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Aftersquats: Die Rückkehr der Hausbesetzer

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Default profile picture Janina Heel

KulturGesellschaft

„Früher sind wir durch das Hinterfenster ins Haus eingestiegen, heute gehen wir durch die Vordertür rein.“ Eine Gruppe Künstler hat sich ohne rechtliche Befugnis Zugang zu einem Wohnhaus verschafft und ist am Ende zum Mieter des Gebäudes geworden. Und das ist keine Ausnahme: In ganz Europa beginnen Stadtverwaltungen, die Squats für sich zu entdecken.

©mairiedeparis/DailymotionEine Traube Menschen sammelt sich vor den Fensterscheiben des frisch renovierten Hauses in der Pariser Rue de Rivoli 59, das seit 2002 der Stadt Paris gehört. Während der derijährigen Renovierungsarbeiten wurde das bunt gestaltete Gesicht des berühmtesten Squats von Paris nun durch eine unspektakuläre Fassade im Stile Haussmanns ersetzt. Nur das Wort Aftersquat ist noch in transparenten Lettern zu lesen. „Kommen Sie in sechs Monaten wieder und die Sache wird ganz anders aussehen", beruhigt Gaspard Delanoe, der Präsident des gleichnamigen Künstlerkollektivs, all diejenigen, die den Ort der Vernissage irgendwie zu konventionell fanden. Man muss diesen 9. September als symbolischen Endpunkt eines Kampfes sehen, der zehn Jahre gedauert hat. Nachdem sie drei Jahre in Ateliers in Belleville verbracht haben, „sind die Hausbesetzer nun wieder zurück.“ Das zumindest verkündet ein Transparent im Eingangsbereich.

Der Traum von billigen Mieten in Paris

Hausbesetzer? Das Wort ist vielleicht etwas unglücklich gewählt, denn die Stadt Paris vermietet die Räume für ungefähr 130 Euro im Monat an ein Künstlerkollektiv. Gleiches gilt für viele andere Orte kreativen Schaffens in ganz Paris. Einige Künstler beharren denn auch auf diesem kleinen, aber feinen Unterschied: „Wir sind keine Hausbesetzer. Wir sind Mieter der Stadt Paris", erklären die Künstler der Gruppe Frigo, die sich im 13. Arrondissement von Paris häuslich eingerichtet haben.

©Caroline Venaille„Die Zeiten ändern sich und man muss sich weiter entwickeln", meint ein Künstler, der in der Rue de Rivoli 59 wohnt und sich gerade eine Zigarette dreht. „Aus einem illegalen Underground wird so eine alternative Kunst- und Wohnform.“ Aus künstlerischer Sicht mag diese Entwicklung positiv sein, doch bleiben die Räume auf der anderen Seite auch immer öfter für die Öffentlichkeit verschlossen. Wer hierher kommt, um außerhalb der Öffnungszeiten der Ausstellungen gemütlich einen Kaffee oder ein Bier zu schlürfen, wird enttäuscht. Im Gegensatz dazu gibt es aber Konzepte, die auf Zugänglichkeit und aktiver Teilnahme aufbauen. Das gilt zum Beispiel für den Squat La suite im 13. Arrondissement. Beim Syndicat des grooms, wie sich die künstlerische Leitung von La suite nennt, sind künstlerische Mitarbeit und Anregungen jeder Art immer willkommen.

Hausbesetzungen als Loyalitätstest

Trotz dieser Erfolge geht der Kampf der Hausbesetzer weiter. „Dass es uns überhaupt gibt, verdanken wir der Besetzung der Börse, die heute gar kein Squat mehr ist", meint ein anderer Künstler während der Zigarettenpause. „Unser Kampf hat dazu beigetragen, dass es La suite überhaupt gibt!“ Denn die besetzen Häuser hängen alle irgendwie miteinander zusammen. Wenn eines von ihnen in Gefahr ist, wird dementsprechend die ganze Gemeinschaft aktiv. „Wir werden weiter Häuser besetzen und leer stehende Gebäude ausfindig machen, um überall Orte der Kunst und der Kultur zu schaffen", verspricht Gaspard Delanoe. „Die Wiedereröffnung der Nummer 59 in der Rue de Rivoli lässt bei vielen Künstlern neue Hoffnungen keimen.“

