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Berlinale Shorts: kleine Geschichten aus der großen Welt

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Berlin

von Christiane Lötsch Bei über 400 Filmen auf der Berlinale besteht immer die Chance, einen schlechten Film zu erwischen, womöglich noch einen, der drei Stunden geht. Dann wünscht man sich ganz schnell an einen anderen Ort.

Mit den Berlinale Shorts III ist das möglich - man reist innerhalb von zwei Stunden von der Schweiz in den Iran, dann über Thailand nach Israel und Amerika und entdeckt ein schillerndes Panorama kleiner Geschichten und Situationen, seien sie inszeniert, dokumentarisch oder „experimentell inszeniert“, wie das Programmheft beschreibt.

„Stick Climbing“ von Daniel Zimmermann ist so ein Fall: ausschließlich mit subjektiver Kamera gedreht, laufen wir durch ein Schweizer Bergdorf, drehen den Kopf bzw. die Kamera nach den Leuten am Straßenrand, die Steine sortieren oder zu Bergliedern in ihren Trachten tanzen. Dann geht es plötzlich in den Wald hinein und die 90° Grad steile Bergwand hoch, alles in Echtzeit. Der Atem des Kameramanns wird lauter und schwerer, bis er endlich oben ankommt und einen Blick auf das Dorf freigibt.

Scenes from the SuburbsScenes from the Suburbs, Spike Jonze

Die subjektive Kamera findet sich auch im thailändischen Beitrag „Terribly Happy“ von Pimpaka Towira wieder. Auch sie führt uns in den Wald, allerdings in den tropischen Wald von Thailand. Ein junger Soldat kommt nach zwei Jahren in sein Heimatdorf und möchte seine frühere Liebe besuchen, die inzwischen einen älteren deutschen Mann geheiratet hat. Auch die vielen Liebeslieder, die seine Schwester für ihn singt, können ihn nicht trösten. Sein Beruf als Soldat bleibt der einzige Trost – eine Vorstellung, die im Film „Scenes from the Suburbs“ von Spike Jonzes und Arcade Fire, die den gesamten Soundtrack zum Film lieferten, ganz anders vermittelt wird. Hier rufen die Soldaten eine diffuse Bedrohung für eine kleine Gruppe von Jugendlichen hervor. Sie fahren Fahrrad, necken sich, lachen und verlieben sich - untermalt von der sehnsuchtsvollen Musik von Arcade Fire entfaltet sich eine sonnige, amerikanische Vorstadtidylle, die an das Musikvideo zu dem Lied „All I need“ von Air erinnert. Doch die häufig eingesetzten Schwarzbilder kündigen eine äußere Bedrohung an, die der unbeschwerten Zeit ein Ende setzt.

Susya_klein.jpgSusya, Dani Rosenberg und Yoav Gross

Dieses unbenannte Gefühl der Bedrohung wird in dem Film „Susya“ von Dani Rosenberg und Yoav Gross ganz konkret. Ein palästinensischer Vater und sein Sohn möchten ihr Dorf besuchen, das zu einer Ausgrabungsstätte jüdischer Siedlungen geworden ist. Sie haben kaum Zeit, sich an vergangene Orte zu erinnern, da taucht auch schon das Militär auf und fordert die beiden auf zu gehen. In einer langen, absurden Einstellung sieht man den Vater langsam die Stätte verlassen, während der Militärjeep ihm im Schritttempo folgt, bis er draußen angekommen ist. „I feel hopeless, I lost everything“, sagt er mit dem Blick an die Kamera vorbei. Eine kleine Geschichte erzählen, hinter der eine größere Wahrheit steht – das haben diese Kurzfilme auf sehr beeindruckende Weise erreicht.

Filmstills @ Internationale Festspiele Berlin