Ante Gotovina: Heldendämmerung
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Am Donnerstag wurde der kroatische General Ante Gotovina auf Teneriffa gefasst. Ihm werden schwere Kriegsverbrechen zur Last gelegt. Der EU-Beitritt Kroatiens könnte sich dadurch beschleunigen.
Carla del Ponte, Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien, verkündete am gestrigen Donnerstag die Nachricht von der Verhaftung Ante Gotovinas. Für del Ponte ist dies ein großer Erfolg. Doch auch die kroatische Regierung dürfte erleichert sein. Wie viele andere Staaten des ehemaligen Jugoslawien musste Kroatien in den 1990er Jahren ein doppeltes Problem lösen. Zum einen mussten sich diese Staaten um die Repräsentanten der untergegangenen kommunistischen Regime kümmern, zum anderen hatten sie sich mit den Vertretern des nationalistischen Miliärs auseinandersetzen, von denen nicht wenige vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gesucht werden. Letzteres bereitete der kroatischen Führung in den letzten Jahren Kopfzerbrechen, denn sie wusste nur zu gut, dass für den Beitritt zur EU die Zusammenarbeit mit Den Haag zentral ist. Deshalb wurden 625 von 626 kroatischen Verdächtigen dorthin übergeben. Aber einer fehlte noch: Ante Gotovina.
150 ermordete Serben
Ante Gotovina wurde 1956 auf der Insel Pasman in Nähe von Sibenik an der Adriaküste geboren. Mit 16 lief er von zu Hause davon und arbeitete als Schiffsjunge. Er trat in die französische Fremdenlegion ein, arbeitete für private Sicherheitsdienste und trainierte paramilitärische Einheiten in Argentinien und Guatemala. 1991 kehrte er nach Kroatien zurück, um in der Armee Karriere zu machen. Innerhalb eines Jahres wurde er Brigadegeneral. Sein größter "Erfolg" war die Operation "Oluja", "Der Sturm" 1995. Diese Offensive bedeutete das Ende für den separatistischen Staat "Republik Serbische Krajina", Kroatien konnte das seit 1992 von Serben besetzte Drittel Kroatien zurückerobern. Laut dem UN-Kriegsverbrechertribunal kamen dabei 150 Serben ums Leben, 200 000 weitere Serben flohen bereits vor dem Eintreffen der kroatischen Armee. General Ante Gotovina wurde in Kroatien zum Nationalhelden.
Im Jahr 2000 wurde General Gotovina vom frisch gewählten kroatischen Präsidenten Mesic pensioniert. Bereits ein Jahr später, 2001, wurde er vom Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien wegen der Kriegsverbrechen angeklagt, die während dem "Sturm" von 1995 begangen wurden. Seitdem ist er auf der Flucht und keiner weiß, wo er sich versteckt hält. Nicht nur Den Haag interessiert sich für Gotovina: Ein fränzösisches Gericht hat ihn bereits zu fünf Jahren Haft wegen Raubes verurteilt. Immer wieder versprachen führende kroatische Politiker, bei der Suche nach Gotovina behilflich zu sein. Ohne Ergebnis.
10 Jahre "Operation Sturm"
Dann kam es am 15. März 2005 zum Eklat, als die EU verkündete, den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien zu verschieben. Wenige Tage zuvor hatte Chefanklägerin Carla del Ponte betont, dass Kroatien bei der Suche nach Ante Gotovina nicht voll mit dem Kriegsverbrechertribunal zusammenarbeite. Am 20. September beschuldigte del Ponte in einem Interview mit der englischen Zeitung "Daily Telegraph" sogar die Römische Katholische Kirche, Gotovina in einem der Franziskanerklöster in Kroatien zu verstecken. Auch arbeite der Vatikan nicht ausreichend mit dem Gericht zusammen. Der Vatikan wies die Anschuldigungen zurück, genauso wie der Vorsitzende der kroatischen Bischofskonferenz Anton Suljic.
Anfang Oktober änderte dann Carla del Ponte plötzlich ihre Meinung. Obwohl sie noch am 1. Oktober ihre Anschuldigungen an die kroatische Regierung wiederholt hatte, verkündete sie am 3. Oktober plötzlich, dass Kroatien voll mit dem Internationalen Gerichtshof zusammenarbeite. Der Weg für Beitrittsverhandlungen der EU mit Kroatien war frei. Wahrscheinlich hätte Österreich die Beitrittverhandlungen mit der Türkei, die zum selben Zeitpunkt beschlossen wurden, verhindert, wären nicht auch Verhandlungen mit Kroatien eröffnet worden. Nun wird auch spekuliert, dass del Ponte bereits Anfang Oktober davon unterrichtet war, dass Gotovina in Spanien geortet wurde.
Der EU-Beitritt Kroatiens wird sich nun wahrscheinlich beschleunigen. Auch wächst der Druck auf Serbien, bei der Suche nach den Kriegsverbrechern Ratko Mladi und Radovan Karadži enger mit Den Haag zusammenarbeiten. Es kann aber auch sein, dass die kroatische Regierung im eigenen Land unter Druck gerät. Denn Ante Gotovina wird nicht nur in der Krajina immer noch als Nationalheld verehrt. Das bewiesen die Feierlichkeiten zum 10. Jahrestag der "Operation Sturm", die am 4. und 5. August diesen Jahres in Kroatien abgehalten wurden. Was, wenn durch den Prozess gegen Gotovina die Einsicht wächst, dass es sich bei der heldenhaftn Rückeroberung der Krajina um ein völkerrechtswidriges Kriegsverbrechen handelt?