Ausverkauf einer Stadt – Su Friedrich schaut in „Gut Renovation“ auf Gentrifzierung
Published on
Investitionen in Immobilien werden immer beliebter. Also wechseln Häuser den Besitzer, werden modernisiert und die Mietpreise steigen. Die Bewohner werden in Randbezirke verdrängt. Doch das ist kein reines Berliner Problem. Weltweit erleben Menschen den Druck des Immobilienhypes. So auch Su Friedrich. In ihrer Doku „Gut Renovation“ zeigt sie, wie ein Stadtviertel New Yorks ausverkauft wurde.
1989 mietete und renovierte Friedrich mit Freundinnen eine Etage in einem alten Fabrikgebäude in Williamsburg, einem Arbeiterviertel in Brooklyn. Nach und nach wurden produzierenden Betriebe, Handwerker und Künstlerlofts von Bauspekulanten verdrängt, die man mit Steuergeschenken angelockt hatte. Auch die Regisseurin musste aus ihrer Wohnung raus. Der Goldrausch Wohnraum begann. Und das Aussehen eines Stadtviertels veränderte sich.
Auf der Berlinale zeigt Friedrich in der Sektion Panorama nun den Wandel in dieser Gegend. Der Dokumentarfilm erzählt emotional den zunächst schleichenden Umbau der Eigentumsverhältnisse in der Gegend zwischen East River und Brooklyn-Queens Expressway. Vom Verkauf von Grundstücken, über den Abriss der Industriebauten bis hin zur Errichtung neuer exklusiver Eigentumswohnungen für eine wohlhabende Klientel: Akribisch hält Friedrich mit ihrer Kamera den Umbruch fest. In immer schnelleren Bildfolgen kartografiert sie, fast schon wie in einer Feldstudie, Abrisse und Neubauten und verdeutlicht so Ausmaß und Tempo der Gentrifizierung. Bei Nummer 173 gibt sie schließlich auf.
„Willkommen in der Nachbarschaft. Sie ruinieren sie.“
Und so zeigt sie in der Ich-Perspektive ihre wachsende Wut. Sie provoziert. Beißende Kommentare sind ihre Waffen: So sprüht sie „Hier lebten einmal Künstler.“ auf einen Bauzaun oder ruft Bauunternehmern „Willkommen in der Nachbarschaft. Sie ruinieren sie.“ zu. Doch sie beweist auch Komik. Ironisch filmt sie die Designer-Hunde-Parade, die jeden Tag an ihrem Fenster vorbei spaziert. Die wohl lustigste Szene dreht sich um einen gigantischen Felsbrocken. Er soll bei Bauarbeiten vom gegenüberliegenden Grundstück entsorgt werden. Doch der Stein ist zu groß und zu schwer, um ihn in einem Stück abzutransportieren. Minutiös zeigt Friedrich, einem Slapstick gleich, die Versuche der Bauarbeiter, das Problem zu lösen. Ein Problem, das zwei Wochen dauert.
Gut Renovation ist ein Abschied vom alten Williamsburg. Auch wenn der Film keine Ursachen der Gentrifizierung herausarbeitet und keine weitergehende Analyse aufweist, so zeigt er dem Zuschauer doch sehr deutlich, wie es ist, aus dem eigenen Stadtviertel wegziehen zu müssen. Su Friedrichs Dokumentation ist eine gelungene sehr persönliche Bestandsaufnahme, die das Thema Gentrifizierung endlich mal aus einer anderen Perspektive erzählt.