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Wie es ist, junger Journalist in Montenegro zu sein

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Gesellschaft

Ich möchte ein Praktikum bei einer Modezeitschrift machen. Ich möchte, dass die Mordanschläge auf Montenegros Journalisten aufhören. Ich möchte die Menschen wachrütteln, um ihnen die Freiheiten aufzuzeigen, die sie haben. Drei Mittzwanziger aus Montenegros Hauptstadt Podgorica erklären, warum sie sich in der manchmal recht trostlosen Balkanwelt für den Journalismus entschieden haben.

Marko Vesovic, 25 Jahre, Journalist bei der Dan, einer oppositionellen Zeitung in Montenegro

„Von Wohlbefinden kann hier in Montenegro nicht die Rede sein. Denn die Freiheiten der Medien sind äußerst eingeschränkt. Das Problem des Journalismus in Montenegro ist eng verbunden mit dem Integrationsprozess der EU. Das ist auch gut so, weil der Druck aus Brüssel wichtige Veränderungen auslösen könnte. Veränderungen sind sowohl im Bereich der Gesetzgebung als auch im Umdenken der öffentlichen Amtsinhaber nötig. Nur so können zukünftig sichere Arbeitsbedingungen für die Journalisten in Montenegro gewährleistet werden. Alle Fälle von Bedrohungen und Gewaltübergriffen sowie Ermordungen von Journalisten müssen sorgfältig, schnell und entgegenkommend untersucht werden. Die Ergebnisse dürfen der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden. In den letzten Jahren war in Montenegro eine besorgniserregende Serie von Gewalttaten gegenüber Journalisten zu beobachten. Einige besonders schlimme Fälle sind immer noch nicht gelöst. Ein Verbrechen an einem Journalisten ist kein „normales“ Verbrechen, sondern ein Schlag gegen die Fundamente einer demokratischen Gesellschaft. Dusko Jovanovic zum Beispiel, Chefredakteur der montenegrinischen Tageszeitung Dan, wurde 2004 aus einem fahrenden Auto erschossen. Seine Ermordung wurde immer noch nicht vollständig aufgeklärt. So etwas kann in einem Mitgliedstaat der EU nicht passieren, da bin ich mir sicher. Doch in Montenegro leider schon.“

Link zum Weiterlesen: Journalist in Montenegro sein: Punchingball, Missionare und Juckpulver

Jovana Zivkovic, 20 Jahre, Journalismus-Studentin

„In Montenegro Journalismus zu studieren ist nicht gerade die einfachste Sache der Welt. Wir haben wirklich gute Ihr Ziel: Modejournalistin werden (also quasi Mission impossible in Montenegro) Professoren, aber es gibt auch Hürden wie z.B. fehlende Praxis in Kooperation mit unserer Fakultät. Außerdem sieht man meistens schlechte Journalismus-Beispiele in den Medien um uns herum. Ich möchte Modejournalistin werden. Aber wie soll das gehen in einem Land mit gerade mal zwei Modereportern, wenig Platz dafür in den Medien und ohne eine Modeindustrie, die man der Öffentlichkeit präsentieren könnte? Fernseh-Shows über Fashion-Events, Stars und Trends werden meistens von ausländischen Fernsehkanälen ausgewählt und gekauft. Wenn Montenegro irgendwo in einem Programm auftaucht, dann ist es, um ab und zu „mit dabei zu sein“ oder um Werbung für den einen oder anderen Laden zu machen.

Was Modemagazine betrifft braucht man sich nichts vorzumachen. Vor fünf Jahren sind wir von Serbien unabhängig geworden. Dennoch werden die meisten Modemagazine, die wir lesen, in Serbien oder einem anderen Nachbarland der Region veröffentlicht. Unser Markt ist ziemlich klein für große Verlage, deshalb bleibt die Idee von unserem eigenen Modemagazin wohl ein Wunsch. Magazine wie Elle, Grazia oder Vogue werden in Serbien oder Kroatien veröffentlicht, aber nicht in Montenegro. Da kann es hier nur eine Illusion sein, ein Praktikum bei einem Modemagazin zu machen. Man braucht mehr als einen starken Willen, um ein Modemagazin herauszugeben: viel Kapital und gut ausgebildete Journalisten sowie Modemarken im Land. Einige unserer Designer machen ihre Kollektionen nicht saisonbedingt, sondern in unregelmäßigen Abständen, je nach der wirtschaftlichen Lage. Die Fashion Week von Kotor findet jedes Jahr im Juli statt und zeigt weltbekannte Marken und Designer. Aber es gibt weitere Agenturen, die jedes Jahr Modeschauen und kleinere Fashion Weeks mit Fokus auf den einheimischen und regionalen Designmarkt organisieren. Da man jedes Jahr einen Fortschritt sehen kann, zweifele ich nicht daran, dass dasselbe nicht auch mit der Mode in den Medien und in unseren Leben passieren wird. Neue Generationen von Journalismus-Studenten wie ich müssen erkennen, dass wir in geraumer Zeit das ELLE-Magazin in montenegrinisch lesen und Mode als ein Lebensgefühl bewerben werden.“

