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Wiener Start-Ups im Portrait: fragnebenan.at

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Ines Fernau

Vienna

Frag­Nebe­nan soll das Wohn­haus und die Nach­barschaft virtuell wieder­spiegeln. Daten­schutz und Recht auf Vergessen inklusive.

In Großstädten ist man es gewohnt, dass man mit den Leuten aus dem Wohnhaus und vor allem aus der Nachbarschaft  wenig bis nichts zu tun hat. Im Stiegenhaus begrüßt man sich, aber auf der Straße erkennt man sich oft schon gar nicht mehr. Genau so ein Erlebnis hat Stefan Theißbacher zum Nachdenken gebracht und FragNebenan war geboren.

FragNeben soll das Wohnhaus und die Nachbarschaft virtuell wiederspiegeln. Datenschutz und Recht auf Vergessen inklusive.

Es scheint ja eigentlich so, dass die Leute kein Interesse nach mehr Kontakt in der Nachbarschaft haben, wieso sollte sich das über die Plattform ändern?

Es geht ja nicht darum, dass alle beste Freunde werden, sondern ein bisschen aus ihrer Anonymität rauskommen, ansprechbar werden, einen Namen bekommen. FragNebenan soll es einfacher machen, auf die anderen zu zu gehen, wenn es etwas zu besprechen gibt oder wenn man Hilfe braucht.

Dazu kommt aber, dass die Leute dann eine weitere Hürde, sich anmelden, verifizieren  etc.überwinden müssen wenn sie sich bei der Plattform anmelden wollen

Diese Hürde  ist notwendig, um die Sicherheit auf der Plattform zu gewährleisten und zu garantieren, dass sich auf FragNebenan nur Leute austauschen, die tatsächlich in der Nachbarschaft wohnen.

Wie kommt der Fokus auf Datenschutz zur Geltung?

Wir achten auf Datensparsamkeit und wollen, so wenig Daten wie möglich von den Nutzern abfragen. Wir versuchen, die Privacyeinstellungen sehr übersichtlich und transparent zu gestalten. Zudem gilt bei uns das Recht auf Vergessen. Postings bleiben nicht für alle Ewigkeit online, sondern werden nach einem Jahr gelöscht. Außer die Nutzer entscheiden sich bewusst, das Posting zu archivieren.

Am 30.5. seid ihr mit der Plattform im 7. Bezirk an den Start gegangen, wie war die Entwicklung in den ersten Tagen?

Wir sind extrem zufrieden mit dem Start. Wir haben uns sechs Leute aus dem Bekanntenkreis gesucht die im 7. Bezirk wohnen und haben FragNebenan in ihren Häusern gestartet. Ohne aktives Marketing wird unsere Plattform nach rund vier Wochen jetzt schon in mehr als 30 Häusern genutzt.

Euer Team kommt ja nicht frisch von der Uni, hattet ihr im Bereich Unternehmensgründung schon Erfahrung?

Nicht wirklich. Ich habe Ibwl und Publizistik studiert, war beim Monatsmagazin Datum im kaufmänischen Bereich und zuletzt bei bazar.at im Produktmanagement und Online Marketing. Diese Berufserfahrung ist sehr hilfreich, trotzdem bringt der Aufbau eines eigenen Unternehmens jede Menge neue Herausforderungen mit sich.

Ihr seid ein 4-köpfiges Team, wie habt ihr euch gefunden?

Ganz unterschiedlich. Andreas Förster, unseren Designer, habe ich über einen Bekannten kennengelernt, Matthias Müller, unseren Programmierer, über das Impact Hub Vienna. Weil wir auch engen Kontakt zu Nachbarschaftsorganisationen aufbauen und halten wollen, haben wir auch meinen ehemaligen Mitbewohner, Valentin Schmiedleitner, dazu geholt. Er bringt Erfahrung im NGO Bereich ein.

Arbeitet ihr gerade Haupt- oder Nebenberuflich an FragNebenan?

Meine Teammitglieder bringen aktuell zweimal 20 Stunden und einmal 10 Stunden pro Woche mit ein. Ich arbeite Vollzeit.

War die Entscheidung nicht schwer, dass Projekt Vollzeit zu machen, vor allem aus der finanziellen Perspektive?

