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Ángel Parra: 'Meine Arbeit ist mit der eines Briefträgers vergleichbar'

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Alexa Schober

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Der Sohn der legendären Violeta Parra, der sich vor 35 Jahren in Paris niedergelassen hatte, gab zum Auftakt seiner Chile-Tournee ein Konzert in Brüssel.

Schauplatz: Theater Lumen in Brüssel. Das Publikum verabschiedet sich von Ángel Parra, dem Sohn der chilenischen Folklore-Begründerin Violeta Parra. In den zwei vorangegangenen Stunden hatte Parra es wieder einmal geschafft, seine Zuhörer allein mit Stimme und Gitarre in seinen Bann zu ziehen. Es ist September. "Ein bedeutsamer Monat für die Chilenen", betont Parra. Im September 1810 erlangten sie die Unabhängigkeit von Spanien, im September 1970 kam Salvador Allende an die Macht und wurde im selbigen Monat des Jahres 1973 wieder gestürzt.

Ein Exil, das sich lohnte

In seinem Roman Manos En La Nuca (Die Hände im Nacken) berichtet Parra humorvoll über die Eindrücke während der ersten Tage nach Pinochets Staatsstreich im Jahr 1973. Sein vierter Roman soll im November erscheinen. "Welche Geschichte sollte ich erzählen, wenn nicht die Geschichte meines Volkes?"

Parras politische Bindung zur linksgerichteten Unidad Popular von Salvador Allende war der Grund für seine Inhaftierung und Verschleppung in das Konzentrationslager Chacabuco im Jahr 1973, nach Pinochets Staatsstreich. 1974 floh er nach Mexiko und ließ sich 1976 endgültig in Paris nieder. "Um in der Gegenwart leben zu können, muss man wissen, wo seine Wurzeln liegen. Die Vergangenheit ist von großer Bedeutung für die Chilenen. Wenn man solche Erlebnisse überdauert hat, kann man sich als privilegiert betrachten und fühlt sich wie ein zweites Mal geboren", erklärt er in Bezug auf seine künstlerische Auseinandersezung mit der Vergangenheit.

Wie zahlreiche andere fand sich Ángel Parra im Exil wieder. "Es ist eine schmerzhafte Erfahrung, weil es einer Schuld gleicht und dich an den Rand drängt, ohne dass du weißt, was mit dir passieren wird. Du bewegst dich auf Neuland, nahe dem Abgrund, und musst dich an jeden Strohhalm klammern. Die Ankunft der Europäer, mit ihrer offenen Einstellung gegenüber der lateinamerikanischen Kultur, war für uns von großer Bedeutung. Dennoch stellt mein Fall eher die Ausnahme dar. Ich integriere mich sehr schnell, egal, wo ich mich gerade aufhalte. An dieser Stelle aber versuche ich nicht in meinem Namen, sondern im Namen von 1.200.000 Chilenen zu sprechen. Für all jene, die das Land verlassen mussten", untermauert Parra bezüglich der unzureichenden Integration der Chilenen im Ausland.

"Viele von ihnen gingen ins Exil im Glauben, schon bald wieder in ihr Land zurückkehren zu können. Und obwohl 35 Jahre vergangen sind, sind noch immer viele von ihnen nicht zurückgekehrt und werden es wahrscheinlich auch nie tun." Es war die Angst vor der Rückkehr, die den geflohenen Chilenen das Leben erschwerte: "Sie lernten die Sprache nicht, konnten sich nicht integrieren und arbeiteten nur um zu überleben."

Der Briefträger aus Chile

Ángel Parra plant seine Tournee durch Chile. "Mein Leben gleicht dem eines Gauklers, ich reise immer mit meinem Zelt am Rücken." Dieses Nomaden-Leben hat ihm den Beinamen "Ángel, der Bote" beschert. "Meine Arbeit ist mit der eines Briefträgers vergleichbar. Ich überbringe Nachrichten. Wenn ich nach Chile komme, treffe ich auf Menschen, die in Berlin, Brüssel oder Paris im Exil waren und von mir wissen wollen, wie es den Chilenen geht, die noch in Europa leben. Ebenso umgekehrt - wenn ich nach Europa komme, wollen sie wissen, wie es den Chilenen Zuhause ergeht. Ich mag meine Arbeit, sie ist voller zwischenmenschlicher Beziehungen.

Als ich Ángel zur aktuellen politischen Situation in Chile befrage, verweist er mit Nachdruck auf die komplexe Situation, in der sich sein Land befindet. "Obwohl wir seit 17 Jahren ein demokratisches Land sind, konzentriert sich der Reichtum auf ungefähr zehn Prozent der Landesbevölkerung: 2 Millionen Menschen leben in extremer Armut. In meiner Rolle als kommunistischer Aktivist tue ich was ich kann, indem ich den Mund aufmache. Denn sowohl die Sozialisten als auch die Demokraten haben sich bereits an ihre Macht gewöhnt - an ihre Limousinen, ihre Sekretärinnen, an das ganze Rundherum. Und genau dabei haben sie völlig vergessen, was ihr eigentlicher Auftrag war und wofür sie an der Macht gekommen sind." Allerdings beurteilt Parra den Umstand, dass eine Frau [Michelle Bachelet] das Land regiert, durchaus positiv.

Lateinamerikanische Erben

Gemeinsam mit seiner Schwester Isabel und der Violeta-Parra Stiftung möchte Ángel den 90. Geburtstag seiner Mutter zu einem Fest machen, das ein ganzes Jahr andauern soll. Vom 4. Oktober 2007 bis zum 4. Oktober 2008 soll weltweit gefeiert werden. Ich frage Parra, ob er sich selbst als den Erben des Werkes seiner Mutter betrachtet. "Nicht nur Chilenen, sondern auch Argentinier, Peruaner und Bolivianer sind ihre Erben." Angesichts des umfassenden Werkes seiner Mutter stellt sich Parra die Frage, ob es überhaupt noch notwendig sei, eigene Lieder zu komponieren. "Ihr Nachlass ist riesig - von bestechender Qualität. Wir sprechen an dieser Stelle von mehr als 300 Liedern und zahlreichen unveröffentlichten Werken."

Translated from Ángel Parra: “sólo puedo cantar la historia de mi pueblo”