Aufwachen in Orbánland: Ungarn hat rechts gewählt
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Der nationalkonservative Bund Junger Demokraten (Fidesz) hat die Parlamentswahlen in Ungarn am Sonntag mit 52,7 Prozent der Stimmen klar gewonnen. Die regierenden Sozialisten kamen nur auf 19,3 Prozent. Die rechtsextreme Partei Jobbik zog mit 16,7 Prozent erstmals ins Parlament ein. Mit dem Sieg der Rechten sehen manche Kommentatoren Ungarn im Aufbruch, andere fürchten ein böses Erwachen.
Magyar Nemzet: „Systemwechsel' wie im Jahr 1989“; Ungarn
Nach dem Sieg des nationalkonservativen Bunds Junger Demokraten (Fidesz) unter Viktor Orbán kann Ungarn zu neuen Ufern aufbrechen, meint die dem Fidesz nahe stehende konservative Tageszeitung Magyar Nemzet: "Das war eine historische Wahl, Ungarn! [...] Diese Wahl kann vom Gewicht her mit einem 'Systemwechsel' wie im Jahr 1989 durchaus verglichen werden. Bei allgemeinen, freien Wahlen ist noch keiner Partei und keinem Parteibündnis ein derartiges Ergebnis gelungen. Für Viktor Orbán und den Fidesz ist die parlamentarische Zweidrittelmehrheit in greifbarer Nähe. Damit steht fest, dass die Jungdemokraten in den kommenden vier Jahren ohne Koalitionszwang regieren können. [...] Das Abschneiden der rechtsradikalen Partei Jobbik läutet ebenfalls eine Zeitenwende ein. Mit Jobbik ist eine neue Kraft auf den Plan getreten, die einen systemfeindlichen Radikalismus vertritt - in der rechtsradikalen Partei manifestieren sich der Zorn, die Enttäuschungen und die ungelösten Probleme der vergangenen Jahre und Jahrzehnte." (Artikel vom 12.04.2010)
Pravda: „Seit dem Fall des Kommunismus hatte niemand so viel Macht in Ungarn wie Viktor Orbán“; Slowakei
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Ungarns Wähler haben für die Wende nach Rechts gestimmt. Viktor Orbáns nationalkonservativer Bund Junger Demokraten (Fidesz) und die rechtsextreme Partei Jobbik bekamen zusammen fast 70 Prozent der Stimmen. Daraus ergibt sich eine enorme Machtfülle, meint die linke Tageszeitung Pravda: "Seit dem Fall des Kommunismus hatte niemand so viel Macht in Ungarn wie Viktor Orbán. 'Am Montag werden wir in einem anderen Land aufwachen', sagte er selbst. Schon nach der ersten Runde der Wahlen ist klar, dass er nicht übertrieben hat. Im politischen Nachwende-Ungarn bleibt kein Stein auf dem anderen. [...] Die Ungarn fällten ihr Urteil nicht nur über die acht Jahre erfolgloser Regierung der Sozialisten, sondern auch über das bisherige System zweier großer Parteien. [...] Nunmehr ist alles anders. Auf der politischen Bühne bleibt nur eine von beiden. Die Ungarn sind in Orbánland aufgewacht."
(Artikel vom 12.04.2010)
La Repubblica: „Gewinner ist die rechtsextreme Jobbik mit 16,7 Prozent“; Italien
Der wahre Gewinner der Parlamentswahlen in Ungarn ist mit 16,7 Prozent die rechtsextreme Partei Jobbik, schreibt die linksliberale Tageszeitung La Repubblica: "Die Partei unter Führung des 31-jährigen Gabor Vona verhehlt nicht im geringsten ihre rassistischen Neigungen und ihre engen Verbindungen zu paramilitärischen Organisationen wie der Neuen Ungarischen Garde [die aus der 2009 verbotenen Ungarischen Garde hervorgegangen ist]. Dennoch konnte sie erstmals die Fünf-Prozent-Hürde nehmen. Belohnt wurde Jobbik vor allem von den wieder erwachten ethnischen Spannungen mit den slowakischen Nachbarn und der neuen Unzufriedenheit, die das Land erfasst hat, nachdem es nur mit Hilfe der EU und des Internationalen Währungsfonds im Herbst 2008 vor dem Bankrott bewahrt wurde. 2009 bescherte die Rezession dem Land ein Absinken des Bruttoinlandsprodukts um sechs Prozent, während die Arbeitslosigkeit auf 11,3 Prozent stieg. Die Experten sind zwar überzeugt, dass das Schlimmste vorüber ist, viele zogen es jedoch vor, den Versprechungen von Vona Glauben zu schenken."
(Artikel vom 12.04.2010)
Kurier: „Modernisierung des Gesundheits- und Bildungssystems sind unumgänglich“; Österreich
Nach dem klaren Sieg der nationalkonservativen Partei Fidesz unter Viktor Orbán braucht Ungarn jetzt einen Konsens-Kurs, schreibt die Tageszeitung Kurier: "Wenn Viktor Orban nach Auszählung aller Stimmen den angekündigten Sieg für sich verbuchen kann, bleibt ihm nicht viel Zeit zum Jubeln. Auch mit den giftigen Sprüchen gegen jene, die bisher am Ruder waren, ist es dann vorbei. [...] Wirtschaftliche Reformen, die Modernisierung des Gesundheits- und Bildungssystems sind unumgänglich. Die Konservativen wissen das auch. Maßnahmen, die von Übergangspremier Gordon Bajnai auf den Weg gebracht wurden, müssten sie daher weiterführen. Die heiklen Fragen bleiben: Bewegt sich Orban wieder in die Mitte und grenzt er sich von Rechts-außen ab? Bleibt er ein Spalter oder kann er den Zusammenhalt in der Gesellschaft schaffen. Ohne den werden die Menschen, die anstehenden Härten nicht mittragen - und Orban scheitert, wie die Sozialisten jetzt."
(Artikel vom 11.04.2010)
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