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Adieu: Pierre Brice geht, Winnetou bleibt

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KulturLifestyle

Am 6. Juni verstarb der in Frankreich fast völlig unbekannte französische Schauspieler Pierre Brice mit 86 Jahren in einer Pariser Klinik. Unterdessen trauert ein ganzes Nachbarland – Deutschland - um eine seiner beliebtesten Jugendikonen: den Apachen-Häuptling Winnetou. Eine junge Deutsche erinnert sich an den Helden ihrer Kindheit.

Winnetou - dieser Name ist in Deutschland untrennbar mit dem Namen Pierre Brice verknüpft. Jeder, der einmal einen der vielen Karl May-Filme gesehen hat, wird sein Gesicht immer mit dem Indianerhäuptling verbinden. So geht es bis heute auch mir. Jetzt ist der große Häuptling der Apachen ein zweites Mal von uns gegangen. Doch diesmal können wir leider nicht auf die Rückspultaste drücken. 

Als ich im Alter 10 Jahren anfing, die vielen Geschichten von Karl May (1842-1912) zu lesen, habe ich mir vor meinem inneren Auge Old Shatterhand, Winnetou oder Hadschi Halef Omar ausgemalt. Ich träumte davon, durch die Wüste zu reiten oder mit den Indianern am Silbersee mein Lager aufzuschlagen. Und natürlich von den beiden, über jeden Zweifel erhabenen Blutsbrüdern Old Shatterhand und Winnetou. So habe ich Tage und Nächte (mit Taschenlampe unter der Decke) verbracht.

Winnetou forever

Die Western, die zwischen 1962 und 1968 zum ersten Mal über deutsche Bildschirme flimmerten, waren mir lange Zeit nicht zugänglich. Denn Kabelfernsehen oder Satellit gab es in unserem Haushalt nicht. Nein, ich bin keineswegs ein Kind der Zeit, in denen der Fernseher noch schwarz-weiß war. Aber dennoch war Privatfernsehen noch etwas ganz Besonderes. Ich erinnere mich also sehr gut daran, dass ich - auf dem Boden sitzend bei Freunden meiner Eltern - meinen ersten Winnetou-Film sehen durfte. Ich hatte hart dafür gekämpft und gewonnen. Und da stand er nun. Winnetou, der Häuptling der Apachen. Er sah genauso aus, wie ich es mir erträumt hatte. Abgesehen von den Tonnen rötlicher Schminke, die Pierre Brice für die Rolle auf der Haut hatte, passte einfach alles. Ich war verzückt. Die Haare, die Augen… Winnetou forever!

Von da an wurde jeder Zeitungsschnipsel gesammelt, jedes Interview gesehen. Und was man so alles über den 1929 in Brest geborenen Schauspieler herausfinden konnte. Franzose war er also. Ich war stolz, dass ich in der Lage sein würde, mit ihm in seiner Muttersprache zu sprechen, sollte ich ihn irgendwann einmal treffen. Da machte auch der Fremdsprachenunterricht gleich viel mehr Spaß. Und verheiratet mit einer Deutschen war er. Hm, ok, da war wohl eine Frau schneller gewesen. Aber was macht das schon. Dass er damals auch schon jenseits der 50 war, war nebensächlich. Winnetou war einer der besten Zeitvertreibe während großer Teile meiner Pubertät. 

Segen und Fluch

Was ich natürlich zu dieser Zeit nicht ahnte war, dass diese Rolle, die Pierre Brice so auf den Leib geschneidert war, für ihn Segen und Fluch zugleich war. Sie machte ihn in Deutschland zu einem Jugendhelden, vielleicht sogar einem Stück Kulturerbe. Grade neulich habe ich in einem Artikel gelesen, dass es nach dem Erscheinen von Winnetou III, in dem der Häuptling ermordet wird, regelrecht hysterische Proteste gab. Die wilde Meute forderte eine "Wiederauferstehung" des Häuptlings, denen die Produktionsfirma dann auch nachkam. "Winnetou darf nicht sterben", titelten die Zeitungen. Weitere Filme wurden umgehend produziert. Pierre Brice war also quasi ein Superstar dieser Zeit in Deutschland.

Doch was kommt danach? Vielleicht kann man hier auch traurige Parallelen ziehen zu Romy Schneider, die nach Ihrer Sissi-Rolle in Deutschland immer auf diesen Typ festgelegt wurde und ihr Heil im Ausland suchte, wo sie andere Rollen spielen durfte. Nur, bei Pierre Brice bliebt der große Ruhm im Ausland aus. Es wird gemunkelt, dass er Alain Delon zu ähnlich sah und deshalb in seinem Heimatland nie den Durchbruch schaffte. Er war und blieb Winnetou. Von diesem Ruhm zehrte er weiterhin, und - wenn man seiner Autobiografie Winnetou und ich glauben kann - arrangierte er sich letztlich mit dieser ewigen  Rolle.

Übrigens, ich habe ihn tatsächlich einmal getroffen und sogar ein paar Worte auf Französisch ausgetauscht. Dazu bin ich, damals mit Mitte 20, extra nach Frankfurt zu einer Lesung seines Buches gefahren. Da saß ich also, in einem Hotel-Konferenzraum mit buntem Teppich. Um mich herum saßen gefühlt 100 vor allem männliche Rentner, die auch einmal ihren großen Helden sehen wollten. In dieser skurrilen Kulisse, die so gar nichts vom Silbersee und Wilden Westen hatte, stand ich schließlich vor ihm. Und tatsächlich. Da war er. Der Häuptling der Apachen. Älter als in den Filmen, mit einem französischen Akzent zum dahinschmelzen, aber kein bisschen weniger Winnetou. Das signierte Buch steht heute in meinem Regal und ich bin dankbar, dass ich ihn "kennenlernen" durfte. So gehen manchmal Mädchenträume in Erfüllung. Adieu Pierre! 

Ein Text von Astrid Schiffner