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2 Tage Paris

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Kultur

Am 11. Juli startet Julie Delpys 2 Tage Paris in den französischen Kinos, eine bissige Multikulti-Komödie, in der sowohl die Eltern der Regisseurin, der Amerikaner Adam Goldberg, als auch Daniel Brühl in einer Nebenrolle mitspielen. Filmkritik von beiden Seiten des Rheins.

Chronik einer desillusionierten Generation

Ein Mann, eine Frau, die Straßen von Paris – chabadabada. Weit gefehlt! Die 37-jährige Julie Delpy, die mit 2 Tage Paris ihr Debüt als Regisseurin und Co-Produzentin gibt – 2005 war sie gemeinsam mit Richard Linklater und der Augenweide Ethan Hawke bereits Drehbuchautorin für Before Sunset - verwirft das Konzept der klassischen Kino-Romantik und pulverisiert die abgenutzten Klischees der Leinwandliebeleien. Auch wenn das Ambiente des Place du Tertre am Montmartre, des Quartier Latin oder des Canal Saint-Martin Postkartencharakter hat, weichen die Hauptdarsteller deutlich von diesem Idealbild ab.

Marion, eine französische Fotografin, die in New York lebt, schleppt ihren amerikanischen Freund nach einer missratenen Venedig-Reise mit zu ihrer Familie. Doch weder der Besuch der venezianischen Basilica de San Marco, noch der Pariser Kathedrale Notre-Dame lässt die Flamme der beiden Thirtysomethings wieder aufglühen. Während Jack, dessen Rolle Adam Goldberg wie auf den Leib geschneidert ist, das sexuell zügellose und von Ehekrisen geplagte Wesen von Marions Alt-68er-Eltern entdeckt, trifft Marion an jeder Straßenecke auf verflossene Ex-Lover.

Auf dieser eigentlich banalen Grundlage – ein Pärchen, weit weg von zu Hause, lernt sich in unangenehmen Lebenssituationen näher kennen – gelingt es Julie Delpy in ihrem Film die Grenzen der Selbstironie und Boshaftigkeit auszureizen.

Die Regisseurin zelebriert eine regelrechte Schadenfreude, wenn sie ihre Landsleute negativ karikiert: die Taxifahrer sind rassistisch, dämlich und obendrein sexistisch. Die französischen Intellektuellen werden als talentlose Sexbesessene dargestellt und der Pariser Mittdreißiger ist pervers, depressiv und ohne Moral. Die Regisseurin und Hauptdarstellerin von 2 Tage Paris gesteht, dass die überzogenen Charaktere ihr besondere Freude bereitet haben.

"In Frankreich wurde diese Darstellung allerdings nicht so positiv aufgenommen", bemerkt Julie Delpy. Eine alte Tradition besagt, dass man unsere Fehler nicht kritisiert. „Es ist ja weithin bekannt, dass die Franzosen perfekt und unfehlbar sind!“

Resultat: die Franko-Amerikanerin streut kräftig Salz in die Wunde; und zwar, dort, wo es am meisten weh tut. Sie zeichnet das Porträt einer Nation, die - selbst auf dem letzten Loch pfeifend - selbstherrlich, oberflächlich und provinziell erscheint, und die ihre Bissigkeit und Fähigkeit zur Revolte verloren hat. Dieser Eindruck wird durch die Inszenierung der Charaktere, die dem Film einen Hauch von Nouvelle Vague verleihen, noch verstärkt. Delpy selbst drehte 1984 mit Jean-Luc Godard, einem der bekanntesten Regisseure dieses Genres. Die Willenlosigkeit von Marions Freunden während einer Party steht im scharfen Kontrast zur puritanischen Geradlinigkeit von Jack, der in einen wahrhaftigen Taumel verfällt.

