4,9 Milliarden-Mann: Jérôme Kerviel, der ärmste Banker Europas
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Katha KlossAm Dienstag, 5. Oktober 2010, im Pariser Palais de Justice nimmt der französische Ex-Trader Jérôme Kerviel stumm das Richterurteil in Frankreichs größtem Bankskandal der letzten Jahre entgegen: 5 Jahre Gefängnis, davon 3 Jahre ohne Bewährung, und 4,9 Milliarden Schadensersatz wegen Veruntreuung, Fälschung und betrügerischer Manipulation … zu zahlen an seine Bank, namentlich die Société Générale.
Ein älterer Herr habe sich nach dem Urteilsspruch erhoben, um den Richterspruch als Schande zu bezeichnen. Französische Medien sprechen vom Ziviltod des ehemaligen Bankers. Auch im Internet brodelt der Protest.
"Selon que vous serez puissant ou misérable, Les jugements de cour vous rendront blanc ou noir" [Je nachdem ob ihr mächtig oder miserabel seid. Werden die Gerichtsurteile auch in weiß oder schwarz ausfallen; A.d.R.]. Das Zitat aus Jean de La Fontaines Fabel Les Animaux Malades de la Peste sei leider auch heute noch brandaktuell, bedauert der französische Autor des Blogs SauvezKerviel [RettetKerviel]. Ihm zufolge verschone die französische Justiz die Société Générale mit diesem „betäubenden“ Urteil, die ohne einen Kratzer aus dem Prozess hervorgeht. Ist Jérôme Kerviel demnach der Sündenbock einer zynischen Bank, die ihre 'tatsächlichen' Verluste im Rahmen der Finanzkrise vertuschen will?
Auch andere Fragen stehen im Raum: Wird der 33-jährige Ex-Trader tatsächlich die horrende Summe von 4,9 Milliarden Euro an seine ehemalige Bank zurückzahlen müssen? Umgerechnet müsste er für diesen Betrag bei seinem aktuellen Gehalt von 2300 Euro im Monat 170.000 Jahre lang arbeiten. Wird die Société Générale auf die enorme Geldsumme des schwarzen Schafes der französischen Finanzwelt verzichten? Müssen Kerviels Kinder ihrerseits über Generationen hinweg Sklaven der französischen Bank bleiben?
Bereits seit 2008 mehren sich die Gruppen von Unterstützern auf Facebook, die den 33-jährigen „James Bond der SocGen“ retten wollen: "Pour que chaque français fasse 75 euros de don à Kerviel" (Dafür, dass jeder Franzose 75 Euro an Kerviel spendet), "Donnons tous 1€ à la SoGé pour sauver Jérôme Kerviel" (Lasst uns alle einen Euro an die SoGé spenden, um Jérôme Kerviel zu retten) oder auch "Opération "Pièces Jaunes" pour Jérôme Kerviel" pour Jérôme Kerviel (Wohltätigkeitsverantsaltung Pièces Jaunes für Jérôme Kerviel) lauten die Namen. Aber können die Internetnutzer den waghalsigsten und mittlerweile höchstverschuldeten Trader der Geschichte aus dem finanziellen Schlamassel ziehen oder hört die Solidarität spätestens dann auf, wenn jeder seinen Kreditkarten-Code für eine Spende tippen muss…!?
Jérôme Kerviels europäische Vettern
Italien:Weil er 2003 den Nahrungsmittel-Konzern Parmalat in den Bankrott getrieben hatte, muss Calisto Tanzi 105 Millionen Euro Schadenersatz zahlen und 10 Jahre Haftstrafe absitzen. Der ehemalige Geschäftsführer und Gründer der Gruppe erleichterte das Unternehmen um insgesamt 14 Milliarden Euro.
Großbritannien:
Der britische Trader Nick Leeson, der 1995 den Untergang der Barings-Bank verursachte, erhielt eine Strafe von 827 Millionen Pfund (viermal weniger als Jérôme Kerviel) und 5 Jahre Gefängnis.
Für die britische Tageszeitung The Telegraph sei der einzige Mann, der eine Haftstrafe verdient hätte jedoch Geir Haarde, isländischer Ex-Premier, der durch seine schlechte Führung in Krisenzeiten ein blühendes Land versenkte.
Foto: ©h.koppdelaney/flickr
Translated from Jérôme Kerviel, l’homme le plus pauvre d’Europe