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Berlinale 2015: Taxi mit Bär

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BerlinKultur

Endlich ist es raus: Der Goldene Bär 2015 geht an den Film Taxi des iranischen Regisseurs Jafar Panahi. Nicht unbedingt eine Überraschung, glänzte Taxi doch mit klugen Dialogen, während viele andere Filme im Wettbewerb vor allem Langeweile verbreiteten. Trotzdem scheint die Entscheidung der Jury eher eine politische zu sein. 

Viele gute Filme haben irgendetwas mit Taxis oder Taxifahrern zu tun. Man denke nur an Taxi Driver (1976) oder an Night on Earth (1991). Ein Taxi ist schließlich das perfekte Filmsetting, um ständig neue Figuren einzuführen, pausenlos das Thema zu wechseln und auf diese Weise ein so konfuses wie realistisches Abbild der Wirklichkeit zu liefern. Noch dazu vor wechselnden Hintergründen und immer in Bewegung. Mit Taxi (2015), dem neuen Werk des iranischen Regisseurs Jafar Panahi, wird diese Reihe nun fortgesetzt. Die Jury der 65. Berlinale fand den Film sogar so gut, dass sie ihn mit dem goldenen Bären auszeichnete.

Überraschend ist das eher nicht, denn Jafar Panahis Film ist nun mal wirklich nicht schlecht: Sitzt ein mittelalter Mann mit Schiebermütze im Taxi (gespielt von Panahi selbst), kutschiert gemächlich durch das sonnige Teheran und unterhält sich nebenbei mit seinen Fahrgästen, die er dabei filmt. Da wäre zum Beispiel ein großmäuliger Macho, der sich mit Raubüberfällen à la Robin Hood brüstet und ohne Erfolg versucht, eine ihm intellektuell weit überlegene Lehrerin mundtot zu machen. Oder eine Frau, die mit ihrem, bei einem Motorradunfall schwer verletzten Mann auf der Rückbank schnell noch ein Handyvideo aufnimmt, das im Falle seines Todes als Testament verwendet werden könnte. Oder zwei unleidliche alte Damen, die sich entweder über die Schönheit ihrer nackten Körper vor dem Auge Gottes oder ihre Goldfische unterhalten. Oder ein kleinwüchsiger Videoverleiher, der nicht nur Arthouse-Filme, sondern auch The Walking Dead im Sortiment hat. 

Wie macht man einen guten Film?

Am gesprächigsten aber ist Hana Saeidi, die Nichte des Regisseurs, die - kaum ist sie ins Taxi eingestiegen - auch schon ihren unpünktlichen Onkel ausschimpft und wie ein Wasserfall über ihr Schulfilmprojekt redet. Eine gute Gelegenheit für Panahi, der seit 1997 fast alle wichtigen europäischen Filmpreise gewonnen hat, über die Kunst des Filmemachens zu reflektieren. Während sich die Gespräche mit seiner Nichte vor allem um die iranische Zensurbehörde drehen, um Verbotskataloge und die ausdrückliche Warnung, bloß nicht die „schmutzige Realität“ abzubilden, erklärt der Regisseur einem Filmstudenten, der sich durch die Videokollektion von Panahis Fahrgast kämpft: „Alle Filme sind es wert, angeschaut zu werden. Das schwierigste beim Filmemachen ist es, das richtige Thema zu finden.“ Es gehe nicht darum, Stile oder Plots zu imitieren, denn: „Diese Filme sind alle schon gedreht worden.“ So kurz, so einfach. 

Panahi zumindest hat sein Thema gefunden und braucht nicht viel mehr als eine Kamera auf dem Armaturenbrett, um seine Fahrgäste beim Diskutieren, Streiten, Lachen oder Weinen zu filmen. Die Stimmung ist dabei heiter bis gelöst, auch wenn es in den Dialogen immer wieder um Schreckliches geht: So echauffiert sich die Lehrerin darüber, dass der Iran nach China weltweit die meisten Todesurteile vollstrecke. Die Sorge des verletzten Ehemanns, dass seine Frau nach seinem Tod von der Familie verstoßen werden könnte, spricht Bände über eine Gesellschaft, in der sich schon Grundschülerinnen verschleiern müssen. Panahis Nichte Hana fürchtet, dass ihr Schulfilm wegen einer unpassenden Szene zensiert werden könnte. Aber als Panahis Anwältin mit einem Strauß roter Rosen ins Taxi steigt und eine Hymne auf die Freiheit des Denkens und der Kunst singt, möchte man trotzdem Hoffnung schöpfen.

Die Crux mit der Zensur

In der letzten Einstellung, wenn Panahi und Hana das Auto stehen lassen und sich entfernen, dauert es keine fünf Sekunden, bis zwei Motorradfahrer das Taxi aufbrechen, die Kamera abmontieren und der Film ins Schwarze läuft, begleitet von Flüchen und Straßenlärm. Das wirkt alles sehr dokumentarisch, ist dann aber doch zu gut gescripted, als dass man sich nicht irgendwann fragte, wie viel nun wirklich real und wie viel erfunden ist. Die iranische Zensur hat der Film auf jeden Fall nicht passiert, was seit 2010, als Panahi erstmals verhaftet und ihm ein 20-jähriges Berufsverbot erteilt wurde, auch kaum mehr möglich erscheint. Sein folgender Film This is not a Film (2011) musste in einer Torte aus dem Iran geschmuggelt werden und auch dass Pardé (2013) bei der 63. Berlinale laufen konnte, war keine Selbstverständlichkeit. Damals hatte Panahi den silbernen Bären für das beste Drehbuch gewonnen.

Ist der goldene Bär für Taxi also ein politisches Zeichen? Das mag wohl sein, doch wenn man sich den Rest des Wettbewerbs anschaut, könnte die Jury auch einfach einen der am wenigsten mainstreamigen Filme ausgesucht haben. Wer sich erst einmal durch nichtssagende Publikumspleaser wie Nobody wants the night, Queen of the Desert, Cinderella oder Knight of Cups quälen muss, dem muss Taxi ja wie ein cineastisches Meisterwerk vorkommen. Obwohl mit Ixcanul, El Club oder Cha và con và auch ein paar andere gute Filme im Rennen waren, die sich kritisch mit Politik und Gesellschaft auseinandersetzen. Eine politisch aufgeladene Auszeichnung also für einen guten Film – ob es der beste war, darüber ließe sich streiten.

Jafar Pahani konnte den Preis übrigens nicht persönlich entgegennehmen. Da er seit 2010 den Iran nur noch zu medizinischen Behandllungen oder zur Hajj verlassen darf, überreichte Festivalleiter Dieter Kosslick den Bären an Panahis Nichte Hana Saeidi.

Cafébabel Berlin auf der 65. Berlinale

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