Alles halb so schlimm. Julie Delpy meistert die humoristischen Elemente mit Bravour. Ihre Dialoge erinnern an die Tradition der Stand-up-Comedy: „Ich denke, ein Blow-Job ist eine wichtige Sache. Letztendlich hat ein Blow-Job den USA die letzte Chance vermasselt, eine Demokratie zu bleiben“. Das diabolisch anmutende Ende des Films ist sowohl zynisch als auch melancholisch: Können wir in den Dreißigern noch rebellieren, wie in unserer Jugend? Unter dem Deckmantel einer leichten Komödie hinterfragt 2 Tage Paris auf scharfsinnige Weise die politischen Grundsätze einer Generation, auf der Suche nach ihrem Ideal.

(Autor: Nathalie Six; Übersetzung: Nadine Gebauer)

2 Tage Paris

Paris ist die Stadt der Liebe. Das wissen auch Marion (Julie Delpy) und Jack (Adam Goldberg), seit zwei Jahren in einer durchaus glücklichen Beziehung. Es besteht also eigentlich kein Grund zur Sorge, als sie auf ihrer Europareise bei Marions Eltern in Paris (gespielt von Julie Delpys Eltern) einen zweitägigen Zwischenstopp einlegen. Doch in diesen zwei Tagen schlittern die Beiden in eine handfeste Beziehungskrise, in der ihnen nicht nur ihre Unterschiede als Französin und Amerikaner zu schaffen machen.

Julie Delpy, dem breiten Publikum wohl am ehesten aus Before Sunrise und Before Sunset bekannt, hat 2 Tage Paris fast im Alleingang fertiggestellt. Zum ersten Mal hat sie selbst Regie geführt und gleich auch das Drehbuch selbst geschrieben. Schnitt und Soundtrack verantwortet sie ebenfalls selbst. Auf der diesjährigen Berlinale wurde der Film zum Publikumsmagneten.

Eineinhalb Stunden lang folgt die wackelige Kamera dem unaufhaltsamen Weg des Multikulti-Pärchens in die Krise. Julie Delpy reduziert die beiden Protagonisten nicht auf ihre kulturellen Unterschiede. Hier geht es um einiges mehr. Sie: kommt aus einer Familie von liberalen 68ern. Er: ist ein bisschen verklemmt. Sie: sucht trotz Beziehung immer noch Bestätigung. Er: hält sich für vernünftig und erwachsen. Die Charaktere sind zu vielschichtig, als dass es leicht fiele, sich uneingeschränkt mit einem der Beiden zu identifizeren. Sympathie und Unverständnis liefern sich einen regelrechten Schlagabtausch. Und wer es noch nicht wusste, lernt spätestens jetzt: das Leben ist für Schwarz-Weiß-Malerei viel zu kompliziert.

Trotz der Beziehungsprobleme bleibt zwischendurch noch viel Zeit, französische Klischees abzufeiern. Julie Delpy hat dabei wenig Respekt vor dem Ansehen ihrer Landsleute. Für einen Großteil der amüsanten Szenen sorgen Auswürfe, wie die eines jungen Künstlers. Eifrig kopiert er die Werke seines künstlerischen Vorbilds - "nur mit viel mehr Sex." Überhaupt scheint es in Frankreich zu jeder Gelegenheit um 'eindeutige' Themen zu gehen. Beim Essen oder auf Partys werden zwanglos und ausführlich horizontale Vorlieben und Abneigungen diskutiert. Es ist eine regelrechte Schadenfreude zu sehen, wie das Franzosenbild des Amerikaners Jack mit jeder Begegnung weiter in sich zusammenfällt.

Julie Delpy hat gewissermaßen den ersten französischen 'Woody-Allen' gedreht. Auch in Paris scheinen alle irgendwie neurotisch - der New Yorker sowieso. Alles ist ein bisschen schneller, ein bisschen kaputter und sogar zeitweilig ein bisschen barbarischer – wie sonst eher auf der anderen Seite des Antlantiks vermutet. Zusammen eine vielschichtige Mischung aus 'culture clash', Liebesfilm und Komödie - sehenswert!

(Autor: Karsten Marhold)