2013: Wohin steuert die europäische Linke?
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Bertram LangIn Zeiten einer sich ins Endlose hinziehenden Finanzkrise hält die europäische Linke ihr Schicksal in eigenen Händen. Dies gilt sowohl für die regierende, sozialdemokratische Linke als auch für die oppositionelle, radikale Linke.
Ein Ausblick auf die Herausforderungen für die politische Familie der Linken in der EU, von vereinzelten politischen Erfolgen bis zum Protestgeschrei ausgelaugter und reformmüder Bürger in den Mitgliedstaaten.
In neun Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind derzeit linke Parteien an der Regierung beteiligt: als Koalitionspartner in Finnland, Griechenland, Irland und den Niederlanden, als stärkste Regierungsfraktion in Österreich, Belgien, Dänemark und Rumänien. Und natürlich in Frankreich, wo die Parti Socialiste derzeit alle Fäden der Pariser Politik in den Händen hält.
Im Europäischen Parlament (EP) stellt die S&D-Fraktion (Sozialisten und Demokraten, A.d.R.) mit 190 Abgeordneten die zweitgrößte parlamentarische Formation dar. Und nicht nur das: Dank eines Abkommens der S&D mit der EVP (Europäische Volkspartei, Mitte-Rechts-Fraktion, A.d.R.), das die Wiederwahl José Manuel Barrosos an die Spitze der Kommission ermöglichte, wurde die fünfjährige Präsidentschaft des Parlaments während der aktuellen Legislaturperiode (2009-2014) zweigeteilt, sodass nun seit 2012 der Sozialdemokrat Martin Schulz als Nachfolger des Konservativen Jerzy Buzek dem Europäischen Parlament vorsitzt.
Es gäbe also Grund zu der Annahme, dass die Sozialdemokratie nicht zuletzt dank der Krise des liberalen Modells sonnigen Zeiten entgegenblicken kann. Bei näherem Hinsehen stellt sich die Zukunft jedoch weniger rosig dar. Allerorts künden eine immer geringer werdende Wahlbeteiligung und zahlreiche Meinungsumfragen von der Unzufriedenheit mit der allgegenwärtigen Sparpolitik, ganz gleich ob diese von rechten oder linken Regierungen durchgeführt wird. In Frankreich lenkt derweil nur der seit November andauernde Bruderstreit zwischen Jean-François Copé und François Fillon um den Vorsitz der konservativen UMP von den Schwierigkeiten des Präsidenten François Hollande ab.
Dabei wurde nun, kurz nach dem Fiasko des Brüsseler Haushaltgipfels, am 28. November 2012 auch der französische Staatshaushalt für 2013 von einer schweigenden Allianz aus ablehnenden konservativen und sich enthaltenden kommunistischen Senatoren zum Scheitern gebracht. Wie also sollte eine effiziente politische Antwort auf die Wirtschaftskrise und die durch sie hervorgerufene allgemeine Verunsicherung aussehen? Der französische Industrieminister Arnaud Montebourg ist einer der wenigen, der den Ernst der Lage verstanden zu haben scheint. Seinem Projekt, den Arcelor Mittal-Standort in Florange (im Nordosten Frankreichs, A.d.R.) vorübergehend zu verstaatlichen, kommt immerhin das Verdienst zu, eine konkrete Debatte in Gang gesetzt zu haben. Auch wenn seine Ankündigung von vornherein kaum Erfolgschancen hatte, so rief sie doch in Erinnerung, wie eine ernsthafte linke Politik in der gegenwärtigen Krise aussehen könnte: eine Politik, die den Staat nicht mehr nur als Wohlfahrtsstaat, sondern als Garant von Beschäftigung ansieht. Das Problem besteht jedoch darin, dass Montebourg selbst heute in einer schwierigen Position ist und in einem Interview mit der Zeitung Libération sogar davon berichtete, wie er beinahe aus der Regierungsmannschaft Hollandes ausgeschieden wäre.
Pärchenterror
Ohnehin wird Frankreich jedoch im Alleingang auf Dauer keine linke Politik durchsetzen können. Eine solche hat, wenn überhaupt, dann nur auf europäischem Niveau eine Chance. Dabei hat sich der wirtschaftspolitische Graben zwischen Berlin und Paris, der sich bereits in der Ära Merkel-Sarkozy aufgetan hatte, weiter vertieft. Wachstum ja, aber in welchem Sektor, auf welche Art und Weise? Sämtliche europäische Volkswirtschaften befinden sich in der Rezession, Deutschland stellt keine Ausnahme mehr dar, doch wie würde die SPD reagieren, wenn sie im Herbst 2013 selbst die Macht erobern sollte? Könnte sie glaubhaft eine linke Politik vertreten und gleichzeitig das Modell des rheinischen Kapitalismus verteidigen, das allen Verwerfungen zum Trotz immer noch den sozialen Frieden in Europa aufrecht erhält? Werden die sozialdemokratischen Parteien in Frankreich, Deutschland und anderswo in der Lage sein, die radikale Linke im Zaum zu halten, wenn sich die Krise weiter verstetigt? Denn die Linke an der Macht sieht sich in dieser Position immer auch unsausweichlichen strukturellen Zwängen ausgesetzt, die sich auch heute wieder in schwerwiegenden Imageproblemen der regierenden Linken zeigen.
Jenseits des Kontinents
Europa ist ein Teil der Welt, das weiß auch die Linke. Und so sind die sozialdemokratischen Parteien auf globaler Ebene in der Sozialistischen Internationalen zusammengeschlossen. Die SI umfasst als Vollmitglieder 104 Parteien aus 90 Ländern, darunter auch die linken Regierungsparteien in Europa. Am 30. August 2012 wählte der 34. Kongress der SI Georgios Papandreu als einzigen Kandidaten für seine eigene Nachfolge erneut zu ihrem Präsidenten. Jedoch hat der ehemalige griechische Premierminister seine eigene Partei im Ansehen des griechischen Volkes in bislang ungekannte Abgründe geführt: Mit nur 13% ist der PASOK inzwischen nur noch dritte Kraft im griechischen Parlament, hinter der radikalen Linken (Syriza).
Natürlich ist Griechenland ein Fall für sich, da hier zwei dominierende politische Klans über Jahre hinweg die Wiege der Demokratie zum Sinnbild für Nepotismus schlechthin heruntergewirtschaftet haben. Dennoch ist Griechenland hiermit auch kein völliger Einzelfall. Die Völker Europas verlangen aber nach verantwortungsvollen Politikern. Einen höchsten Retter wird es dabei nicht geben, aber wenn die Linke ihr Geschick und ihr politisches Gespür unter Beweis stellt, so kann sie in der derzeitigen Situation zumindest die Früchte der Wählerunterstützung ernten, solange die Früchte eines wiederkehrenden Wachstums noch ausstehen.
Illustrationen: Teaserbild(cc)benmciver/flickr; Im Text (cc) fabien-ecochard/flickr, peerblog (cc)Screenshot
Translated from L'Europe en 2013 : où va la Gauche ?