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Belgien: Das Sprachlabor Europas

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Default profile picture anja möbus

KulturPolitik

In Belgien gibt es drei Amtssprachen: Niederländisch, Französisch und Deutsch. Dabei kommt es zwischen den Regionen Wallonien und Flandern immer wieder zu Spannungen.

Die „plat pays“ (flachen Lande), wie der Chansonnier Jacques Brel Belgien einmal nannte, haben vor kurzem ihr 175-jähriges Bestehen sowie 25 Jahre Föderalismus gefeiert. Zwischen den Verfassungen von 1831 und 1993 hat sich der Status der Sprachen radikal gewandelt. Zudem wurde Belgien von einem Zentralstaat zu einem Föderalstaat. Seit der Unabhängigkeit Belgiens im Jahr 1830 verbürgt die Regierung die Freiheit des Sprachgebrauchs. Obwohl damals Französisch als Amtsprache verwendet wurde, sprach die Mehrheit der Bevölkerung als Muttersprache entweder einen Dialekt des Niederländischen (Flämisch, Brabantisch oder Limburgisch) oder eine Sprache lateinischen Ursprungs (Wallonisch, Picardisch, Lorrainisch).

Warum Französisch als Amtssprache? Für die Eliten der damaligen Zeit verkörperte die das große Prestige die die Sprache Molières und der Aufklärung besaß, die nationale Einheit und Unabhängigkeit gegenüber den Niederlanden. Den von der Bevölkerung gesprochenen Dialekten und teilweise auch den niederländischen Dialekten wurde die Anerkennung verweigert. Dies führte zu starken Diskriminierungen innerhalb der Bevölkerung und rief die Abneigung der Flamen gegenüber der französischen Sprache hervor.

Offizielle Zweisprachigkeit

Ein wichtiges Datum ist das Jahr 1873: In diesem Jahr wurde die Zweisprachigkeit im belgischen Königreich rechtlich anerkannt. Nach 1919 wünschte sich die große Mehrheit der Flamen, dass Niederländisch als Sprache in der Verwaltung, dem Unterricht und den Universitäten verwendet wird. Daraus entstand 1921 der Kompromiss der sprachlichen Teilung. Die Regierung erkannte die territoriale Einsprachigkeit an und schuf drei Sprachzonen: das niederländischsprachige Flandern, Wallonien, in dem man französisch spricht und die deutschsprachige Region.

Seit den 1960er Jahren nahmen die kommunalen Streitigkeiten zwischen Flamen und Wallonen zu. Im Süden erhoben sich Stimmen, welche eine stärkere wirtschaftliche Autonomie der Wallonie forderten, wohingegen sich die flämischen Forderungen auf kulturelle Fragen bezogen. 1962 wurde mit der Abstimmung zum Gesetz Gilson ein für alle Mal die sprachliche Grenze zwischen Flandern und Wallonien festgelegt. Gleichzeitig wurde eine gütliche Einigung zwischen Flamen und Wallonen, die in den Gemeinden mit mehreren Sprachen leben, vorsieht. Um der Einfachheit dieser Regelung Nachdruck zu verleihen nannte man sie „einfache Gemeinden“.

Territoriale Einsprachigkeit

Die Spaltung der katholischen Universität von Lovain 1967 brachte eine umfangreiche politische Krise hervor. Man musste die konstitutionellen Reformen von 1970-71 bis zu denen von 1980 abwarten um Belgien in einen gemeinschaftlichen und regionalisierten Staat umzuformen. Erst mit der Reform vom 15. Februar 1994 wurde ein Föderalstaat geschaffen. Das Prinzip der territorialen Teilung der Sprachen ist von diesem Zeitpunkt an durch die Teilung des Landes in vier Sprachregionen besiegelt.

Belgien besitzt heute drei Amtssprachen. Dies sind Niederländisch, Französisch und Deutsch. Das Land ist in drei Gemeinden (die französische Gemeinde, die niederländische Gemeinde und die deutschsprachige Gemeinde) und drei Regionen( die flämische Region, die wallonische Region und die Region um die Hauptstadt Brüssel) geteilt. Dabei wurden 1980 die Kompetenzen der Regionen definiert. Dies sind die Einrichtung des Territoriums sowie einer Wohnungs- und Wirtschaftspolitik. Der Unterricht ist seit 1988 Teil der Zuständigkeit der Gemeinden. 1993 hat die föderale Regierung die Landwirtschaft, den Außenhandel sowie die Sozialpolitik, für sich in Anspruch genommen und die finanziellen Mittel der Regierung, sowie der Gemeinde- und Regionalparlamente erhöht. Seit 2003 sind auch die finanziellen Kompetenzen verstärkt worden.

Man schätzt, dass von 10 Millionen belgischen Einwohnern, 60% niederländisch und 40% französisch sprechen. Eine Minderheit von 67.000 Personen spricht Deutsch. Während momentan die französischsprachigen Gebiete für ihren institutionellen Status quo plädieren, fordern die flämischen Gebiete, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Dynamik und des Einflusses der rechtsextremen Partei „Vlaams-Belang“ mehr Unabhängigkeit und treten sogar für den Separatismus ein. Wenn Belgien Probleme mit drei Sprachen kennt, wie kann Europa dann mit 20 Sprachen umgehen?

Mehrsprachigkeit in europäischen Ländern

Frankreich, in dem die einzige Amtssprache Französisch ist, hat am 4. August 1994 das „Toubon-Gesetz“ verabschiedet, welches den einheitlichen Charakter des französischen Unterrichts festlegt. In einigen Schulen wird bretonisch und korsisch unterrichtet, auch wenn diese nicht den Status einer Amtssprache haben. Frankreich verweigert immer noch die „Europäische Charta der Regional- und Minderheitssprachen“ zu unterzeichnen, die sich dem nicht-vorschreibbaren Recht widmet, eine regionale Sprache im privaten und öffentlichen Leben anzuwenden. Im Gegensatz dazu erkennt Spanien in der Verfassung von 1978 im Baskenland Baskisch als Amtssprache an, dasselbe gilt für Gallizisch. Genauso werden in Großbritannien Gälisch und Schottisch als Amtssprachen anerkannt. In einigen Regionen Schottlands wird Gälisch an Schulen unterrichtet und in der Verwaltung neben Englisch verwendet.

Translated from La Belgique, laboratoire linguistique