Radosh Mushovic, 20, Journalismus-Student

"Wegen der Menschenrechte"„Als mich mein Professor fragte, warum ich mich für ein Journalismus-Studium anstelle von Jura oder Wirtschaft entschieden hätte, antwortete ich ihm, dass Journalismus eine Mischung aus Literatur und Politik wäre. Einen der wichtigsten Gründe verschwieg ich jedoch, und zwar den Hauptgrund, warum die Mehrheit der Klasse Journalismus gewählt hatte: nämlich den Kampf für Menschenrechte. Journalismus ist in der ganzen Welt der wichtigste Beschützer von Freiheit und Demokratie. Es ist ein Klischee, vor dem wir nicht davonlaufen können. Aber in einem ehemals kommunistischen Land zu leben, das sich gerade im Wandel zu einer der jüngsten Demokratien der Welt befindet, hat die Menschen ihr Bedürfnis nach persönlichen Freiheiten vergessen und unterdrücken lassen. Indem sie damit leben, zu sagen 'Es ist schön jetzt, wenn man zurückdenkt, wie wir in der Vergangenheit gelebt haben', geben sich die Menschen in den Balkanländern mit den Krumen der Freiheiten zufrieden, die ihnen von den politischen Parteien dargeboten werden. Die Arbeit eines jeden Journalisten in diesem Teil von Europa ist es, die Menschen auf ihr Erwachen vorzubereiten. Leider gibt es eine Herrschaft des Volkes schon lange nicht mehr in den Balkanländern. Sie wurde ersetzt durch eine Herrschaft starker Individuen. Wir haben noch viel Arbeit vor uns.

Die Theorien darüber, dass sich die Menschen auf dem Balkan gegenseitig bekämpfen und dass sich der Machtkampf zwischen den Ländern, der schon im Kommunismus begann, nun auch in „demokratischen“ Zeiten bis hin zu einem EU-Beitritt fortsetze, werden durch Bilder der Kooperation junger Menschen aus Kroatien, Bosnien, Serbien, Montenegro und sogar Albanien zerschlagen. Der Hass, der durch Ideen von einem Großserbischen Reich oder einem Großalbanien geschürt wurde, sollte zusammen mit den Menschen, die diese gestörten nationalistischen Ideen unterstützt haben, verschwinden. Nie wieder sollen sich Szenen wie bei der Gay Pride Parade 2010 in Belgrad wiederholen. Tausende junge Leute, die Nazi-Symbole tragen und faschistische Parolen schreien in einem Land, das so stolz auf seine anti-faschistische Geschichte ist, das ist einfach inakzeptabel.

Ich habe Journalismus gewählt in einem Land, das sich auf dem 105. Platz des Press Freedom Index der Organisation Reporter ohne Grenzen befindet, neben Angola und Niger. Montenegro ist ein Land, in dem die Gerichte Zeitungen bestrafen und ihnen Geldstrafen von tausenden Euro verhängen, nur weil die Artikel sich gegen politische Hauptakteure im Land richten. Ich habe Journalismus gewählt, weil sich die Menschen durch meine Arbeit eines Tages an meine Generation erinnern und wissen werden, dass wir diesem kleinen Land zu wirklicher Freiheit verholfen haben und dass wir das Bild von den unzivilisierten und wilden Balkanvölkern aus den Köpfen der Menschen vertrieben haben. Versteht mich nicht falsch: Wir sind wild, aber auf eine gute Art.

Dieser Artikel ist Teil unseres Balkan-Reportageprojekts 2010-2011 Orient Express Reporter!

Foto : (cc)zandwacht/flickr

Translated from Vox-pop: Being a young journalist in Montenegro