Auch Elfen haben Rechte!
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Wer kämpft eigentlich für die Rechte von Elfen und anderen Fabelwesen? Die Elfen-Lobby natürlich. Was wie ein weiteres Hirngespinst der "Big Bang Theory" klingt, ist in Wahrheit eine eingeschworene Gemeinschaft in Island, die nur die Spitze eines großen Eisbergs an Aberglaube, ernst genommener Phanatsie und diverser Beschwörungsformeln darstellt.
Huldufólk - Islands "verborgene" Mitbürger
Würde es ein Ranking über die gefährlichsten Gegner von Großbauprojekten geben, dann würden mit großer Wahrscheinlichkeit die Randgruppen der Tierwelt ganz oben stehen. Da rangieren dann weit vorn obskure Fledermausarten und Amphibien, welche vor einem Bauprojekt nicht mal den örtlichen Tierschutzverein sonderlich interessiert haben dürften. Wobei wir uns auf dem Kontinent schon längst an solche Diskussionen gewöhnt haben, könnte man sich bei der Schlagzeile: "Straßenbauprojekt in Island zum Schutz von "verborgenen" Elfen unterbrochen" ernsthaft fragen, ob sich die Journalistin des Independent da nicht ein Scherz erlaubt hat. Aber nein, Island wird vom Huldufólk bewohnt, was so viel bedeutet wie "verborgene Menschen". Immerhin glaubt nach einigen Umfragen noch knapp die Hälfte der Isländer an deren wundersame Existenz. Somit zählt diese"Lobby" circa 150.000 Mitglieder und eben deshalb musste 2013 auch die neue Straßenverbindung von der Hauptstadt Reykjavik zur Halbinsel Álftanes unterbrochen werden. Die Elfenaktivisten forderten, dass man den ortsansässigen Elfen Zeit zum Umzug geben müsste.
Hier muss jedoch einmal gesagt werden, dass die unwirkliche Atmosphäre der Insel mit all ihren emporsteigenden Geysiren, ihren samtig-weißen Wasserfällen und der glutroten Lava, die sich durchs saftige Gras bricht, schon die alten Wikingern in ihren Bann gezogen hatte. Die Nordmänner waren lange Winter in ihren Heimatländern Skandinaviens gewöhnt und dort vertrieb man sich die dunklen Monate gern mit dem kunstvollen Erzählen von Geschichten, die aus einer reichen Sagenwelt schöpfen konnten. Diese Erzählungen, in denen es von Trollen, Zwergen und Elfen nur so wimmelte, standen letztlich den Mythen von Römern und Griechen in nichts nach. Und auch nach der Christianisierung Nordeuropas überdauerten sie die Zeit. Das Huldufólk schien sogar so wichtig, dass es in christliche Erzählungen mit eingebunden wurde, sodass die Kirche nie gegen die unsichtbaren Wesen vorgegangen ist (dennoch wissen die Isländer, dass das "verborgene" Volk Kirchen und Kapellen lieber meidet).
Heute sehen die Isländer immer noch in skurrilen Felsformationen Riesen, in Hügelketten Elfenhäuser und die ganze Insel ist für sie eine Parallelwelt zwischen der Welt der Menschen und der mystischen Welt des Huldufólks. Diese Wesen leben völlig friedlich neben den Menschen her, können aber äußerst ungehalten werden, falls mal wieder ein Bauprojekt das "versteckte" Eigentum des Huldufólks bedroht. Bauarbeiter erzählen dann von defekten Maschinen und rätselhaften Krankheitsfällen in der Belegschaft. Was also tut ein Isländer? Er ruft die Elfenvermittler.
Der Kopf dieser "Diplomaten" ist seit Jahrzehnten Erla Stefánsdóttir, die in der deutschen Presse auch gern als "Elfenbeauftragte" bezeichnet wird. Sie verhandelt mit ortsansässigen Elfen und überzeugt sie vom Umzug, dessen Kosten natürlich die Bauherren tragen. So säumen zahlreiche Straßen und Vorgärten künstliche Hügel und grobe Steinkonstruktionen. In diese "Neubauten" ziehen dann die Fabelwesen ein, der Bagger gräbt wieder und der Fahrer ist seinen Reizhusten los. So einfach kann es gehen.
Wer glaubt, dass Frau Stefánsdóttirs Arbeit diese mythische Absurdität abschließt, der sollte sich die Homepage der "Elfschool" in Reykjavik einmal genauer ansehen. Neben Kursen in Elfkommunikation und damit verbundenen Zertifikaten, kann man sich auch in verschiedenste "Präzedenzfälle" einlesen, die von der "Elfschool" stolz präsentiert werden.
