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Anschläge in Brüssel: Pis, Love und Weicheier

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Gesellschaft

In Brüssel sind bei der Anschlagsserie am Dienstag mindestens 32 Menschen getötet und 270 verletzt worden. Zu den Attentaten im Flughafen und in einer Metrostation bekannte sich die IS-Terrormiliz. Kommentatoren kritisieren das Versagen von Belgiens Polizei und Geheimdiensten und rufen mehrheitlich dazu auf, besonnen auf die erneuten Anschläge zu reagieren.

The Independent: Quittung für Scheitern des belgischen Staats, Großbritannien

Die jahrelangen Spannungen zwischen den unterschiedlichen Regionen Belgiens haben das Land entscheidend geschwächt, analysiert die linksliberale Tageszeitung The Independent: „In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind Teile des belgischen Bundesstaats ins Chaos abgeglitten und verfallen, weil die wahre politische Macht und Schirmherrschaft auf die auf Sprache basierenden Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel übergegangen sind. Die Zusammenarbeit zwischen den Polizeikräften einerseits sowie zwischen der Polizei und den Sicherheits- und Geheimdiensten andererseits ist mittlerweile ein Witz. Der schwelenden Radikalisierung in muslimisch dominierten Bezirken Brüssels wie Molenbeek wurde nichts entgegensetzt. [...] Ultranationalisten in Frankreich und EU-Gegner in Großbritannien können auf Belgien als Beispiel dafür zeigen, was passiert, wenn ein starkes Nationalbewusstsein stirbt und starke staatliche Institutionen versagen.“ (Artikel vom 23. März 2016)

Die Presse: Geschwächte IS-Miliz wird gefährlicher; Österreich

Die Anschläge von Brüssel sind das Ergebnis militärischer Erfolge gegen die Terrororganisation Islamischer Staat, glaubt die konservative Tageszeitung Die Presse: „In Syrien und im Irak hat er [der IS] weite Gebiete verloren. Er bunkert sich in seinen Hochburgen Raqqa und Mossul ein, wartet auf die Gegenoffensiven kurdischer Einheiten und der irakischen Armee. Je mehr der IS jedoch auf den Schlachtfeldern ins Hintertreffen gerät, desto stärker wird er versuchen, 'weiche Ziele' anzugreifen - also Attentate in Europa durchzuführen. Das soll von seinen Niederlagen ablenken, ihn weiterhin für ausländische Kämpfer attraktiv halten. [...] In Europa müssen zugleich größere Anstrengungen unternommen werden, um junge Männer und auch Frauen davon abzuhalten, sich extremistischen Gruppen anzuschließen. Und die Behörden müssen für weitere Attentate gewappnet sein: Denn der IS kämpft in Syrien und im Irak ums Überleben. Und das könnte ihn in Europa noch gefährlicher werden lassen als bisher.“ (Artikel vom 23. März 2016)

News.bg: Liberale Weicheier gefährden Sicherheit der EU; Bulgarien 

Nach den Attentaten in Brüssel fragt das Nachrichtenportal News.bg wütend: „Madrid, London, Paris, Brüssel: Was muss noch alles geschehen, damit die politische Elite Europas endlich die Sicherheit ihrer Bürger zu ihrem Anliegen macht, anstatt nur von der Erhaltung von Werten zu sprechen? Die Werte, Prinzipien und demokratischen Grundlagen unserer Gesellschaften sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind, wenn wir nicht bereit sind, sie zu verteidigen. Europa, das der Welt die moderne Zivilisation geschenkt hat, die Menschenrechte, den Respekt vor der Freiheit, ist zum Gespött geworden für arrogante Diktatoren, mit denen Merkel und Co. glauben, Abkommen schließen zu können. Die Rettung liegt nicht in der Wiedererrichtung nationaler Grenzen. Die Rettung liegt darin, dass wir an die Spitze Europas wieder Menschen wählen, die die Kraft und den Willen haben, Europa zum Sieg zu führen gegen die dritte satanische Anti-Utopie, der es in den vergangenen 100 Jahren anheimfällt.“ (Artikel vom 22. März 2016)

