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Auf keinen grünen Zweig gekommen

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Wien

Während in Deutschland das „Bündnis 90/Die Grünen“ bald Teil der Regierung sein könnte, weht dem österreichischen Pendant derzeit rauer Wind um die Ohren. Umfragen prognostizieren, dass die Grünen die 4-%-Schwelle für den Einzug ins Parlament möglicherweise nicht überschreiten werden, obwohl erst im Vorjahr ihr ehemaliger Parteivorsitzender zum Bundespräsidenten gewählt wurde. Was ist passiert?

Energiewende, Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit: Die Schwerpunktsetzung der Grünen Österreichs für die Nationalratswahl am 15. Oktober unterscheidet sich auch in diesem Jahr nicht besonders vom grünen Grundsatzprogramm. Besonders junge, gut gebildete Menschen fühlen sich von den typisch grünen Wahlkampfthemen angesprochen. Auch Gerhard, Medizinstudent an der Wiener Medizinischen Universität, sagt der Fokus der Partei zu. „Inhaltlich sind die Grünen immer noch die Partei, die den besten Eindruck auf mich macht“, befindet der 25-Jährige. Ihr Auftritt lasse jedoch gerade mehr als zu wünschen übrig.

Während des Vorsitzes Alexander van der Bellens (1997-2008) stieg die Unterstützung für die Partei von knapp unter fünf auf elf Prozent an; seine Nachfolgerin Eva Glawischnig konnte 2013 sogar fast 13 % der Wählerstimmen gewinnen. Als Van der Bellen 2016 als unabhängiger Kandidat die Präsidentschaftswahl gewann, wurde sein Sieg besonders im Ausland mit seiner ehemaligen Partei assoziiert – ein starkes Signal nach Brexit und Trump. Wenige Monate später begann die grüne, heile Welt jedoch zu wanken: Eine öffentlichen Auseinandersetzung der Parteijugend mit der Parteispitze endete mit dem Rauswurf der „Jungen Grünen“. Teile der Organisation wechseln nun zu einem Bündnis mit der Kommunistischen Partei, während bereits die Gründung einer neuen Jugendorganisation im Gange ist.

Überzeugungskraft gesucht

Nach diesem ersten internen Knistern führte der unerwartete Rücktritt Glawischnigs aus gesundheitlichen Gründen im Mai zu einer Dreiteilung der Parteispitze. Die Europaparliamentarierin Ulrike Lunacek und die Tiroler Landespolitikerin Ingrid Felipe übernahmen dabei die für die Wahl relevanten Positionen als Spitzenkandidatin und Parteisprecherin. Obwohl die Grünen sich bei der Besetzung der Spitze ausdrücklich nicht auf eine Person als Parteispitze fixieren wollten, sorgte die innerparteiliche Demokratie nicht für höheren Zuspruch: „Es schien, als sollte die Doppelspitze kaschieren, dass die Partei nach Glawischnigs Rücktritt planlos wirkte“, meint Gerhard zu der Aufsplitterung. Um bei den Wählern zu punkten, bräuchte man allerdings eine überzeugende, ansprechende Person an der Spitze – Eigenschaften, welche die neue Parteispitze Lunacek besonders zu Beginn für ihn nicht gehabt habe.

Um das selbstgesteckte Ziel eines Einzugs ins Parlament mit zweistelliger Prozentzahl zu erreichen, müsste Lunacek tatsächlich noch viel Überzeugungskraft aufwenden. Denn dominiert wird der derzeitige Wahlkampf von polarisierenden, starken Männerfiguren à la Sebastian Kurz oder Heinz-Christian Strache. Lunacek wirkt daneben zwar wie die vertrauenswürdige Professorin, welche bestimmt und logisch argumentiert ohne von ihren Positionen abzuweichen. Gegen die Phrasendrescherei und den Populismus ihrer Gegner kommt sie damit jedoch schwerlich an. Selbst Parteien mit ähnlichen Inhalten wie jene des Bundeskanzler Christian Kern stellen mehr einen Gegner als einen möglichen Koalitionspartner dar: So würden laut Politikbeobachtern viele Grün-Wähler in Betracht ziehen, ihre Stimme den Sozial-Demokraten zu geben, um eine rechtslastige Koalition von Kurz‘ und Straches Parteien zu verhindern.

Hausgemachte Konkurrenz

Besonders bedrohlich für die grüne Nationalratsexistenz ist jedoch nicht der Druck von rechts, sondern hausgemachte linke Konkurrenz. Peter Pilz, welcher sich als kritische Stimme im Parlament auch abseits der grünen Stammwähler einen Namen machen konnte, verlor die parteiinterne Stichwahl um den vierten Platz der Bundesliste und verließ daraufhin prompt die Partei um (drei Monate vor der Wahl) seine eigene Bewegung zu gründen. Ein Ereignis, das den Grünen wohl einige Stimmen kosten wird, da Pilz nicht nur Parteigründungsmitglied und Initiator mehrerer Untersuchungsausschüsse ist, sondern auch dem Islam kritisch gegenübersteht – ein Punkt, mit dem er beispielsweise FPÖ-Wähler anlocken will.

„Ich denke nicht, dass Pilz Stimmen von FPÖ-Wählern gewinnen kann. Seine Selbstverwirklichung kostet aber den Grünen vielleicht den Einzug ins Parlament“, meint Gerhardn dazu. Noch ist er (wie fast jeder vierte Österreicher) unentschlossen, wer in zwei Wochen seine Unterstützung erhalten soll. Sollten es schließlich doch die Grünen werden, wäre das vor allem, um sie im Nationalrat zu erhalten, sagt Gerhard. „Es wäre aber ein Kreuzerl mit Bauchweh, da sie für mich den Anschein verloren haben, eine intakte Partei zu sein.“

Selbst ohne sämtliche Zwischenfälle hätten die Grünen also bei den diesjährigen Wahlen kein leichtes Spiel gegen Kurz und Co. gehabt. Denn eine Tatsache, welche in Deutschland letzte Woche traurige Gewissheit wurde, nützen die österreichischen Spitzenkandidaten der drei stärksten Partei seit Monaten zu ihren Gunsten: Negativbotschaften rechten Ursprungs sowie Leader-Images wirken wesentlich stärker auf Wähler als Inhalte. Es spricht zwar für die Integrität der Grünen, sich nicht an dieser Showpolitik zu beteiligen, ohne anderweitige Strategien konnten sie bislang aber auch keine neuen Wähler gewinnen. Dass nun aber sogar Stammwähler zweifeln, weil man parteiintern auf keinen grünen Zweig kommen konnte, könnte bei diesen Wahlen aber gravierende Folgen haben. Sollten sich die Wahlprognosen bewahrheiten, würden die Grünen zwar ins Parlament einziehen, aber mit 4-6% des Stimmenanteils auf Wahlergebnisse von Van der Bellens Anfangszeit zurückfallen. Bleibt zu hoffen, dass nach einem Rauswurf, mehreren Austritten und schlechten Meinungsumfragen zumindest das einen Anlass zum Überdenken innerparteiliche Strukturen liefert.