5 todsichere Tipps, um aus 'France Soir' die französische Bild zu machen
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kflueggeEr hat es geschafft. Rémy Dessarts ist der neue Chefredakteur von France Soir, einer französischen Zeitung mit langer Geschichte. Sein Ziel? Die von einem russischen Milliardär wiederbelebte Zeitung allen Ernstes mit „Trash“ zu füllen. Um ihm dabei zu helfen, hat cafebabel.com 5 goldene Regeln der europäischen Skandalpresse, alias Bild-Zeitung und The Sun, zusammengestellt.
Lieber Rémy Dessarts,
ich habe erfahren, dass Sie aus der französischen Tageszeitung France Soir, deren Redaktion Sie seit Ende August 2010 leiten, eine “Trash”-Zeitung machen wollen. Der 25-jährige russische Eigentümer Alexander Pugatschow hat gegenüber Journalisten zwar das Gegenteil behauptet, aber wir beide wissen ja, dass das nichts zu bedeuten hat. Schließlich hat sich an Ihren Ambitionen nichts geändert, seitdem Sie 2007 mit ihrem Projekt, im Auftrag der Springer-Gruppe eine „französische Bild-Zeitung“ zu schaffen, gescheitert sind. Natürlich ist es einfach zu behaupten, dass man für eine populäre Tageszeitung in Frankreich nur einen niedrigen Preis, ausreichend Verkaufsstellen und einen attraktiven Inhalt braucht, aber dass sich diese drei Bedingungen niemals erfüllen lassen. Sie haben jedoch die Zähne zusammengebissen. Sie haben geduldig auf ihre Stunde gewartet. Und bei all diesem Selbstvertrauen scheint Ihre Stunde nun auch gekommen zu sein. Sie haben es ja gegenüber dem ehemaligen Berater der Redaktion von France SoirGilles de Prevaux zugegeben, bevor jener das Handtuch warf: „Du weißt doch, Gilles, auch unter dem Goldmäntelchen lässt sich Trash machen...“ Bingo!
Viele sind bei diesem Gedanken vor Schreck schon ganz blass geworden. Ein Boulevardblatt in Frankreich - niemals! Hört hört. Aber Sie wissen es ja nur allzu gut, dass die Bild-Zeitung in Deutschland mehr als 3 Millionen Exemplare am Tag verkauft und dass die Skandalzeitung The Sun, die vom brillanten Medienmagnaten Rupert Murdoch herausgegeben wird, in Großbritannien 3 Millionen Stammleser hat. Cafebabel.com versteht ihre Absicht voll und ganz, den Misserfolg von 2007 wettmachen zu wollen. Daher haben wir uns gedacht, dass Ihnen eine kleine Hilfestellung nicht schaden würde. Im Folgenden nennen wir Ihnen ein paar Tipps aus der Trickkiste der Bild und der Sun...
1) Blut und Tränen
Mit etwas Glück schaffen es die jungen Franzosen, eine ähnliche „Leistung“ wie ihre deutschen Altersgenossen in Duisburg hinzubekommen. Die Tragödie bei der Love Parade wurde von der Bild-Zeitung geschickt in Szene gesetzt. So veröffentlichte das Blatt Fotos von Toten und Verletzten: Wenn das nicht die Verkaufszahlen steigert! Vergessen Sie nicht, im Falle des Falles das Ganze sprachlich in Trash-Legenden zu verpacken: „Die Hand im Tode verkrampft. Auch dieser Mann wurde bei der Panik vermutlich zerquetscht“, „die Leiche eines jungen Ravers liegt abgedeckt im Müll“, etc.
