ASYL AKTE: ZWISCHEN RECHT UND REALITÄT
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Menschliche Solidarität oder Belastung für den Staat? Haben wir die notwendige Einrichtungen, um mehrere Flüchtlinge anzunehmen oder ist das Asylsystem schon genug missgebraucht? Ein Bericht über rechtliche und wirtschaftliche Herausforderung des Asylwesens und ein Brainstorming über unsere persönliche Rolle dabei.
Mehr als ein Jahr ist es her, dass Cafébabel über die Flüchtlingsproteste in der Votivkirche berichtete. In der Zwischenzeit ist das Flüchtlingsthema in Europa heiß diskutiert worden - nicht zuletzt weil Europa Zeuge der Ereignisse vor Lampedusa wurde - einer „Schande ohne Folgen“, wie manchen Medien in Österreich schrieben - , weil einige Akteure vom Votivprotest als „Menschenschlepper“ acht Monate in Haft saßen und die Zahl der syrischen Flüchtlinge, die Österreich aufgenommen hat, noch immer viel kleiner ist als angekündigt.
„Europa - wir schmücken uns mit Wörtern wie Menschenrechte, verhalten uns wie die Kings in dem Bereich. Aber dann machen wir doch solche Sachen“, sagt Julia Kienast zu Lampedusa.
Kienast, Jus-Studentin und ELSA (European Law Students Association)-Mitglied, hat vor kurzem ein Podiumsdiskussion mit dem Titel Asylsuchende in Österreich - Zwischen Recht und Realität an der Witschaftsuniversität Wien organisiert. „Ich habe eigentlich Jus studiert, weil ich etwas im Bereich Menschenrechte machen wollte. Ich hatte die Vorstellung, Menschen zu helfen, die weit weg in armen Länder leben. Bei einer ACUNS (Academic Council of United Nations)-Veranstaltung habe ich zum ersten Mal wirklich realisiert, dass es ganz viele Menschen hier in Österreich gibt, die ebenfalls Hilfe brauchen.“
„Hölle mit Gesetzen“
Die Diskussion sollte die Divergenzen zwischen der alltäglichen Realität der Asylsuchenden und der politisch bedingten Rechtslage aufzeigen, sowie die Aufmerksamkeit für dieses Thema bei Studierenden erwecken. „Am ganzen Juridicum gibt es genau eine eineinhalb-stündige Vorlesung zum Thema Asylrecht, obwohl es ein wahnsinnig komplexes Thema ist. Ich habe bei kaum einer anderen Vorlesung so oft gehört, dass die Rechtslage unklar ist und dass es verfassungsrechtliche Probleme gibt. Da wäre wirklich Potential vorhanden, mehr an der Uni dazu zu machen, aber ich glaube, die Ressourcen sind einfach nicht da.“
Die Richterin des Bundesverwaltungsgerichts, Rita-Maria Kirschbaum, als Gast bei der Diskussion dabei, beschrieb ihre Arbeit als eine „Hölle mit Gesetzen“. Die komplexe Rechtslage und Personalmangel seien die Hauptgründe für die manchmal erstaunlich lange Verfahrensdauer.
Aus der Sicht der Rechtsanwältin Julia Ecker sind es vor allem zwei Faktoren, die zur Ungerechtfertigkeit und willkürlichen Entscheidungen führen. Einerseits ist es die Rechtslage selbst: häufige Änderungen, unklare Zuständigkeiten und ein großer Handlungsspielraum. Anderseits auch die Qualität der Rechtsberatung in Asylsachen. Eine verpflichtende Rechtsvertretung gibt es derzeit im erstinstanzlichen Verfahren nicht und es sei auch nicht selten, dass die behördliche Beratung mehr in die Richtung von Rückkehrmaßnahmen als Verbliebsmöglichkeiten tendiere. All in all, ein Labyrinth der Behörden.
