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Beerdigt Prag den Vertrag von Lissabon?

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Politik

"Das Europäertum ist wie Esperanto - künstlich und tot", so die Reaktion des tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus nach dem gescheiterten Referendum in Irland. Bei der Rettung der EU-Reformfähigkeit ist Tschechien der unsicherste Kantonist.

Das negative Ergebnis des Referendums in Irland über den Vertrag von Lissabon war keine zehn Minuten bekannt, als sich Tschechiens Präsident Vaclav Klaus zu Wort meldete. Er erklärte kurzerhand den Prozess von Lissabon für beendet. Am Montag legte er in einem Interview nach: "Ganz Europa sollte den Iren dankbar sein." Sie hätten den "fehlerhaften Weg der EU zu noch größerer Unifizierung und zur Unterdrückung der Nationalstaaten" ausgebremst.

©World Economic ForumDas Referendum in Irland habe perfekt vor Augen geführt, was die "normalen Menschen" von all dem hielten. "Suchen wir ein anderes europäisches Modell als das des Brüsseler Superstaates. Kehren wir zurück zu einer Gemeinschaft freundschaftlich und effektiv kooperierender Länder. Belassen wir die Mehrheit der Kompetenzen bei den Nationalstaaten. Lassen wir die Menschen in Europa Tschechen, Polen, Italiener oder Dänen sein. Das Europäertum ist wie Esperanto - künstlich und tot."

Nun entscheidet am Ende nicht der euroskeptische tschechische Präsident über das Schicksal von Lissabon in seinem Land. Aber sein Wort hat sehr großes Gewicht. Die Regierung sieht den EU-Vertrag etwas gemäßigter als Klaus, aber sie vermeidet eine klare Stellungnahme. Das liegt in erster Linie an der stärksten Kraft, der konservativen Bürgerpartei (ODS). Die hat dafür gesorgt, dass der Ratifizierungsprozess derzeit auf Eis liegt. 

Die Senatsfraktion der ODS hatte den Text von Lissabon an das Verfassungsgericht geschickt. Das soll entscheiden, ob der Vertrag mit dem tschechischen Grundgesetz kollidiert. Sollte das Gericht ein Haar in der Suppe finden, dann wäre Lissabon in Tschechien mit großer Wahrscheinlichkeit tot. Ein zweiter Ausreißer nach Irland aber käme der endgültigen Beerdigung des Dokuments gleich.

Bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichts benutzt die ODS den Vertrag von Lissabon als Spielball, um eine andere politische Grundfrage lösen zu können: die Errichtung der Radarstation in Tschechien für eine Raketenabwehr der USA. Um das Radar durchzusetzen, fehlt es der Regierung an der erforderlichen Mehrheit im Parlament. Das Vorhaben stößt auf Widerstand auch bei Teilen der mitregierenden Grünen. Um das Nein der oppositionellen Sozialdemokraten aufzubrechen, bietet die ODS einen Deal an: Wenn ihr mit dem Radar einverstanden seid, dann würden wir am Ende auch Lissabon über die Hürden helfen. Die Sozialdemokraten verweigern sich bislang einem solchen Handel.

Tschechien bleibt auch nach dem Montags-Treffen der Premiers der Visegrad-Länder in Prag bei seiner undurchsichtigen Haltung. Das wurde auf der gemeinsamen Pressekonferenz der Premierminister Tschechiens, Polens, Ungarns und der Slowakei deutlich. Von einem einheitlichen Vorgehen sind die vier Länder meilenweit entfernt. 

Erwartet wurde am Montag auch noch der französische Präsident Nicolas Sarkozy in Prag. Der muss sich schon vor der Übernahme der französischen EU-Ratspräsidentschaft als Krisenmanager bewähren. Dass er die Tschechen auf den Kurs von Lissabon einschwören kann, bezweifeln jedoch alle Beobachter in Prag. "Er wird aber den Druck auf unser Land erhöhen", sagte Kommentator Petr Zavadil im tschechischen Fernsehen. 

Anfang kommenden Jahres übernehmen die Tschechen von den Franzosen die EU-Ratspräsidentschaft. Mit den Prager Nein-Sagern an der Spitze, das weiß nicht nur Sarkozy, wird es die EU sehr schwer haben, handlungsfähig zu bleiben.

Von n-ost-Korrespondent Hans-Jörg Schmidt

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