Metropole dazu, sich als Weltstadt zu fühlen. Und darauf sind die Berliner dann doch heimlich ziemlich stolz.

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