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Berlin-London: eine neue Achse für die EU?

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Brüssel

Von Thomas Bignal / Übersetzt von Patricia Fridrich Der EU-Gipfel am 22.-23. November befasste sich zwar schwerpunktmäßig mit der Beilegung der griechischen Schuldenkrise und der Sicherung einer Rettungsaktion für Zypern, doch aller Augen werden auf die EU-Haushaltsverhandlungen für den Zeitraum 2014-2020 gerichtet.

Aus dem Mehrjahreshaushalt der EU werden Politikmaßnahmen auf europäischer Ebene (z. B. für die Landwirtschaft, die regionale Entwicklung, die Forschung usw.) sowie die Verwaltung dieser Maßnahmen getragen.

Finanziert wird der Haushalt der Union vor allem durch die Beiträge der einzelnen Mitgliedstaaten. Keine große Überraschung also, dass diese Verhandlungsrunde zu wenigen bis gar keinen Ergebnissen geführt hat. Die Briten erhielten von den Deutschen, den Niederländern und den Skandinaviern starke Unterstützung bei der Ablehnung des von Herman Van Rompuy vorgeschlagenen Haushalts in Höhe von 971 Milliarden Euro, einer Kürzung von ganzen 80 Mrd. EUR im Vergleich zu dem ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission.

Herman Van Rompuy und der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, mussten daraufhin akzeptieren, dass eine Einigung bis zu weiteren Verhandlungen verschoben werden musste.

26 gegen 1: ein unfairer Kampf?

Anstatt Großbritannien zu isolieren und seine Position zu schwächen, scheint diese letzte Partie der Haushaltsverhandlungen die Position von David Cameron für die nächsten Monate noch gestärkt zu haben. So vorhersehbar die Unterstützung durch die Schweden und die Niederländer war - die Unterstützung durch Angela Merkel kam doch eher unerwartet. Man hatte zwar vermutet, dass sie einen Anstieg nicht mittragen würde, doch ihre generelle Ablehnung der vorgeschlagenen 971 Mrd. EUR war eine Überraschung. Die deutsche Bundeskanzlerin nahm es Herman Van Rompuy und José Manuel Barroso wohl übel, dass sie versuchten, Großbritannien zu isolieren und eine 26-gegen-1-Situation zu schaffen, was Cameron dazu gezwungen hätte, sein Veto auszuspielen. Merkel versuchte daher verzweifelt, dieses Szenario zu vermeiden, das die EU-Staats- und Regierungschefs jedes Jahr von neuem in chaotische Verhandlungen über den Jahreshaushalt geführt hätte.

Daraufhin hatte Van Rompuy informell vorgeschlagen, den 971-Milliarden-Haushalt auf 940 Milliarden Euro zu reduzieren, in Einklang mit der sogenannten „Zahlungsobergrenze“. Die Zahlungsobergrenze umfasst die Mittel, welche die EU tatsächlich ausgibt, während die „Verpflichtungsobergrenze“ als Obergrenze dessen angesehen wird, was die Mitgliedstaaten maximal beitragen können. Großbritannien forderte nun weitere Kürzungen um 50 Milliarden, während die Niederländer noch größere Kürzungen von 100 Milliarden Euro verlangten. Die britischen und niederländischen Forderungen gingen Merkel dann doch zu weit, obwohl sie zusätzliche Kürzungen zum ursprünglichen Vorschlag Van Rompuys durchaus begrüßt hätte.

Harte Verhandlungen in Vorbereitung auf den nächsten Gipfel

Es ist klar, dass Merkel sich als zentrale Vermittlerin bei der Abwägung der gegensetzlichen Interessen der reichen "Geberländer" und den ärmeren "Nehmerländern" sah. Nun unterstützte sie die britische Regierung vermutlich schon mit Blick auf den Gipfel am 13./14. Dezember, auf dem die Europäische Zentralbank als neue Bankenaufsicht für die Eurozone eingeführt werden soll. Diesem Vorhaben allerdings widersetzen sich die Briten, die bestimmte Zugeständnisse von den 17. Ländern der Eurozone fordern. Vielleicht denkt Merkel, dass sie durch ihre Unterstützung der britischen EU-Haushaltsposition von den Briten mehr Flexibilität im Bezug auf die EZB-Vorschläge erwarten darf. Sollte dies nicht gelingen, könnte Merkels Unterstützung der britischen Interessen bei den nächsten Budgetverhandlungen schwinden. So scheint die neue Achse „Berlin-London“ weniger auf einem gemeinsamen ideologischen Euroskeptizismus zu ruhen, als auf purem politischen Pragmatismus der deutschen Kanzlerin begründet zu sein, die darauf hofft, die Beteiligung der Briten sowohl am Sieben-Jahres-Haushalt der EU als auch an der Reform der EZB zu sichern und damit die Einheit der Europäischen Union zu wahren.

Die Staats- und Regierungschefs der EU werden einen Konsens finden müssen, noch vor dem nächsten Haushalts-Sondergipfel, der vermutlich im neuen Jahr stattfinden wird. Sollte dies nicht gelingen, müssten die EU-Chefs zu kostspieligeren Jahreshaushalten zurückkehren, oder, schlimmer noch, sich von einigen Mitgliedern der Union verabschieden.

Die letzten drei Jahre der Krise in der Eurozone und die durch die Sparmaßnahmen erzeugten Spannungen und Ressentiments haben zu einer beispiellosen Skepsis gegenüber den europäischen Institutionen geführt. Die Grundideen der Union existieren jedoch nach wie vor (wie die diesjährige Verleihung des Nobelpreises zeigt) und das Potential des Binnenmarktes ist für jeden einzelnen Mitgliedstaat wichtig wie eh und je. Die nationalen Regierungen müssen dem Sieben-Jahres-Haushalt zustimmen, könnte er doch die Sorgen um die Zukunft der Europäischen Union ein wenig lindern und die finanziellen und politischen Rahmenbedingungen für die zukünftige wirtschaftliche Erholung in Europa schaffen.