Afghanistan-Konferenz in London: Ölzweige und Dollarnoten für Taliban
Published on
Im Vorfeld der Afghanistan-Konferenz ab Donnerstag in London mehren sich die Forderungen, mit den radikal-islamistischen Taliban zu verhandeln. Dies zeigt die zunehmende Ratlosigkeit der internationalen Gemeinschaft am Hindukusch, meint die EU-Presse.
Die Presse: „2011 wird es zehn Jahre her sein, dass US-Truppen ihren Stiefelabdruck auf afghanischem Territorium hinterlassen haben“; Österreich
Gemäßigtere Anhänger der aufständischen Taliban könnten tatsächlich für eine Zusammenarbeit mit der afghanischen Regierung gewonnen werden, meint die Tageszeitung Die Presse: "Die Taliban und al-Qaida sind keine untrennbar miteinander verbundenen siamesischen Zwillinge, was sie verbindet, ist eine symbiotische Beziehung. Was dem einen nützt, nützt auch dem anderen. Gelingt es nun, den gemäßigten Taliban-Elementen den Nutzen der Kooperation mit der Regierung in Kabul zu vermitteln, dann ist dies zum Schaden für al-Qaida - das wäre das Ende der Symbiose. Dennoch sollte sich niemand der Illusion hingeben, dass man mit den Hardcore-Elementen der Taliban handelseins wird. Aber der Versuch, gemäßigtere Elemente abzuspalten, könnte funktionieren. Die Minimalforderung: Die Taliban müssten die Bande zu al-Qaida kappen. Die Zeit drängt: Im Herbst 2011 wird es zehn Jahre her sein, dass US-Truppen ihren Stiefelabdruck auf afghanischem Territorium hinterlassen haben. Die Truppen der Sowjetunion mussten nach neun Jahren gedemütigt abziehen." (Artikel vom 26.01.2010)
Postimees: „Geld ist ein Teil der Strategie“; Estland
Die geplante Strategie der internationalen Gemeinschaft, die radikal-islamistischen Taliban mit Geld zu ködern, ist problematisch, meint die Tageszeitung Postimees: "Der Regierung [des afghanischen Präsidenten] Hamid Karzai traut niemand über den Weg, darum suchen die internationalen Geldgeber direkten Kontakt zu den lokalen Machthabern. Geld ist ein Teil der Strategie, die unter Führung von Großbritannien, den USA und Deutschland ausgearbeitet wurde. Der Plan ist, die Taliban auszuzahlen, Dorf für Dorf und Stamm für Stamm. Das große Problem ist freilich, dass den Taliban damit nur das angeboten wird, was ihnen bei ausreichend Geduld ohnehin sicher ist. 'Ihr habt Uhren, wir haben Zeit', spotten die Aufständischen. Die Paschtunen leben keinesfalls im Mittelalter, wie man im Westen oft glaubt, sondern in ihrer eigenen Zeit und in ihrem eigenen Raum, wo die westlichen Koordinaten nicht gelten."
(Artikel vom 26.01.2010)
Il Sole 24 Ore: „Ölzweige und Dollarnoten für die Taliban auf Londoner Konferenz“; Italien
Aufgrund der Schwäche der afghanischen Regierung von Hamid Karzai ist die internationale Gemeinschaft bereit, mit den radikal-islamistischen Taliban zu verhandeln, schreibt die Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore: "Auf der Londoner Konferenz liegen Ölzweige und Dollarnoten für die Taliban bereit - natürlich nur wenn sie gewillt sind, die Waffen zu strecken. Die Idee gefällt den Vereinten Nationen, den amerikanischen Generälen, Großbritannien, Deutschland und ein bisschen allen Alliierten Washingtons, die es kaum erwarten können, aus dem afghanischen Sumpf herauszukommen, bevor 2011 die Stunde des zehnjährigen Jubiläums des Kriegs schlägt. [...] Die Gegner der Taliban zeigen in ihren Erklärungen eine gewisse Verschleißerscheinung, die - in der Sprache der Diplomatie - zur Notwendigkeit der Suche nach einer 'politischen Lösung' wird."
(Artikel vom 26.01.2010)
Diário de Notícias: „Tatsächliche Verhandlungen in Istanbul“; Portugal
Pläne der Türkei: Ist dies nicht genau das, was die EU will?
Am Montag haben sich die Präsidenten Afghanistans, Pakistans und der Türkei in Istanbul getroffen. Die Türkei hat bereits in anderen Konflikten gut vermittelt, meint die Tageszeitung Diário de Notícias, und könnte auch zur Lösung des Afghanistan-Problems einen wichtigen Beitrag leisten: "Am Donnerstag beginnt in London die Afghanistan-Konferenz, doch in den letzten zwei Tagen lief die wirkliche strategische Vorbereitung, um diesem Land Frieden und Entwicklung zu bringen, in Istanbul. [...] Die Dynamik der türkischen Diplomatie sollte nicht heruntergespielt werden. [...] In Zeiten, in denen die kriegerische Lösung unzureichend erscheint, um den Afghanen den Frieden zurückzugeben, [...] plädiert die Türkei für eine politische Lösung mit den weniger radikalen Taliban, für eine Entwicklungs- und Antikorruptionsstrategie, für regionale Kooperation und für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Ist dies nicht genau das, was die EU will?"
(Artikel vom 26.01.2010)
Fotos: ©Wolfgang Wildner/flickr