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„Es lohnt sich immer“

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Story by

Lisa Crinon

Berlin

Das 33. Torino Film Festival ist nicht nur eine Gelegenheit, unzählige neue und alte Filmen zu entdecken – sondern auch eine, um ein bisschen mehr über seine Besucher zu lernen. Dafür bieten sich die diversen Schlangen vor den Vorführungen hervorragend an. Im Rahmen unseres Festivalbesuchs begegnen uns die verschiedensten Menschen, von denen wir hier nur allzu gern berichten.

Als Eröffnungsfilm ist „Suffragette“ (2015, UK) eines der Highlights des Festivals. Entsprechend lang und zappelig ist die Schlange bei der Nachmittagsvorstellung im Kino Reposi. Als Bauwerk der fünfziger Jahre sticht das Kino zwischen den historischen Plätzen, Galerien und weiteren monumentalen Gebäuden Turins hervor. Wir sind eine Stunde vor Beginn der Vorstellung da und landen trotzdem im hinteren Teil der Schlange. Vor uns schaut sich ein kleiner Trupp Damen immer wieder nach neuen Informationen um – und somit nach einer Möglichkeit, seine Plätze im Saal zu sichern. In einem Moment, wo alle still stehen, kommen wir ins Gespräch.

Stammkundinnen

Die Damen kommen jedes Jahr her, seit 15 Jahren. Alessandra und ihre Freundinnen Veronica und Monica nehmen sich sogar teilweise Urlaub, um das Torino Film Festival mitzuerleben, und sei es nur für einen Tag. „Es lohnt sich immer“, beteuert die Turinerin. Deswegen hat sie auch in ein Abo investiert: 80 Euro kostet der Pass für die Woche, 12 Euro für einen Tag. Ein Einzelticket für einen Film liegt bei 7 Euro. Alessandra und ihre Clique haben einmal bis zu 30 Filme pro Woche, also ungefähr fünf Filme pro Tag, geschafft. Heute, mit Mitte Vierzig, halten sie sich für zu alt dafür.

Das Beste kommt zum Schluss

Ein paar Sachen haben sich auch verändert, seitdem die Turiner Freundinnen ihr „Hausfestival“ besuchen. Das Blue-Ticket-System, welches es ermöglicht, Tickets im Voraus zu bestellen und zu bezahlen, wurde eingeführt. Dies gilt allerdings nur für einen Teil der Tickets, etwas weniger als die Hälfte. Für den Rest ist keine Vorbestellung möglich. Also stellen sich Alessandra, Veronica, Monica und die Anderen weiter in die Schlange, warten ab und „hoffen auf das Beste“. Das Beste, das wäre in den Saal hineinzukommen. Denn bei Projektionen ohne Blue-Ticket-System sieht die Hälfte der Besucher statt des Films nur das Plakat vor dem Saal. Manche glücklichen Festivalgänger sollen angeblich nach erfolgreichem einmaligem Eintritt sogar im Saal bleiben, für die weiteren Vorführungen. „Anders ist es nicht möglich“, erklärt Alessandra, „mit einem Blue-Ticket ist man sich zumindest sicher, dass man hereinkommen wird“.

Tips & Tricks

Vor der Einführung des Blue-Ticket-Systems gehörte das Schlangestehen und lange Abwarten zum unabdingbaren Teil des Festivals. Die Schlange wurde so auch zur Plattform für den Austausch von Filmtipps. „Vieles funktioniert durch Mundpropaganda. So erfahren wir im Laufe des Festivals, welche Filme gut ankommen und besonders sehenswert sind“, verrät uns die kleine Clique. Doch so sehr die Kundschaft sich über die neu eingeführte Ordnung im Schlangendschungel freut, so sehr vermissen die Stammbesucherinnen ein paar Extras, die es noch vor sechs Jahren gab. Zum Beispiel das Magazin mit Rezensionen über die vorgeführten Filme sowie den Shuttle Bus, der die Besucher von einem Kino zum anderen gebracht hat. Alessandra, Veronica und Monica erinnern sich. Und gackern fröhlich weiter über die alten Zeiten. 

„Keine Stars, kein Geld“

Warum Magazin und Shuttle Bus ausgestellt wurden? „Keine Stars, kein Geld“, lautet die Antwort von den drei Frauen, die dann in lautes Gelächter ausbrechen. Die familiäre, legere und unaufgeregte Stimmung des Festivals ist den Turinern ganz recht. „Wir mögen keinen roten Teppich“, rufen Alessandra und ihre Freundinnen einstimmig.

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