Paradies Europa
„Findest du, dass das Asylsystem tatsächlich augenützt und missbraucht wird?“, fragte ich Julia bei einer Tasse Kaffee. Sie schüttelte energisch mit dem Kopf. „Ich glaube wirklich nicht. Natürlich gibt es Leute die hier herkommen aus wirtschaftlichen Gründen, aber ich glaube, der groß Teil kommt wirklich, weil es ihnen zu Hause so schlecht geht, dass sie alles im Kauf nehmen würden. Außerhalb von Europa besteht schon dieses Bild, dass hier das Paradies herrscht. Die Leute wissen einfach nicht, wie die Realität aussieht.“
„Und was ist die Realität?“
„De facto ist es so, dass manche ewig auf ihre Entscheidung warten. Das ist glaube ich das Schlimmste. Sie haben nie Gewissheit über ihre Situation. In den Flüchtlingsheimen sitzen die Menschen den ganzen Tag lang herum und haben keine Beschäftigung, außer über ihren Problemen nachzudenken. Dadurch gehen viele Fähigkeiten, die sie gelernt haben verloren... Anderseits fangen viele auch an, Blödsinn zu machen: trinken, kiffen, sie begehen Straftaten…weil sie einfach nichts zu tun haben. Es gibt auch viele, die einen Job finden würden, ihn aber nicht annehmen dürfen.“
Peter Huber, vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung, schilderte die ökonomischen Schwierigkeiten, die durch Verweigerung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für Asylwerber enstehen. Es komme mehrfach zu einer Dequalifikation und Vernichtung der Ausbildung, ohne dass den Menschen Möglichkeit gegeben werde, ihr eigenes Geld zu verdienen.
„Eine Geschichte ist schlimmer als die andere“
Einen bunten Einblick gab ein Migrant bei der Diskussion - bis vor kurzem selbst ein Asylsuchender. Mit sechs Jahren ist er vor einem Sklaven-Leben aus Mauretanien weggelaufen. Nun hat er, nach einem 12-jährigen Verfahren, schlussendlich die Zusage bekommen, dass er bleiben darf. Mittlerweile studiert er an der Technischen Universität und ist sehr dankbar, dass er nun seine Ausbildung fortsetzen kann.
Als ich Julia fragte, warum sie sich für das Thema Asyl interessiert, antwortete sie, dass genau solche Einzelschicksale sie motivieren, im menschenrechtlichen Bereich zu arbeiten. „Eine Geschichte ist schlimmer als die andere und ich finde, viele zeigen einfach eine unglaubliche menschliche Stärke. Ich hatte früher wenig Kontakt mit Asylwerber und ich bin wirklich froh, dass ich mittlerweile die Möglichkeit hatte, welche auf einer menschlichen Ebene kennen zu lernen. Sie sind genau so Menschen wie du und ich. Die meisten wollen unsere Mitleid überhaupt nicht, sie wollen als Menschen respektiert werden.“
Neben verwirrenden, bürokratischen Korridoren erwartet die Asylwerber auch die Herausforderung der Integration. Es lässt sich nicht leugnen, dass es an Kontakt zwischen Österreichern und Asylwerbern fehlt. „Kulturelle Unterschiede lösen sich am Besten durch Dialog und gemeinsame Erfahrung. Wenn kein Kontakt da ist, wie soll Integration funktionieren?“, meint Julia. „Sehr wichtig sind die Deutschkurse, die Asylwerber wirklich ernst nehmen müssen. Es müssen sich beide Seite bemühen.“
Menschenrechte – Nein, danke!
„Wir haben auch Fundraising probiert bei den größeren Unternehmen. Aber sobald sie Menschenrechte hören, ist die Antwort „Nein, danke“. Allerdings, habe ich die Hoffunung, dass sich da die Einstellung gerade verändert. Es ist immer mehr die Rede von Social Corporate Responsibility. In Amerika ist es vereinzelt schon angekommen, bei uns mahlen die Mühlen ein bisschen langsamer.“ Sie hoffe, dass es bald ein Umdenken in dem Bereich gibt.
Und da die Podiumsdiskussion eine Art Brainstorming-Session war, versuchten wir einen Schluss aus dem Gehörten zu ziehen. „Wenn sich die Einstellung von Bevölkerung ändert, dann ändert sich auch die Politik. NGOs und Medien müssen auf diesem Gebiet zusammenarbeiten. Wenn immer wieder Veranstaltungen wie diese Diskussion stattfinden und man sieht, dass die Zivilbevölkerung Asylwerber unterstützt, regt das Veränderung an,“ sagt Organisatorin Kienast.