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"Alle Anderen" - Wilde Tiere im Zweisamkeitsdschungel

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Berlin

Alle Anderen Everyone else Deutschland, 2009, 119 min Regie: Maren Ade Darsteller: Birgit Minichmayr, Lars Eidinger, Hans Jochen Wagner, Nicole Marischka Sektion: Wettbewerb  Von Ole Skambraks

Alle Anderen Liebe in Gefahr! In der psychologischen Studie "Alle Anderen", dem deutschen Berlinale-Wettbewerbsbeitrag der jungen Regisseurin Maren Ade, geht es um die Fragilität der Liebe. Ein junges Paar um die 30, Chris und Gitti, fährt in den Uralub nach Italien. An Handlung passiert nicht viel: Die beiden relaxen, albern rum, kochen, haben Sex, treffen Leute. Unter der bunten Oberfläche des Urlaubsalltags wird aber so manches emotionale Erdbeben ausgelöst. Zum Beispiel, wenn Chris eine berufliche Absage, von der er im Urlaub erfährt, dem ungeliebten Nachbarn unter die Nase reibt, sie aber Gitti verschweigt. Oder wenn Gitti Chris' schwache Seiten kritisiert und ungefragt Ratschläge austeilt, obwohl Chris einfach nur jemanden zum Zuhören braucht. Kurz: Kleine Katastrophen und dann vorschnelle Versöhnungen, die im Gefüge der Liebesbeziehung ihre Spuren hinterlassen.

Wenn wir uns auf diesen Psycho-Dschungel einlassen, sehen wir folgendes: Gitti will für Chris "anders" sein, und Chris fühlt sich selbst als Versager. Ein paar Identitätsprobleme junger Erwachsener, möglicherweise typisch weiblicher und männlicher Prägung, die jeder von uns mehr oder weniger kennt. Soweit, so gut. Das Problem ist dann aber, dass die beiden vom anderen Partner jeweils Verständnis und Bestätigung erwarten: "Der andere" soll sozusagen das eigene bodenlose Loch auffüllen genau wie "die anderen" (in diesem Fall auch noch Chauvinisten und Masochistinnen) auf einmal der Prüfstein für die angeknackste Beziehung sein sollen. Diesen Zusammenhang zeigt der Film auf unterhaltsam bis grausame Weise. Fallöcher und Knotenpunkte der Beziehung werden sichtbar gemacht und der absurde Exibitionismus der beiden (wieso die Trampeltiere überhaupt in den Porzellanladen lassen?) ad absurdum geführt.

Ich habe mich dann gefragt, ob die Identitätsverwirrung des Paares nicht repräsentativ für eine ganze Generation ist. Die Regisseurin sagte in der anschließenden Pressekonferenz, sie habe in ihrem Film das "In-Beziehung-Sein" in den Mittelpunkt gestellt und sich dabei auf viele Situationen aus ihrem eigenen Leben bezogen. Bei den Protagonisten ihres Films gehen innere Unreife und nach außen gekehrte Selbstreflektion (die beiden reden entweder zu viel oder aneinander vorbei) Hand in Hand. Ich habe Ades Film als Warnung verstanden: "Die anderen" sind die Fäden der Ego-Marionette, die plappernden Papageien im sozialen Käfig, die wilden Tiere im Zweisamkeitsdschungel. Und - Achtung! - sie schlagen zu, wenn wir es zulassen.

Fotos: Berlinale

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