©Caroline Venaille

Berlin: Zerstört, aber trotzdem gut organisiert

Theater, Künstlerateliers, Malerei, Skulpturen: Die Kunst hält Einzug in alternative Wohnviertel. Seit den 1990er Jahren beherbergt das Tacheles in Berlin schräge Künstler. Dieser Squat, ein Symbol für nicht institutionalisierte Kunst und Kultur, ist zum Muss eines jeden Berlinbesuchs geworden. 300.000 Besucher kommen jährlich ins Tacheles und das freut natürlich die Künstler, die ihre Galerie für 180 Euro im Monat anmieten. In den mit bunten Graffitis besprühten Räumen, in denen ein wohlgeordnetes Chaos herrscht, fließen Bier und Farben in Strömen. Mittlerweile sind aus vielen Squats in Berlin allerdings schon wahre Konsumtempel geworden, die vor allem zahlende Kunden anlocken. So kann man sich im Casiopeia in Ostberlin gegen Eintritt in einem Skatepark mit Kletterwand vergnügen.

Nach zwanzig Jahren begibt sich Berlin, das einst noch ein Störfaktor war, nun langsam in geregelte Bahnen. Als die deutschen Behörden in den 1980er Jahren wahrlich andere Sorgen hatten, als sich um die Hausbesetzer zu kümmern, nutzten junge Berliner die Gunst der Stunde, um in der ganzen Stadt Häuser für sich zu reklamieren. Berlin war dafür ein geeignetes Terrain und in kurzer Zeit schossen ungefähr 160 Squats aus dem Boden. Mittlerweile kauft die Stadt Berlin, ganz wie Paris und nun auch Amsterdam, immer mehr besetzte Häuser auf und vermietet sie günstig. Die Hausbesetzer-Szene trifft sich aber unermüdlich weiter in Kellern und Hinterhöfen, also an Orten, mit denen sie sich identifizieren können. Die Punks in Berlin haben schon länger ihre Köpi, wo sie eine Bar, einen Konzertsaal und ein Kino unterhalten.

©Caroline Venaille

Sevilla: Die Fabrica de sombrero muss ihre Pforten schließen

©Caroline VenailleAber nicht überall wird mit den Squats gleichermaßen verfahren. In Sevilla hat die Casa Vieja schon so manchem Anhänger alternativer Lebensformen Ärger bereitet. Nachdem das Gelände, auf dem die Fabrik steht, wieder als Baugrund erschlossen werden sollte, wurde das Gebäude an einen Immobilienmakler verkauft. Die Fabrica de sombrero, eine ehemalige Hutfabrik, hatte im April 2008 ihre Türen geöffnet. Künstlerische Inspiration, Malerei, wöchentliche Treffen, Gesprächsrunden: In der Fabrica wimmelte es nur so vor Angeboten. Von einem Capoeira-Kurs am Montag über thematische Filmabende am Dienstag bis hin zu einem gemeinsamen Mittagessen am Samstag standen die unterschiedlichsten Aktivitäten auf dem Programm. Im Juni 2009 rückte allerdings die Polizei an, um das Gebäude vorläufig zu räumen. Mittlerweile laufen Verhandlungen zwischen den Bauträgern, der Stadt und den Verantwortlichen der kulturellen Einrichtung, die gemeinsam nach einer Möglichkeit suchen, die Fabrica de Sombrero als Ort der freien Künste zu erhalten.

Ein Treffen aller europäischen Squatter in Rom

©Caroline VenailleIn Forte Prenestino, das seit 1986 besetzt wird, findet vom 16. bis 18. Oktober das erste europäische Hausbesetzer-Treffen ohne jeglichen institutionellen Rahmen statt. Im Mittelpunkt der Diskussionen werden alternative Lebensformen und Orte kreativen Schaffens stehen. Ziel ist es auch, den Begriff squ-art neu zu definieren und sich gemeinsam für eine Kultur stark zu machen, die sich abseits konventioneller und festgefahrener Wege einrichtet.

Translated from Underground : le concept des «squats» toujours vendeur