Beethoven zur Berlinale: "Kinshasa Symphony"
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Die Leidenschaft, mit der Menschen Musik machen, ist immer guter Stoff für einen Film. Weitab von den Befindlichkeiten und Konflikten, die in „Trip to Asia“ verhandelt wurden, zeugt „Kinshasa Symphony“ von der Leidenschaft, mit der Menschen alle Widrigkeiten überwinden können.
Buntes Markttreiben in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa, Hühner laufen durch den Schlamm, Menschen verkaufen alles, was verkäuflich ist, der Straßenlärm ist ohrenbetäubend. Mittendrin sitzen und stehen etwa 100 Menschen, die klassische Musik von Georg Friedrich Händel spielen. Ein Chor steht hinter ihnen und singt – allerdings nur so lange bis sie vom Staub der Straße husten müssen.
Die deutschen Dokumentarfilmer Martin Baer und Claus Wischmann sind „europäischer Musik nach Afrika gefolgt“, wie sie sagen und mussten sich zunächst den Vorwürfen stellen, sie würden für Ihren Film „europäische Fragen“ stellen. „Warum spielt Ihr ausgerechnet Beethoven?“, „Ist es nicht schwer, unter diesen chaotischen Bedingungen zu spielen?“, „Wie habt Ihr gelernt, Instrumente zu spielen?“ Irgendwann hätten sie es einfach mal hingenommen, dass ein afrikanisches Orchester Beethoven spielen würde. Über ein japanisches Symphonieorchester würde man sich ja auch nicht wundern. Einige Musiker finden sogar Parallelen zu afrikanischen Rhythmen in Beethovens Neunter Symphonie. „Beethoven mit der Leidenschaft des Kongo spielen“, nennt Diangienda die Bemühungen seines einzigartigen Orchesters.
Natürlich sind die Bedingungen schwierig, unter denen die Menschen klassische Musik spielen. Keiner von ihnen hat sein Instrument professionell gelernt, fast alle Musiker sind Autodidakten und arbeiten während des Tages in ihren eigentlichen Berufen: Krankenschwestern, Elektriker, Mechaniker, Hochzeitskleidverkäuferinnen. Der Dirigent Armand Diangienda ist ausgebildeter Pilot. Die Hitze und Feuchte schaden den empfindlichen Instrumenten, wegen Geldmangel werden Instrumente selbst präzise zusammengebaut, Stromausfälle verhindern kontinuierliche Proben am Abend und die Familien und Nachbarn erkennen die musikalischen Bemühungen nicht an. Trotzdem begeistern sich die Orchestermitglieder so sehr für klassische Musik von Beethoven, Verdi, Händel und Mozart, dass sie sich gegen alle Widerstände durchsetzen. „Wenn ich singe, dann bin ich ganz bei mir, dann bin ichin einer anderen Welt“, beschreibt eine der Chorsängerinnen ihre Gefühle.
Wischmann und Baer haben sich acht der über hundert Musiker ausgesucht, folgen ihnen fast beiläufig in heruntergekommene Wohnungen, zu teuren Eierverkäufern und nervenden Familienmitgliedern, manchmal etwas zu beiläufig. Ganz bewusst hätten sie sich gegen einen Off-Kommentar entschieden, erklären sie, um der europäischen Haltung, alles zu erklären und zu kommentieren, entgegen zu wirken. Die Probleme und Geschichten sollten sich aus sich selbst heraus erklären. Sie wollten die Menschen des Orchesters vorstellen, ohne etwas dazu zu erzählen. So entstanden einige verfremdete inszenierte Szenen, in denen die Musiker einzeln auf der Straße, am Busbahnhof oder der Bootsanlegerstelle ihre Instrumente spielen, während der Straßen- und Menschenlärm langsam ausgeblendet wird. Was bleibt sind die angestrengten Gesichter und wunderschöne Musik.