2007, Odyssee in Europa
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Mit einem Internetportal für Medienkünstler begleitet das Goethe-Institut die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Die virtuelle Reise erzählt von der Suche Europas nach sich selbst.
Wenn das Homer wüsste! Sein fast 3000 Jahre alter Odysseus muss nicht nur als Name für das griechische Restaurant um die Ecke herhalten. Seit neuestem geistert der Held auch noch durch die Weiten des Webs. Als Namenspatron der Internetseite www.goethe.de/odysseus soll Odysseus die „Suche Europas nach sich selbst“ symbolisieren, so die Verantwortlichen des Projekts.
Während der sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands reist Odysseus virtuell durch neue und alte Mitgliedsstaaten. An jeder Station wird ein Kunst-Projekt vorgestellt, das die Goethe-Institute vor Ort auswählen und unterstützen. So will man die Vielfalt der europäischen Kunstszene und die Frage nach der europäischen Identität sichtbar machen.
Verlust der Identität
Bisher stehen zwei Projekte im Netz: In dem Animationsfilm des bulgarischen Medienkünstlers Krassimir Tersiev sieht man bunte 3D-Skizzen, auf denen schöne Menschen vor Swimmingpools und Neubauten posieren. Damit will Tersiev nicht die bulgarische Immobilienbranche konterkarieren. Er will den Verlust der Identität zeigen, der entsteht, wenn die Bauindustrie für alle Menschen an allen Orten ähnliche Lebenskonzepte diktiert. Heimat wird nicht mehr in regionalen Eigenheiten erkannt, sondern gleicht sich überall: luxuriös, exklusiv und geräumig soll das Heim sein.
Das zweite Filmprojekt stammt von den Portugiesen Noëlle Georg und Henrique Neves. Sie haben unscharfes Super-Acht-Filmmaterial von portugiesischen Familienfesten der 70er Jahre mit Interviewsequenzen eines Reisenden vermischt.
Auf seiner dritten Station ist Odysseus nun in Deutschland gelandet, wo der deutsche Medienkünstler Florian Thalhofer sich zusammen mit der Fotografin Juliane Henrich auf die Suche nach den "vergessenen Fahnen" der WM 2006 gemacht hat.
In den kommenden Wochen wird Odysseus in weiteren Ländern Station machen und neue Kunstprojekte kreuzen. Eine mediale Irrfahrt, während auf der politischen Bühne auch unter deutschem EU-Vorsitz die drängenden politischen Fragen nicht umschifft werden können.
Odysseusgleich wird sich nämlich Europa zwischen Skylla und Charybdis, respektive Globalisierung und Nationalismus durchmanövrieren müssen. Die Sirenen auf dem Kontinent, ob in Polen, Holland oder Frankreich singen schon längst ihr altes Lied der Nation.
Deutschlands EU-Vorsitz wird dank dieses Internetportals kreativ begleitet und für europa- und medieninteressierte Internetuser bietet die stimmig gestaltete Seite zwei Sprachversionen (Englisch/ Deutsch), Grafiken und sehenswerte Animationsfilme. Odysseus darf am Ende der Irrfahrt in seine Heimat Ithaka zurückkehren. Ob Europa seine Odyssee ohne Schiffbruch übersteht, ist allerdings ungewiss.