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Alle Jahre wieder: Berlusconi will Monti nachfolgen

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Politik

Italiens Premier Mario Monti hat am Samstag seinen Rücktritt angekündigt, nachdem die Partei seines Amtsvorgängers Silvio Berlusconi der Regierung das Vertrauen entzogen hatte. Berlusconi erklärte, wieder als Spitzenkandidat in den Wahlkampf ziehen zu wollen. Einige Kommentatoren sind entsetzt und hoffen darauf, dass auch Monti kandidiert.

Andere glauben, dass eine Rückkehr Berlusconis dem politisch gelähmten Land gut tun könnte.

Handelsblatt: Rückkehr Berlusconis - der größte Unfall für das Land; Deutschland

Eine Rückkehr von Silvio Berlusconi wäre für Italiens schwächelnde Wirtschaft eine Katastrophe, schreibt das wirtschaftsliberale Handelsblatt entsetzt: "Erst Anfang dieser Woche war der Risikoaufschlag auf italienische Staatsanleihen zum ersten Mal seit dem Frühjahr wieder unter die 300-Punkte-Marke gefallen. Nicht nur der Staat, auch die Unternehmen atmeten vorsichtig wieder auf. Doch das Aufbäumen Berlusconis zerschlägt nicht nur diese Hoffnung. Mit der Regierungskrise in Italien muss auch die Euro-Zone wieder zittern. Es ist nachvollziehbar, warum Monti zurücktritt: weil er ansonsten zum Spielball von Berlusconis Politmanövern geworden wäre. Und durch seinen überraschend abrupten Abgang nimmt Monti Berlusconi die Gelegenheit, sich populistisch als Retter Italiens zu positionieren. [...] Eine Rückkehr Berlusconis [wäre] der größte anzunehmende Unfall für das Land. Denn der 76-Jährige macht keinen Hehl daraus, was er diesmal will: die Justiz bekämpfen, die ihm im Nacken sitzt. Das ist seine politische Priorität - auch wenn das Land ganz andere Sorgen plagen." (10.12.2012)

El Periódico de Catalunya: Berlusconi-Partei will Anti-EU-Kurs fahren; Spanien

Italienische Medien spekulieren, dass Monti selbst gegen Berlusconi in den Wahlkampf eintreten könnte. Die linksliberale Tageszeitung El Periódico de Catalunya hofft, dass dieses Gerücht sich bewahrheitet: "Auch wenn die Meinungsumfragen der gebeutelten Partei des Cavaliere keine großen Chancen einräumen, hat sich dieser dazu entschieden, die Regierung fallen zu lassen. Berlusconi hofft, von der Unzufriedenheit der Bürger mit den Kürzungen und Steuererhöhungen zu profitieren, die Monti in seinem Jahr an der Macht entschieden hat. [...] Brüssel warnt bereits, dass Italien die laufenden Reformen nicht zurücknehmen darf. Diese Ermahnung ist nötig, weil alles darauf hindeutet, dass die Berlusconi-Partei in ihrem Wahlkampf einen Anti-EU-Kurs fahren will. Es kursiert das Gerücht, dass Mario Monti selbst an der Spitze einer Liste der Mitte kandidieren könnte. Das wäre eine gute Nachricht, denn er wird als angesehene und ernsthafte Persönlichkeit geschätzt, auch wenn sein Name unweigerlich mit der verhassten und aufgezwungenen Sparpolitik verbunden ist." (10.12.2012)

Libération: Rückkehr Berlusconis könnte sich als gute Neuigkeit erweisen; Frankreich

Die Rückkehr Berlusconis könnte Italien aus seinem fatalen Stadium der Entpolitisierung herausholen, argumentiert die linksliberale Tageszeitung Libération: "Das Theater in der UMP hatte uns davon überzeugt, dass Frankreich sich rühmen kann, die dümmste rechte Partei der Welt zu besitzen. Dabei hatte man die Rechnung ohne das unglaubliche Talent des ewigen Schauspielers gemacht. Wieder einmal hatten ihm Viele geglaubt, als er ankündigte, dass er die politische Bühne für immer verlassen würde. [...] Diese letzte Rückkehr, ohne Zweifel seine risikoreichste, könnte sich paradoxerweise als der beste Dienst an der italienischen Demokratie entpuppen, die er selbst seit so vielen Jahren untergraben hat. Die Geste Berlusconis und die von ihr ausgelöste Mini-Krise beweisen: Eine Regierung der nationalen Einheit, die aus vermeintlich unideologischen Bilderbuch-Experten besteht, kann ohne Zweifel bis dato undenkbare technische Reformen durchsetzen - aber sie ist nicht imstande, die tiefe politische Krise zu lösen, die das Land schon zu lange lähmt. [...] Die Rückkehr Berlusconis könnte sich als gute Neuigkeit erweisen." (10.12.2012)

La Stampa: Altbekannter Film ohne Zeit zum Regieren; Italien

Mit der erneuten Kandidatur Berlusconis wird Italien die Neuauflage eines altbekannten Films sehen, der sich seit zwanzig Jahren in unterschiedlichen Variationen wiederholt, meint die liberale Tageszeitung La Stampa: "Mit dem Chef der rechten Mitte, der sich um seine Geschäfte kümmert, und einer Linken, die unwillkürlich das Gleiche tut. Berlusconi wird mit 100 bis 200 Getreuen im Parlament seine Firmen vor dem Bankrott bewahren und sich selbst vor dem Gefängnis. Bersani wird mit 300 bis 400 mehr oder weniger Getreuen gezwungen sein, sich rund um die Uhr um interne Angelegenheiten der linken Mitte zu kümmern: Die [Gewerkschaft] CGIL im Zaum halten, Casini [von der Zentrumspartei] bei Laune halten, Streit mit Vendola [Chef der Linkspartei SEL und Präsident von Apulien] verhindern, und allen Gruppen der linken Mitte Posten, Ämter und Ehrenämter verschaffen. [...] Zum Regieren wird dabei keine Zeit und Energie bleiben - für niemanden, unabhängig davon, wer gewinnt." (10.12.2012)

28 Länder - 300 Medien - 1 Presseschau. Die euro|topics-Presseschau zeigt, welche Themen Europa bewegen und spiegelt die Vielfalt an Meinungen, Ideen und Stimmungen wider.

Illustrationen: Teaserbild Time Magazine März 2012 (cc)Sebastiano Pitruzzello (aka gorillaradio)/offizielle Webseite/flickr; Video (cc)DuniyaKiKhabrain/YouTube

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