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Benjamin-Button Effekt: Klaus macht den Weg für Lissabon frei

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Politik

Nach monatelanger Blockade hat der tschechische Präsident Václav Klaus gestern als letzter Staatschef den Vertrag von Lissabon unterschrieben. Zuvor hatte das Verfassungsgericht in Brno die Klage konservativer Senatoren gegen das Regelwerk abgewiesen. An die EU-Reform, die nun in Kraft treten kann, knüpfen sich große Hoffnungen und einige Befürchtungen.

Berlingske Tidende: „Geschmeidiger zusammenarbeiten“; Dänemark

Mit der tschechischen Unterschrift unter dem Vertrag von Lissabon kann die EU nun endlich besser zusammenarbeiten und sich den Herausforderungen der Zukunft stellen, frohlockt die Tageszeitung Berlingske Tidende: "Nachdem das letzte Land in der EU, Tschechien, gestern den Lissabon-Vertrag unterschrieben hat, kann Europa erleichtert aufatmen. Nach einem unglaublich beschwerlichen und bürokratischen Prozess ist es den 27 EU-Mitgliedsländern gelungen, einen Vertrag anzunehmen, der die Länder in vielen Bereichen ernsthaft miteinander verbindet und die Möglichkeit schafft, dass die europäischen Mitgliedsländer bei vielen internationalen Herausforderungen [...] geschmeidiger zusammenarbeiten. Mit der Annahme des Lissabon-Vertrages wird es bedeutend leichter, gemeinsame Lösungen bei den Klimaproblemen, der Globalisierung und der internationalen Zusammenarbeit zu finden."

(Artikel vom 04.11.2009)

Dziennik Gazeta Prawna: „Washington fehlt ein Gesprächspartner, der mit einer Stimme spricht“; Polen

Nach der Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon durch den tschechischen Präsidenten Václav Klaus fordert die Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna, dass die EU starke Institutionen einrichtet: "Der Lissabon-Vertrag ist angenommen worden. Ohne ihn würde die EU nicht nur auf der Stelle stehen bleiben, sondern damit beginnen, in ihrer Entwicklung rückläufig zu werden, bis sie schließlich aus der ersten Liga der Großmächte fallen würde. Doch ist dieser Vertrag natürlich nur ein erster Schritt. Und man muss ihn nun mit Inhalten füllen und der EU starke Institutionen geben. Es ist kein Zufall, dass die USA Europa nicht mehr als ihren wichtigsten Partner ansehen. Das geschieht vor allem deswegen, weil der alte Kontinent keine Entscheidungsfähigkeit hat und die nationalen Politiker sich gegenseitig hemmen. Washington fehlt auf der anderen Seite des Atlantiks einfach ein Gesprächspartner, der mit einer Stimme spricht."

(Artikel von Andrzej Talaga, 04.11.2009)

Il Sole 24 Ore: „Wir haben - im Gegensatz zu Benjamin Button - nicht das ganze Leben vor uns, um uns zu verjüngen“; Italien

Wir entdecken in der Wiege ein faltiges altes Männchen und kein quicklebendiges Neugeborenes mit 27 Seelen.

Anhand der Romanfigur Benjamin Button des US-amerikanischen Autoren F. Scott Fitzgerald erklärt die Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore, dass der Lissabonner Vertrag schon jetzt veraltet sei: "Weder als erträumte Verfassung, noch als Handbuch der 27 [Mitgliedsstaaten] wird der neue Vertrag nunmehr [...] zur Welt gebracht. Lasst die Sektkorken nicht knallen. Wie der Vater von Benjamin Button, die Figur von Scott Fitzgerald, die gezwungen ist, ihr Leben rückwärts zu leben, entdecken wir in der Wiege ein faltiges altes Männchen und kein quicklebendiges Neugeborenes mit 27 Seelen. […] Die gierige Aufteilung der neu geschaffenen Ämter beschwört [...] keine Erneuerung herauf. […] Europa sollte sich bald wiederfinden, um den Niedergang abzuwenden. Wir haben - im Gegensatz zu Benjamin Button - nicht das ganze Leben vor uns, um uns zu verjüngen."

(Artikel  von Enrico Brivio, 04.11.2009)

Právo: „Die staatliche Souveränität verliert man nicht wie die Jungfernschaft“; Tschechien

©http://www.flickr.com/photos/quinnanya/"Europa fällt ein Stein vom Herzen", bemerkt die linke Tageszeitung Právo, nachdem das Oberste Gericht Tschechiens den Reformvertrag für verfassungskonform erklärt und Präsident Václav Klaus ihn unterschrieben hat: "Seine ablehnende Haltung behielt er aber bei und kritisierte die Verfassungsrichter scharf. Er besteht darauf, dass Tschechien seine Souveränität nicht verliert. [...] Eine uneingeschränkte Souveränität des Staates gibt es aber nicht. Die staatliche Souveränität verliert man nicht wie die Jungfernschaft, sie kann durch eine staatliche Entscheidung wieder erneuert werden. [...] Die Widersacher haben nicht Recht, wenn sie behaupten, dass die Entwicklung Europas ein unkontrollierbarer Prozess sei, unabhängig vom Willen Tschechiens. Der Staat muss nur dann weitere Teile seiner Souveränität aufgeben, wenn der Gesetzgeber dem zustimmt und die Regierung diesen Weg absegnet."

(Artikel von Petr Uhl; 04.11.2009)

The Irish Times: „David Cameron ist bereit zu akzeptiern, dass ein Referendum nun irrelevant ist“; Irland

Der Streit der britischen konservativen Partei mit Europa wird trotz der Ratifizierung des EU-Reformwerks weitergehen, meint die Tageszeitung The Irish Times: "[Der britische konservative] Parteichef David Cameron ist wohl bereit zu akzeptieren, dass das Thema [eines Referendums] irrelevant ist, weil der Ratifizierungsprozess abgeschlossen ist. [...] Seine verspätete Versöhnung mit dem Vertrag bedeutet jedoch nicht, dass er - sobald er im Amt ist - das Thema der Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU auf sich beruhen lässt. Die Tories bleiben dem Transfer von wesentlichen Befugnissen aus Brüssel [auf die nationalstaatliche Ebene] verpflichtet. [...] Traurigerweise ist wohl das Versprechen nur Wunschdenken, die Umsetzung [des Vertrags] würde den konstitutionellen und institutionellen Streit in der EU für eine Generation beenden [...] . Keine guten Aussichten."

(Artikel vom 04.11.2009)

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