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Wer regiert wirklich noch in unseren Parlamenten?

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Sevilla

Die gewählten Vertreter haben immer weniger zu sagen in den Parlamenten“. Mit diesen Worten erklärte Francisco Sánchez, nationaler Präsident der Facua (Consumidores en acción) gestern einige Gründe für die Proteste, zu denen in den 57 spanischen Provinzhauptstädten mehr als 150 Organisationen aller Art auf die Straße gingen, vereint durch die Platform Cumbre Social (http://www.cumbresocial.org/).

Plakate und Parolen gegen die Kürzungen im Gesundheits- und Bildungswesen, gegen die Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst oder gegen den allgemeinen Staatshaushalt für 2013 waren die Ausdrucksmittel einer überwältigenden Unzufriedenheit der spanischen Bürger.

Die Hellenisierung Spaniens

Beamte, Gewerkschaften, Freiberufler, staatliche Sicherheitsbeamte und einfache Bürger zeigten ihren Missmut gestern in ganz Spanien. Rosendo Martínez, Vertreter der CSI-F (Central Sindical Independiente y de Funcionarios), führte die Demonstration in Sevilla an. Er appellierte an die Verantwortlichkeit der Politiker, sich dessen bewusst zu sein, was gewisse Kürzungen bedeuteten. „Die krankheitsbedingte Ersetzung eines Beamten ist z.B. entscheidend dafür, dass der entsprechende Dienst, sowohl im Gesundheitswesen als auch in der Bildung dennoch aufrechterhalten werden kann.“ „Wir haben versucht mit ihnen zu sprechen, zu verhandeln, doch nichts davon wurde in Kraft gesetzt, deswegen sind wir hier“, sagte Martínez.

pancarta3.jpg Cafebabel Sevilla wagt es noch nicht eine genaue Zahl der Demonstrierenden vom 7.Oktober zu nennen, da sich die offiziellen Zahlen stark von denen der Organisatoren unterscheiden. Das, was wir jedoch bestätigen können, ist, dass laut der CIS (Central Sindical Independiente) jeder dritte Wähler der PP (Partido Popular, konservative Volkspartei Spaniens) seine Wahl bereue und den Rücktritt Rajoys fordere.

Doch regiert tatsächlich Rajoy das Land? Regiert Merkel selbst in Deutschland? Obama in den USA? Es scheint als beugten wir uns den Richtlinien der großen Märkte, von denen wir dachten, sie würden uns nicht beherrschen, doch sie tun es. Unsere mediterranen Nachbarn prophezeiten uns aufgrund eigener Erfahrungen einen wirtschaftlichen Zusammenbruch, immer schlimmere Verschuldungen von Familien, Widerstandslosigkeit gegenüber der Troika, galoppierenden Kaufkraftverlust und eine unvergleichbare wirtschaftliche Rezession.

Wahlbetrug

Francisco Sánchez, nationaler Präsident der Facua, bezeichnet Rajoys Programm als „Wahlbetrug“: „Er führt Maßnahmen durch, von denen er versprach sie nicht einzuleiten“, fügt er hinzu. Darum stellt sich die Frage, warum irreführende Werbung von Unternehmen durch das Gesetz bestraft wird, unerfüllte Wahlversprechen dagegen nicht. Francisco Sánchez schlägt vor, dass das Parlament entsprechende Gesetze verabschiedet, die diejenigen Parteien bestrafen sollen, die „betrügen“. „Die Stimmabgabe gleicht einem Gesellschaftsvertrag, der unterzeichnet wurde, damit Bürger ihren Repräsentanten wählen können. Wenn dieser sein Versprechen bricht, muss es sofortige Konsequenzen geben, ohne dass vier Jahre Legislaturperiode abgewartet werden müssen, gehöre er der linken oder der rechten Partei an.“

pancarta2.jpg Die Erschütterung der DRY (Democracia real ya!) war ohne Zweifel sowohl national als auch international ein Denkanstoß für die Jugendlichen. Auch wenn ihre Grundsätze noch nicht eindeutig definiert sind, stellen sich mittlerweile auch Bürger zwischen 18 und 35 Jahren Fragen zur Sicherheit der Rente, zur Notwendigkeit eines gemeingültigen Gesundheitswesens oder zu kostenloser Bildung, Bedenken, die die jüngeren Generationen vorher nicht zu beschäftigen schienen. Obwohl unser Magazin keinen Vertreter der genannten Platform ausfindig machen konnte, kann man dennoch feststellen, dass @democraciareal viele Jugendliche durch Aufrufe in sozialen Netzwerken mobilisiert hatte.

Die Gewerkschaften der Mehrheit

In allen spanischen Städten wurde die Mehrheit der Demonstranten als Gewerkschaftler der UGT (Unión General de Trabajadores) und der CCOO (Confederación sindical de comisiones obreras) geschätzt, die zwei wichtigsten Arbeitervereinigungen des Landes. Dennoch möchten wir von Cafebabel.com Sevilla betonen, dass sie, wenn auch die Zahlreichsten, nicht die Bedeutungsreichsten waren. Die Forderungen waren sehr gemeinschaftlich und respektvoll. Es gab nur einen Zwischenfall in Sevilla, denn die UGT und die CCOO legten Veto gegen Spruchbände des CSI-F ein. Die Transparente letzterer erwähnten Rajoy kaum und erstere geben ihm für alles die Schuld. Sind die

Gewerkschaften tatsächlich unabhängig? Lasst es uns der politischen Kaste nicht gleichtun, indem wir uns gegenseitig überflüssigerweise kritisieren.

Clara Fajardo

Translator: Elisabeth Lorenz