L'Obs: Europäische Reaktion auf Anschläge nötig; Frankreich

Die Anschlagsserie in Brüssel gilt ganz Europa, ist das linksliberale Wochenmagazins L'Obs überzeugt und fordert die europäischen Staaten daher zu einem kraftvolleren gemeinsamen Handeln auf: „Kein Land hat ausreichend finanzielle oder militärische Mittel, um allein handeln zu können. […] Einer gemeinsamen Bedrohung kann man nur gemeinsam begegnen. Europa muss schneller auf eine bessere und weitreichendere Integration zusteuern: Es muss seine Außengrenzen besser schützen, die innereuropäische Zusammenarbeit von Polizei, Justiz und Überwachungsdiensten verstärken, einen gemeinsamen Plan für die Kontrolle des illegalen Waffenhandels verabschieden, international mit einer Stimme sprechen und unser Sozialmodell stärken. Europa darf nicht hinnehmen, dass ganze Viertel vernachlässigt werden. […] Dieser Weg ist komplexer und härter als der, den die nationalistischen und autoritären Vorschläge vorgeben. Doch wenn das Ziel darin besteht, unser Leben und unsere Werte zu schützen, ist das der beste Weg.“ (Artikel vom 22. März 2016)

De Standaard: Nicht in Wut erstarren; Belgien

Angst und Wut dürfen nach den Anschlägen nicht siegen, mahnt die liberale Tageszeitung De Standaard: „Die Wut ist gerechtfertigt. Aber sie muss Anlass für ein konstruktives Projekt sein. [...] Wir werden von denen angegriffen, die sich dafür entschieden haben, unsere Feinde zu sein, sagte Premier Charles Michel gestern. Diese Beschreibung ist klug und richtig. Sie geht von einem Selbstbewusstsein aus und das 'Wir' lässt jeden zu, der zu unserer Demokratie gehören will. Aber das nimmt die Spannungen nicht. [...] Den Terror kann man nicht abwehren, ohne die Radikalisierung und ihren Nährboden in den muslimischen Gemeinschaften anzugehen. Gerade nach solchen Anschlägen fordert unsere Demokratie Respekt für Normen und Freiheiten. Dieser Forderung müssen wir nun mit einer breiten sozialen Wende Nachdruck verleihen. [...] Die muslimischen Gemeinschaften müssen dabei eine Hauptrolle spielen - nicht weil sie verdächtig sind, sondern weil wir gemeinsam eine Gesellschaft bilden wollen.“ (Artikel vom 23. März 2016)

Tagesschau.de: Hetze gegen Islam ist Nährboden für Terror; Deutschland

Unmittelbar nach den Anschlägen von Brüssel haben zahlreiche Menschen im Netz Stimmung gegen Flüchtlinge und den Islam gemacht. Das ist kontraproduktiv, warnt das öffentlich-rechtliche Portal tagesschau.de: „Was diese [Kommentatoren] nicht begreifen, ist, dass sie damit das Geschäft der Attentäter betreiben. Das Ziel des selbst ernannten 'Islamischen Staates' ist es schon lange, dass Moslems in den westlichen Gesellschaften möglichst stark an den Rand gedrängt werden. Wer hier keine Chance hat, so das Kalkül, ist leichte Beute für die Terroristen. Abgehängte Viertel wie Molenbeek oder die Pariser Banlieues sind nicht umsonst ideale Brutstätten, um Nachwuchs für den Terror zu rekrutieren. Dass der sogenannte 'Islamische Staat' mit dem Islam von Millionen Moslems wenig zu tun hat, verwischen die Fanatiker bewusst. Wer das Geschäft dieser Terroristen nicht unterstützen will, sucht jetzt erst recht den Schulterschluss mit allen friedliebenden Menschen - egal welcher Religion.“ (Artikel vom 22. März 2016)

Novi List: Angriff auf die tolerante Gesellschaft; Kroatien

Hetze gegen Muslime infolge der Brüsseler Anschläge könnte einen Keil zwischen Christen und Muslime treiben, fürchtet die linksliberale Tageszeitung Novi list: „Jetzt wird wieder die anti-muslimische Hysterie Aufwind bekommen, dabei ist es doch gerade eines der Hauptziele der Terroristen, Spannungen zwischen Christen und Muslimen zu schaffen. Das Ziel der Bombenleger von Brüssel waren nicht die Christen und ihr Gott, sondern die Idee, dass Christen, Muslime und Anhänger anderer Glaubensrichtungen in Europa zusammenleben können. Miteinander oder Nebeneinander, aber in jedem Fall ohne sich gegenseitig abzuschlachten. Die Idee von Toleranz und Zusammenleben ungeachtet der religiösen und nationalen Zugehörigkeit - ist das nicht der eigentliche Kern des vereinten Europas? Eine Idee, die angesichts einer Ideologie der Intoleranz, der Ausschließlichkeit und der Panik zu scheitern droht.“  (Artikel vom 23. März 2016)

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