Abtreibung in Spanien: zurück ins Mittelalter
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Tina ConradSpanien ist gerade dabei, sich einer kleinen Gruppe europäischer Länder anzuschließen, in denen Abtreibung illegal ist. Rajoys konservative Regierung ist stark von der katholischen Kirche beeinflusst und geht nun de facto wieder seiner Hauptbeschäftigung nach: Die Freiheiten all derer zu begrenzen, die nicht das Glück hatten, als Mann und heterosexuell auf diese Welt gekommen zu sein.
Man kann tatsächlich kaum glauben, wie große Rückschritte eine Regierung in Sachen Frauenrechte machen kann. Fahren Sie über die Alpen und Sie befinden sich in der Geschichte um 30 Jahre zurückversetzt, in einer Zeit, in der Abtreibung, außer in einigen Ausnahmefällen, noch illegal war. Seit 2010 gibt es in Spanien eine Gesetzgebung, die der Frankreichs ähnelt: Frauen dürfen, ohne eine Erklärung abgeben zu müssen, bis zur 14. Schwangerschaftswoche abtreiben (in Frankreich ist dies ohne Auflagen und kostenlos bis zur 12. Schwangerschaftswoche möglich).
EIN GESETZ MARKE MITTELALTER
Nur dass die spanische Regierung nun eben alles daran setzt, in eine Epoche zurückzukehren, in der Abtreibung außer im Falle von Vergewaltigung, Missbildung des Fötus oder medizinischen Risiken für die Mutter verboten war. Der Vorschlag der Konservativen ist noch nicht definitiv, aber eines ist klar: Die Rückkehr zu einem ähnlichen, wenn nicht sogar strengeren System als 1985. Auch das Recht für Minderjährige, ohne Einverständnis eines Elternteils, abzutreiben, würde abgeschafft.
Die Rückkehr zu mittelalterlichen Gesetzen ist schon lange geplant: Fünf Mal in zwei Jahren wurde das Vorhaben vertagt – man diskutierte über die Richtigkeit der Klausel zur Missbildung des Fötus, nun ist es aber sicher: Das Gesetz wird noch vor Ende Oktober durchgebracht (Das Parlament hat das Gesetz am 9. Oktober durch gewunken, es muss aber noch weitere Instanzen durchlaufen). Bald werden die Frauen also wieder die Zustimmung eines Dritten benötigen, um Entscheidungen über ihren eigenen Körper treffen zu können: Von Seiten eines Arztes oder des Vaters. Angekurbelt wurde die Entscheidung durch ein halbes Dutzend einflussreicher Männer.
Wenn ich mich in meinem Umfeld umhöre, sind die Menschen gar nicht so entrüstet, wie man vielleicht vermuten könnte: Immerhin war die Lage vor drei Jahren auch nicht anders. Auch damals haben viele eine Möglichkeit gefunden, das Gesetz zu umgehen. Einige werden sich an Privatkliniken wenden, die mir nichts dir nichts eine Bescheinigung über schwerwiegende Gesundheitsrisiken der Mutter ausstellen. Andere werden nach Frankreich oder in den Norden Europas fahren. Und die Einkommenslosen und Minderjährigen werden sich eben illegale Möglichkeiten suchen oder das Kind gebären.
"ES GEHT ALLE WAS AN"
Die aktuelle Politik in Spanien ist in puncto Abtreibung ziemlich schizophren: Es ist eine Politik, die auf der einen Seite Frauen dazu zwingen will, Kinder zu gebären, die sie nicht haben wollen, und auf der anderen Seite anstrebt, Lesben und alleinstehenden Frauen den Zugang zu künstlicher Befruchtung im öffentlichen Sektor zu versagen. Ganz normal natürlich, das ein Land, in dem die Wirtschaftskrise wütet und das zusätzlich eine der niedrigsten Geburtenraten auf der Welt zu verzeichnen hat, homosexuellen Paaren oder Alleinstehenden, die gerne Mütter wären, diese Möglichkeit verwehrt.
Die Spanier sind die ständigen Gesundheits- und Bildungsreformen leid. Zusätzlich wird die Joblage im Windschatten politischer und finanzieller Skandale immer prekärer. Die jetzige Situation ist gegen die Cahuzac-Affäre oder die deutsche Wulff-Affäre noch gar nichts. Empört euch, möchte man den Spaniern entgegen rufen. Das tun manche, aber trotzdem fühlen sie sich machtlos. Tagelange Sitzstreiks auf der Plaza del Sol, Empörungsrufe oder Demonstrationen sind nicht mehr genug, um die Besorgnis erregenden Maßnahmen der spanischen Konservativen aufzuhalten.
Alle haben allerdings noch nicht aufgegeben: Mehr als 250 Vereinigungen, Gewerkschaften, Kliniken und Parteien haben sich in der Bewegung Nosotras Decidimos („Wir entscheiden“,) zusammengeschlossen. Sie kämpft für die Erhaltung der aktuellen sexuellen und reproduktiven Rechte. Ende September haben Tausende in Madrid für legale und kostenlose Abtreibung demonstriert. Nachdem meine Nachbarin das Ungleichgewicht der Geschlechter in dieser Demo bemerkt, flüstert sie mir ins Ohr: „Wieso sind die ganzen Männer, die mit uns bei der 15-M-Bewegung (der 15. Mai war der Tag, an dem die Empörten die Plaza del Sol erstmalig besetzten) protestiert haben, heute nicht hier? Abtreibung ist ein Recht der Frauen, es geht alle etwas an.“
Eine Parlamentssitzung in Madrid wurde am vergangenen 09. Oktober von Femen unterbrochen (cc) Euronews
Alle haben allerdings noch nicht aufgegeben: Mehr als 250 Vereinigungen, Gewerkschaften, Kliniken und Parteien haben sich in der Bewegung Nosotras Decidimos („Wir entscheiden“,) zusammengeschlossen. Sie kämpft für die Erhaltung der aktuellen sexuellen und reproduktiven Rechte. Ende September haben Tausende in Madrid für legale und kostenlose Abtreibung demonstriert. Nachdem meine Nachbarin das Ungleichgewicht der Geschlechter in dieser Demo bemerkt, flüstert sie mir ins Ohr: „Wieso sind die ganzen Männer, die mit uns bei der 15-M-Bewegung (der 15. Mai war der Tag, an dem die Empörten die Plaza del Sol erstmalig besetzten) protestiert haben, heute nicht hier? Abtreibung ist ein Recht der Frauen, es geht alle etwas an.“
Dieser Artikel wurde auch auf BARBIETURIX.COM veröffentlicht.
Translated from L'avortement en Espagne : franco vers le Moyen-âge