Berlin Jukebox: Erich Lesovsky
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Musiker mit Masken gibt es einige, aber blinken die auch? Der Wahlberliner Erich Lesovsky macht seine Musik an elektronischen Geräten und haucht ihr auf der Bühne mit Spielzeug, Licht und Feuerwerkskörpern körperliches Leben ein. Die Berliner Jukebox heute mit transparenten, melodischen Elektroklängen, die nicht nur in die Beine, sondern auch in die Köpfe fahren. Turn on.
Plastikspielzeug, blinkende Discokugeln und Feuerwerk würde man nicht unbedingt mit elektronischer Musik in Verbindung bringen. Aber wer einmal ein Live-Set von Erich Lesovsky gesehen hat, der weiß, dass Techno nicht nur eintöniges Herumdrehen an Knöpfen ist. Erich, der seit 1995 elektronische Musik produziert, entzieht sich bewusst allen musikalischen Einordnungen, denn beim Musikmachen schränkt ihn das nur ein. Was mit Akustikgitarren, Punkrock, Reggae und Ambient anfing, hat sich zu extrem transparenten, tanzbaren Klängen entwickelt, die sich durch viel Melodie, unerwartete Sounds und einen differenzierten Beat auszeichnen.
Erich Lesovsky live beim Musikfestival "Plötzlich am Meer" (2013).
Seinen ersten Live-Auftritt hatte Erich 1998 im ARM Club&Lolita Bar in Kassel, damals noch mit Disketten und einem alten Sampler. Mittlerweile erfindet er seine eigenen Synthesizer, wie zum Beispiel das Minimum Theremin oder die Atari Punk Konsole in einem Nintendo GameBoy-Gehäuse, und spielt regelmäßig in allen wichtigen Berliner Clubs. Seine Releases verteilen sich auf so unterschiedliche Label wie Parquet Recordings, Stil vor Talent, Burlesque Musique oder Univack Records und mit Circat Music hat er auch sein eigenes Label für experimentelle Musik. Da soll noch einmal jemand behaupten, Techno sei nur stupides Gedröhne ohne musikalischen Anspruch! Erich macht bei seinen Live Sets vor, dass Elektronisches durchdacht und anspruchsvoll sein, aber gleichzeitig so gewaltig durch den Körper fahren kann, dass der Tanz in Trance übergeht.
Cafébabel: Wie bist du auf die Idee mit der blinkenden Maske gekommen?
Das hat sich einfach aus meinen Basteleien mit LEDs ergeben, aber warum ich am Ende auf eine Maske kam, weiß ich nicht mehr. So habe ich jetzt zwei LED-Augen und mit dem Mund kann ich sogar in drei Farben leuchten. Allgemein funktionieren Masken, Schminke oder Kostüme auf der Bühne immer ausgesprochen gut.
Cafébabel: Wie wichtig ist dir diese Show bei deinen Live Sets?
Ich fange als Einstieg nach dem Break zwischen zwei Live Acts meistens mit Spielzeugsounds an. Wenn die Leute eine Seifenblasenpistole sehen, merken sie gleich, dass hier jetzt etwas passiert. Wozu sind wir denn auf der Bühne? Das ist das Doofe an Elektroniksounds, denn meistens muss man nur Knöpfe drehen. Das hat natürlich seine gute Seite, weil es dann wirklich um die Musik geht. Aber es ist auch ziemlich langweilig anzuschauen. Ich persönlich stehe auf Bonaparte – Halligalli und Bühnenshow bis zum Abwinken! Es ist immer gut, wenn auf der Bühne jemand durchdreht, denn das ist sehr befreiend für das Publikum, das dann besser abschalten kann. Und dafür muss man nicht gleich einer Fledermaus den Kopf abbeißen.
Erich Lesovsky, Regenmacher (2011).
Cafébabel: Welche musikalischen Elemente bestimmen deine Musik?
Ich mag Melodien und sehr unterschiedliche Sounds, der Rhythmus ist da eher die Basis. In meinen Tracks wechseln sich unheimlich viele Sounds ab, durch die einzelnen Ports entsteht Hall und wenn der gerade am Verschwinden ist, kommt ein neuer Sound. Rhythmus kann man stundenlang variieren, aber das kann sich keiner merken und es tut auch nicht weh. Sobald aber eine Melodie dazukommt, ist alles anders. Rhythmus ist viel neutraler, mir fehlen dabei die Emotionen, die eher über Harmonien gesteuert werden. Musik sollte also immer ein Gleichgewicht finden zwischen einem gewissen Groove und den Gefühlen, die sie transportieren will. In meinem Fall sind die eher melancholisch. In den letzten Jahren neige ich auch öfter zu Hymnen.
Cafébabel: Die elektronische Musikszene in Berlin ist die weltweit größte und lebendigste. Das bedeutet viel Freiheit – aber auch viel Konkurrenz?
Konkurrenten breche ich normalerweise die Arme, deswegen wird das mit der Zeit weniger. (lacht) Nein, das ist wirklich ein toller Austausch. Es geht um Gespräche, Technik und gegenseitige Kritik. Am Schluss setzen sich Qualität und Ausdauer meistens durch.
Erich Lesovsky, No Stone Should Be Left Upon (2012).
Cafébabel: Wie geht es mit der elektronischen Musik in Berlin weiter?
Nach oben ist noch sehr viel Luft, wenn man Lust zu experimentieren hat. Die technischen Möglichkeiten werden immer besser und auch die Vermischung verschiedener Musikgenres schreitet voran. Viele wollen aber gar nicht experimentieren, sondern wiederholen nur das, was schon mal da war. Wenn man sich zum Beispiel die Beatport-Charts anhört, dann ist das alles pure Wiederholung. Genauso ist es auch mit Strömungen: Mal ist House mit vielen Vocals angesagt, dann Minimal, dann wieder etwas anderes... Elektronische Musik ist für viele inzwischen ein recht angepasstes Geschäft. Letztes Jahr waren zum Beispiel Discosounds und 80er Jahre-Synthesizer angesagt. Ich schätze, das läuft immer noch, aber ich bin da raus – zum Glück! Ich lese keine Szenemagazine, höre wenig elektronische Musik, kenne keine DJ-Charts. Manchmal höre ich lieber tagelang Punkrock und mache dann einen neuen Technotrack.
CAFÉBABEL BERLIN SCHMEISST DIE JUKEBOX AN
Keine Lust mehr auf die immer gleichen Tophits, Radioschleifen oder Spotify-Playlists? Ab April 2014 stellen wir euch in der Rubrik Jukebox junge Musiker, DJs und Live Acts aus Berlin vor, die noch Unerhörtes zu bieten haben. Mehr Tracks und Playlists gibt es auf Facebook und Twitter.