Albanien - Günstig unterwegs in einem verkannten Land
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Daniela Berger-RiedeMit seinen 400 Kilometern Küste, seinen Seen und seinen Steindörfern hat Albanien dem Reisenden auf der Suche nach Authentizität eine Menge zu bieten. Trotzdem ist dieses osteuropäische Land, das kaum größer als eine französische Region ist, weit davon entfernt, ein begehrtes Reiseziel der Westeuropäer zu sein. Davon zeugen die nur wenigen Reiseführer, die es zu Albanien gibt.
„Albanien, warum das denn?“, wurden wir unaufhörlich gefragt, als wir davon erzählten, neun Tage lang durch das Land reisen zu wollen. Selbst die Albaner wunderten sich über das Ziel unserer Sommerreise. Sie fühlten sich geschmeichelt und haben uns sehr herzlich empfangen. Wir konnten uns mit einer Mischung aus Englisch und hier und da einigen Brocken Italienisch verständigen. Albanien hinterlässt den einzigartigen Eindruck, ein Land jenseits des Einflusses der Zeit zu sein, des Pulses und des Treibens der großen Hauptstädte, wo niemand mehr eine freie Minute zum Durchatmen hat.
Hier in Albanien warten die Leute geduldig auf ihren Bus, sie zögern nicht, einem in aller Ausführlichkeit Informationen zu geben, den Weg zu erklären oder einfach zu plaudern. „Geduld“ lautet das Zauberwort auf Albaniens Straßen. Denn nur in wenigen Städten sind Fahrpläne ausgehängt. Oft gibt es keine offiziellen Bushaltestellen. Aber obwohl man sich jeden Morgen fragt, wie und wann man mit dem Bus, Minibus, dem Taxi oder per Anhalter am richtigen Ort ankommt, gelingt es letztendlich immer.
Leerstehende Bunker
Gedrängt in Minibussen oder am Boden eines Busses eingekeilt sitzend, bewältigten wir die steilen Straßen im Süden des Landes. Wir kamen durch ein Dorf nach dem anderen und konnten feststellen, dass jedes, selbst die kleinsten, eine Tankstelle besaß. Auch wenn das Land im Sommer oft unter Wassermangel leidet, findet man unzählige „lavazho“, um sein Auto zu waschen. In einem Land, in dem es quasi kein Schienennetz gibt, ist das Auto (der berühmte Mercedes 240D) in der Tat unverzichtbar. Bus und Minibus fahren allerdings nicht in jede Ecke des Landes, das Reisen per Anhalter wird so zur sehr nützlichen (und obendrein günstigen) Alternative, vor allem auf Kurzstrecken. Die Albanier halten spontan an und zögern auch nicht zusammenzurücken oder den Kofferraum des Autos freizuräumen.
Während unserer Fahrten konnten wir durch das Fenster unzählige leer stehende Bunker sehen, die über die Landschaft, in den Feldern und bis hin zu den Stränden verstreut sind. Sie wurden unter der Diktatur Enver Hoxhas‘ errichtet, um eventuelle Staatsfeinde abzuschrecken und zeugen von einer Kriegspsychose. Auch wenn sie nie genutzt wurden, erinnern diese Bunker heute doch an die vierzigjährige Isolierung des Landes. Man kann es nun seltsam finden, dass sie nach dem Ende der Diktatur nicht zerstört wurden; manche wurden stattdessen in allen möglichen Farben gestrichen. Das erinnerte uns an die kunterbunt gestrichenen Gebäude in Tirana.
Diese nette Initiative ist Edi Rama, dem seit 2000 amtierenden Bürgermeister der Hauptstadt, zu verdanken. Seit dem Beginn seines Mandats hat er Künstler dazu aufgerufen, die düsteren Fassaden der Gebäude aus der kommunistischen Ära zu verschönern. Die knalligen Farben mögen das Elend in gewisser Weise überdecken, tragen jedoch auch dazu bei, den Alltag der Einwohner aufzuheitern und sind mittlerweile ein charakteristisches Element der Hauptstadt. Bilder der kunterbunten Bunker gingen um die ganze Welt.
Tirana: europäische Hauptstadt
Lange Zeit in Vergessenheit geraten, sucht sich Tirana nun einen Platz unter den europäischen Hauptstädten. Heute befindet sich die Stadt mitten im Aufschwung, wovon die Modernität ihres Geschäftsviertels oder auch die Vergnügungsmeile zeugen, in der sich angesagte Restaurants und Bars aneinanderreihen. Aber mit seinen kaum gepflegten Champs Elysées, seinem wenig ausgebauten Straßeninventar und seinem weder begradigten noch sauberen Fluss hat es Tirana schwer, mit den westlichen Nachbarinnen zu konkurrieren.
Man spürt in Albanien eine gewisse Faszination für die westeuropäischen Länder und die Vereinigten Staaten. Die Jugend lässt sich von diesem kulturellen Einfluss am ehesten anstecken, denn die amerikanischen Hits erklingen sowohl in den Clubs der Hauptstadt als auch in den Überlandbussen. Abends kleidet man sich modisch, die Jungs tragen Parfüm, die Mädels stöckeln in Berat und Gjirokastra in ihren höchsten Absätzen über die schlechten Gehwege.
So versucht sich Albanien von seiner kommunistischen Vergangenheit zu emanzipieren, wo es nicht erlaubt war, in der Schule Englisch zu lernen. Das Land hebt seine neuen Beziehungen zu seinen früheren Feinden deutlich hervor und hat sogar anlässlich eines diplomatischen Besuchs des damaligen amerikanischen Präsidenten George W. Bush eine Straße in Rruga Presidenti George W. Bush umbenannt. Der kürzlich gestellte Aufnahmeantrag Albaniens zur Europäischen Union bekräftigt die Ambitionen des Landes, sich international zu öffnen. Wir fühlten uns vor Ort auf dem Logenplatz eines mitten in der Veränderung begriffenen Landes. Die Städte entwickeln und vergrößern sich unaufhörlich, was die große Anzahl an Baustellen entlang der Straßen zeigt. Obwohl Albanien bisher noch wenig Tourismus verzeichnet, hat das Land viel Potential. Verschiedene Bauträger investieren bereits in Hotelkomplexe, wie in Vlora und Saranda, wo hohe Gebäudekomplexe zunehmend die Landschaft verschandeln. Doch lange wird man dieses intakte Umfeld nicht mehr bewahren können.
Anreise: Von Frankreich aus gibt es keinen Direktflug nach Albanien. Man muss mit Adria Airways einen Zwischenstopp in Slowenien einlegen. Rechnet in der Saison mit 300 bis 400 Euro für den Hin- und Rückflug.
Unterkunft: In der Jugendherberge (es gibt zwei in Tirana), Kostenpunkt zwischen 7 und 12 Euro pro Nacht. Die Preise für ein Doppelzimmer außerhalb von Tirana liegen bei 25 Euro.
Verpflegung: die örtliche Spezialität Byrek (zwischen 0,20 und 0,40 Cent), ist eine Blätterteigtasche mit Käse, Spinat, Hackfleisch oder Tomate. Für eine gegrillte Goldbrasse am Strand müsst ihr 3,50 Euro rechnen. Und für ein Gericht in einem angesagten Restaurant in Tirana 4,50 Euro.
Translated from Sur les routes d’un pays méconnu : l’Albanie