2) Ein Netz aus Lügen
Aber ich will nicht abschweifen. Vielleicht sollten wir mit den Grundregeln anfangen. Sie sollten in France Soir täglich schlecht-recherchierte Informationen, zurecht gebogene Zitate und manipulierte Zahlen veröffentlichen. Die Bild-Zeitung hat für alle Notfälle ein universelles Mittel in der Hinterhand: die Korrekturspalte auf Seite 2. Ideal, um sich bis zum Erscheinen der nächsten Ausgabe am Folgetag unbestraft zu irren. Ideal ebenfalls, um zu vermeiden, dass sich andere Redaktionen anmaßen, Ihre Fehler zu korrigieren. Wie bei Ihrem Interview mit der französischen TV-Moderatorin Flavie Flament: „Ich möchte hier keinen großen Appell an France Soir richten, weil mir bewusst ist, dass dort die Fakten gelegentlich verdreht werden. Also möchte ich mich mit einer kleinen, deutlichen Nachricht an die Frau wenden, mit der ich gestern am Telefon gesprochen habe und die mir eigentlich recht sympathisch vorkam.“ Dies erzählte sie kürzlich dem Journal du Dimanche. Nicht sehr professionell.
3) « Tits-and-bum »
Alles bis jetzt recht einfach, oder? Also fahren wir fort. Auf Seite 3, gegenüber den Korrekturen vom Vortag, brauchen Sie ein paar (hübsche) Mädels im Eva-Kostüm. Der ehemalige Chef des Politik-Ressorts der SunTrevor Kavanagh spricht vom „Tits-and-bum“-Artikel (dem „Titten-und-Arsch“-Artikel). Mit zwei überzeugenden Argumenten... Bald wird man Ihre Kunstfertigkeit auf einer Stufe mit der Sun nennen, die laut The Guardian die Vorreiterin des „bum-and-tit tabloidism“ („Arsch-und-Titten-Boulevardjournalismus“) ist. Die Königsklasse.
4) Die schmutzige Wäsche der Promis
Wenn Sie alle Schock- und Aktfotos zusammen haben, sollten Sie noch ein bisschen Klatsch über Promis hinzufügen, of course. So brachte die Sun beispielsweise 1992 „Camillagate“ an die Öffentlichkeit. Intime Details aus dem Privatleben von Prinz Charles wurden auf diese Weise bekannt. So flüsterte er Camilla Parker Bowles am Telefon beispielsweise zu, er wünschte sich, ihr Tampon zu sein... Daneben sind die Tonbänder von Liliane Bettencourt und Patrick de Maistre, die den derzeit in Frankreich heiß diskutierten Bestechungsskandal entflammt haben, geradezu reif für die Mülltonne. Greifen Sie lieber zum für Spekulationen geradezu perfekten Telefongespräch des französischen Musikers Benjamin Biolay mit Carla Bruni. Danach werden Ihnen die Politiker aus der Hand fressen und sich darum schlagen, von Ihnen interviewt zu werden. Auch Angela Merkel wendete sich an die Bild-Zeitung mit dem Wissen, mit ihrem Interview die 3 Millionen deutschen Bild-Leser zu erreichen. Wenn es noch nicht geklappt hat, dann können Sie Ihre interessanten Details immer noch dem Meister der Boulevardpresse höchstpersönlich twittern - Rupert Murdoch.
5) Hin und wieder mal ein kleiner Prozess
Oh, da habe ich fast noch etwas vergessen. Dabei ist das Führen von Prozessen vor Gericht ein großer Klassiker. Lassen Sie es ruhig darauf ankommen, denn eine Klage bedeutet immer ordentlich Zunder und viele Schlagzeilen! Auch darin ist die Bild ein Experte. Um ihre Klasse zu erreichen, bedarf es Zeit und eines harten Trainings. Aber verzweifeln Sie nicht. Nehmen Sie sich lieber ein Beispiel. Die Nazi-Orgie von Max Mosley rauszubringen, war ein absolutes Muss. Dafür lohnte es sich durchaus, 510.000 Euro auszugeben. Und wenn ein Journalist, ohne sich vorzustellen, Ihre Redaktion ausspioniert, wie das Günther Wallraff 1977 bei der Bild getan hat, dann... hängen Sie ihm einen Prozess ans Bein! Promi+Skandal ist eine explosive Suchkombination auf Google.
Fotos: ©Plinkk/flickr ; The Sun ©vapour trail/flickr; ©NiceBastard/flickr
Translated from 5 conseils à France Soir pour faire un Bild à la française