Verborgene Völker, der Trend geht weiter...
Auch auf den dänischen Färöern kennt man das Huldufólk als friedfertige Mitbewohner. Auch das Mutterland hat sein eigenes "verborgenes" Volk, das von König "Ellestingeren" regiert wird. Auf Bornholm haben sich die Sagen um den exzentrischen König, dessen dreibeiniges Pferd und sein unterirdisches Völkchen lange bewahrt. So war es eine abergläubische Tradition, die letzte Hafergarbe einer Ernte wieder auf das Feld zurück zu legen. Somit wollte man das Pferd von Ellestingeren füttern und den König für die nächste Ernte gnädig stimmen. Heutzutage pflegt man aber lieber einen etwas alltagstauglicheren Aberglauben in Dänemark. So spielt man sehr gern mit der Zahlenkombination 7-9-13 (Syv-ni-tretten) als Beschwörungsformel, die alles Unheil abwenden soll. Praktisch sagt man also nach einem Wunsch einfach "syv-ni-tretten" und dann scheint morgen garantiert die Sonne oder man hat bis zum Jahresende den Mann fürs Leben gefunden, was auch immer es ist, "syv-ni-tretten" hilft immer, also in der Theorie. Berühmtestes Beispiel für diese Manie war der 7. September 2013, an dem ein wahrer Hochzeitsboom im Lande ausgebrochen war.
Die Frage nach dem Wahrheitsgehalt stellt sich erst gar nicht (das bringt Unglück), aber fragt man, warum es nun ausgerechnet 7-9-13 sein muss, dann scheiden sich die Geister. Sieben ist weithin als Glückszahl bekannt und die 13 ist die Unglückzahl in Person. Bei der Neun rätselt man seit Christian Andersens Zeiten, ob es nun für drei mal drei Stoßgebete steht oder noch eine andere Bedeutung hat. Fakt ist, die Wirkung der Formel ist unbestritten und unerschöpflich, syv-ni-tretten...
Aberglaube? Na gehen wir mal auf Nummer sicher...
Da steht es, Schloss Egeskov. Stolz und mächtig erhebt sich das Renaissanceschloss aus dem weitgezogenen Wassergraben. Man nähert sich über eine langen Eichenallee dem Anwesen, dass bis heute im Besitz des dänischen Geschlechts Ahlfeld-Laurvig-Bille ist. Dieses Schloss zieht jährlich tausende Touristen an und doch kann es jederzeit verschwinden. Wandelt man durch das Schloss, so wandelt man durch die Epochen, die das kleine Königreich durchlebt hat. Am Ende kommt man auf einem verwinkelten Dachboden heraus, der eigentlich nichts besonderes zu sein scheint, doch dann bleibt man erstarrt stehen. Da liegt etwas. Da liegt jemand. Durch ein Dachfenster fällt Licht auf eine verzweigte Balkenkonstruktion.
Und in deren Mitte liegt jemand. Auf einem uralten Kissen erkennt man einen kleinen Holzmann. Arme und Beine hat die Zeit sich genommen, ebenso seine Nase. Es ist seltsam aber von dieser Figur geht eine so eigene Aura aus, dass man respektvoll Abstand hält.
Wenn man das Glück hat und Graf Michael im Schloss trifft, erzählt er sicher gern die Geschichte des "træmanden". Keiner weiß, woher er kommt oder wer ihn auf Kissen und Balken gelegt hat. Ein Gerücht hat sich jedoch erhalten: Wenn man ihn von seinem Sonnenplatz (...auf dem Foto ziemlich düster) entfernt, dann versinkt Egeskov am nächsten Weihnachtsabend. Auch Aberglaube? Für die Vorfahren des Grafen jedenfalls genug, um niemals die Feiertage auf dem Schloss zu verbringen. Heutzutage steigt Gräfin Caroline in der Heiligen Nacht die hunderten Stufen auf den Dachtboden, um dem kleinen Wächter ein Schale Reisbrei zu bringen. Am nächsten Morgen ist diese natürlich leer...
Eins ist klar: der Norden hat sich einen recht eigenen, aber sympatischen Aberglauben bewahrt. Es gibt unzählige Geschichten und Gebräuche aus dieser Region, die den Umpfang dieses Artikels hier sicher sprengen würden. Dem"træmanden" jedenfalls, nähere ich mich immer wieder mit Ehrfurcht. Und wer weiß, vielleicht nimmt mir ja auch das Huldufólk meine Worte übel. Hoffentlich nicht, syv-ni-tretten...