Meinen damaligen Job hatte ich beendet, weil ich mich beruflich verändern und vorher eine längere Reise machen wollte. Danach wollte ich mich eigentlich auf die Suche nach einem neuen Job machen – die Idee zu FragNebenan ist mir aber dazwischengekommen. Nachdem ich weder eine Familie zu ernähren noch anderweitige finanzielle Verpflichtungen hatte, habe ich mich entschlossen, es einfach zu riskieren und im schlimmsten Fall eine extrem wertvolle Erfahrung zu machen.

Wie wird die sonstige Unterstützung bei Unternehmensgründung von euch wahrgenommen? Fehlt euch etwas? Was findet ihr besonders hilfreich?

Ich hab das Gefühl, dass es sehr viel Unterstützung gibt. Vom Impact HUB Vienna, von der Wirtschaftskammer und von Mingo der Stadt Wien, die Gratis-Coaching Coach zur Verfügung stellen.  Vor allem das Hub hat uns sehr geholfen. Wir haben dort ein  Social Impact Start-Stipendium gewonnen und einen kostenlosen Arbeitsplatz, Coaching und einen Mentor bekommen – vor allem den damit verbundenen Blick von außen habe ich extrem zu schätzen gelernt.

Habt ihr Förderungen beantragt?

Mingo und das Hub-Stipendium waren ja schon kleinere Förderungen, zudem haben wir gerade die Förderung impulse XS vom AWS zugesagt bekommen. Das Startkapital haben wir aus eigenen Mitteln aufgebracht, weil wir die Umsetzung unserer Idee nicht vom Erfolg eines Förderansuchens abhängig machen wollten. Ein Förderansuchen ist zwar mit viel Aufwand verbunden, es zahlt sich aber aus, es zu probieren. Auch weil es einen dazu zwingt, die eigene Idee auf den Punkt zu bringen.

Was sind eure nächsten Ziele?

Wir haben uns ein paar Ziele gesteckt. Wir wollen zum Beispiel je Haus zehn Nachbarn, und je Nachbarschaft 100 Personen vernetzen. Bis zum Jahresende wollen wir 5.000 Nutzer haben und so beweisen, dass unser Konzept funktioniert.

Jetzt gilt es aber erst einmal, sich auf den 7.Bezirk zu konzentrieren. Dort zu wachsen und zu lernen, wie wir die Community aufbauen und wie unsere Plattform tatsächlich genutzt wird. Zudem testen wir jetzt, welche der erarbeiteten Marketingmaßnahmen am besten funktioniert. Mit dem jetzt gesammelten Wissen wollen wir spätestens in zwei Monaten in weiteren Bezirken starten.

Welche Tips hast du an zukünftige Unternehmensgründer?

Ganz wichtig ist es keine Scheu zu haben, über die eigene Idee zu reden. So bekommt man jede Menge Feedback und bei mir haben sich auch erste wichtige Kontakte ergeben. Wichtig ist es wohl auch, Kritik richtig einzuordnen und sich von negativem Feedback nicht gleich entmutigen zu lassen. Irgendwann muss man sich aber einfach trauen, mit der Umsetzung zu beginnen. Dann bekommt das Ganze schnell eine Eigendynamik. Sehr hat mir dabei geholfen, dass ich schon nach kurzer Zeit das erste Teammitglied gefunden habe. So konnte ich mich regelmäßig mit  jemanden austauschen, der auch an das Projekt glaubt – und musste dafür nicht mehr ständig Treffen mit meinen Freunden „missbrauchen“.

Hast du eine besonders skurrile Nachbarschaftsgeschichte auf Lager?

Eine skurrile leider nicht, aber eine nette: Ich habe vor FragNebenan niemanden aus meinem Haus gekannt und meine Nachbarn erst im Zuge des Projekts kennengelernt. Nach dem Launch habe ich meine Teamkollegen zum Abendessen bei mir eingeladen, um auf den Start der Plattform anzustoßen. Als ich zu kochen begann habe ich bemerkt, dass ich keine Kartoffeln mehr hatte. Der Supermarkt hatte schon geschlossen. Mein Nachbar nicht.

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