Auf dem Schulhof von Babel
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Barbara Braun24 Schüler unterschiedlichster Herkunft verfolgen ein gemeinsames Ziel: in einer Klasse des Collège de la Grange aux Belles in Paris lernen sie Französisch. Die Filmemacherin Julie Bertuccelli hat sie ein Jahr lang begleitet. Das Ergebnis ist ein wunderschöner Film über Toleranz und Gemeinschaft mit dem TitelLa Cour de Babe.
In der Oberschule La-Grange-aux-Belles im 10. Arrondissement in Paris gibt es eine Klasse, die nicht ist, wie die anderen. Man nennt sie die "Gastklasse". Die 24 Schüler unterschiedlichster Herkunft sind nach Frankreich gekommen, um die Sprache zu lernen. Die Filmemacherin Julie Pertuccelli hat diese Klasse ein Jahr lang begleitet. Aus 100 Stunden Material ist der wunderbare Dokumentarfilm La Cour de Babel (Der Schulhof von Babel, Anm. der Red.) entstanden.
Integration durch Sprache
Die Schüler kommen aus Venezuela, Libyen, Weißrussland und Ghana. Sie suchen politisches Asyl, sind zu einem nahen Verwandten gezogen, oder sind Kinder von Diplomaten. Jeder hat eine andere Geschichte, aber alle haben das gleiche Ziel: die Sprache des Landes lernen, um sich im Gastland Frankreich zu integrieren. Mit der Hilfe ihrer Lehrerin Brigitte Cervoni, lernen sie gemeinsam, teilen ihr "Anderssein" und die Fragen, die ihnen durch den Kopf gehen. "Ist Gott weiß?", "Warum gibt es so viele Sprachen?" oder "Warum gibt es Religionen?"
Als jedes Kind einen Gegenstand mitbringen soll, an dem es sehr hängt, lösen die Bibel und der Koran Religionsdebatten aus. "Wenn ihr Moslems seid und eine Bibel angreift, wird euch das nicht die Hände verbrennen", sagt ein Schüler und fährt dann fort: "Weil wir die anderen Religionen nicht verstehen, sind so viele Länder untereinander zerstritten." Erzählen, seine Meinung sagen, Vorurteile über den Haufen werfen - in dieser Klasse ist Vielfalt ein Lernmotor.
La Cour de Babel - Filmvorschau
Eineinhalb Stunden Schule
Die Idee entstand bei einem Treffen zwischen Julie Bertuccelli und Brigitte Cervoni bei einem Schulfilmfestival. Die Filmemacherin war Jurymitglied und bekam Lust, mit den Schülern mehr Zeit zu verbringen, sie in ihrem Alltag zu begleiten, "sie lernen und sich entwickeln sehen". Und so hat sie ein ganzes Jahr lang zwei bis drei Tage pro Woche den Schulalltag gefilmt. "Manchmal wartete ich darauf, dass sie mich anriefen", scherzt die Regisseurin. Sie hat sich dafür entschieden, die Kinder nur in der Schule zu filmen. Es gibt keine Szenen mit anderen Mitschülern oder mit der Familie zu Hause. "Es ist wichtig, eine gewisse Intimität zu wahren", sagt sie. Man hat sehr schnell das Gefühl, dass sich die Schüler in ihrer Klasse, wie zu Hause fühlen. Sie sagen sogar, dass sie sich an die Kamera gewöhnt hätten. Maryam, eine Schülerin aus Libyen, sagt dass sie bei der Filmvorführung herzlich gelacht hat. "Wir haben viel über uns selbst gelacht, und wir haben gemerkt, dass wir große Fortschritte gemacht haben."
hoffnung und viele emotionen
Der Film ist deshalb so aussagekräftig, weil es gelungen ist, den Alltag dieser Schüler, die sich in Frankreich integrieren wollen, auf einfache Art, ohne Inszenierung oder Kunstgriffe zu zeigen. Natürlich denkt man an die politische Tragweite des Films. Es ist nicht zu übersehen, dass er wie Balsam auf der Seele ist, und das in einer Zeit, wo viele Politiker - und nicht nur aus dem rechtsextremen Lager - mit dem Finger auf Immigration zeigen.
Am Ende des Films bleiben vor allem die Großaufnahmen der Schülergesichter im Gedächtnis. Manchmal lachen sie, manchmal weinen sie. Die Hoffnung strahlt aus ihren Augen. "Ich möchte eine freie Frau werden", sagt Rama, die aus dem Senegal kommt. Sie will Ärztin werden. Youssef kommt aus Marokko und möchte Architekt werden. Er wirkt zielstrebig. Und als Brigitte Cervoni ihn fragt, ob er Angst hätte, die "Gastklasse" zu verlassen, antwortet er sofort mit "nein!" Aber wie alle anderen Schüler weint auch er heiße Tränen, als zu Schulschluss das letzte Mal die Glocke am "Schulhof von Babel" läutet, an die sie sich so gewöhnt hatten. Die überwiegende Mehrheit von ihnen wechselt nun in den ganz normalen Schulunterricht, obwohl so mancher zu Beginn nicht einmal "Bonjour" sagen konnte. Sie nennen es den "gewöhnlichen" Unterricht. Aber alle diese Kinder haben etwas Außergewöhnliches an sich.
IM KINO : La Cour de Babel
Translated from La Cour de Babel : un beau message de tolérance