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Wahlheimat Paris: Britische Autorinnen zum Schreiben in der Fremde

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Barbara Canton

Kultur

Vivienne Vermes arbeitet an einer Autobiografie, während Denise Larking Coste in Kürze eine Erzählung auf Französisch veröffentlicht. Die beiden britischen Schriftstellerinnen sind Mitglieder einer Gruppe von Autoren, die sich „Babel“ nennt. Wir haben mit ihnen über das Leben in Paris, das Schreiben und Rumänien gesprochen.

Sie leben beide seit mindestens 30 Jahren in Paris. Ist das französischsprachige Umfeld für fremdsprachige Autoren offen?

VV: Ich lebe in Paris, seit ich 1977 für ein verlängertes Wochenende hierhin kam. Da war ich gerade 19! Ich schlief damals bei Shakespeare & Company, dem legendären Buchladen am Seine-Ufer, auf der Couch ein und verpasste meinen Nachtzug mit Fähre zurück nach London. Schließlich verbrachte ich den ganzen Sommer in Paris. Ich schlief in einem winzigen verlausten Bett im ersten Stock, durchschwamm für eine Wette die Seine und kam zu der fragwürdigen Ehre, als „Buchhandel-Historiker“ zu wirken, wodurch ich Autoren wie Ferlinghetti, Allen Ginsberg, Ted Joans und James Baldwin traf und interviewte. Ich wollte nie mehr in das damals graue Großbritannien am Vorabend der Thatcher-Ära zurück. Ich war früher sehr integriert: Ich hatte einen französischen Partner, arbeitete für einen französischen Verlag, hatte hauptsächlich französische Freunde. Heute orientiere ich mich wieder viel stärker an der britischen Kultur. Ich fahre mindestens ein Mal im Monat nach London zurück und freue mich unglaublich über die Buchläden, die Zeitungen, sogar das Fernsehen. In Paris ist es viel einfacher abzuschalten und die Tage in meinem eigenen kreativen Universum zu verbringen.

DLC: Wenn man auf Englisch schreibt, muss man seine Bücher an einen angelsächsischen Verleger schicken, um veröffentlicht zu werden. Es sei denn, man schreibt in zwei Sprachen. Samuel Beckett fand in Frankreich einen Markt, weil er sowohl auf Englisch als auch auf Französisch schrieb. Aber der französische Markt ist für Übersetzungen und ausländische Schriftsteller sehr offen, vor allem für englische und amerikanische Autoren. Während der britische Markt für französische Schriftsteller nicht sehr offen ist. Nur wenige werden übersetzt.

Sie waren beide vor kurzem in Rumänien: Wie war es, mit den Studenten dort zu arbeiten?

VV: Ich habe drei Mal in Sibiu kreatives Schreiben unterrichtet, und in Brasov Theaterimprovisation. Die Studenten sind der Hauptgrund, warum ich immer wieder dorthin fahre. Sie haben hervorragende Sprachkenntnisse und ein unheimlich spontanes Vorstellungsvermögen. Was sie schreiben, sprüht oft vor Originalität und ist überraschend ehrlich. Es herrscht ein so erfrischender Eifer, mit dem ich mich mit Freuden umgebe und hoffe, dass etwas davon auf mich abfärbt - was es auch tut.

DLC: Ich war von ihren ausgezeichneten englischen Sprachkenntnissen - sowohl schriftlich als auch mündlich - beeindruckt.

Was denken sie über Rumänien? Das Land ist ja nun seit drei Jahren Mitglied der EU.

VV: Die Rumänen, mit denen ich in Sibiu gesprochen habe, waren zu intelligent, um auf den Traum von der idyllischen und wohlhabenden Zukunft, die im Westen auf sie warte, hereinzufallen. Jetzt in der Krise, wo Arbeitsplätze knapp werden und das Leben im Westen schwieriger wird, fürchtet man, dass sich ein Hass auf Menschen anderer Nationalitäten, die aus dem Ausland kommen und den Menschen im Westen die Arbeitsplätze „wegnehmen“, entwickelt und rassistische Tendenzen zunehmen. Als Kind ungarischer und irischer Eltern, das in England aufgewachsen ist und in Frankreich lebt, bin ich natürlich für jegliche Form von Multikulturalismus. Wie man im Französischen sagt: 'une belle salade'!

DLC: Dass das Land zur Europäischen Union gehört, wird Rumänien beim Übergang, in dem es sich noch immer befindet, vom alten zum neuen Regime helfen. Es muss sich an die wirtschaftlichen und politischen Regeln und Normen halten, die es ermöglichen, Teil der EU zu sein. Dazu gehört auch Transparenz.

Was glauben sie werden sie bei zukünftigen Besuchen in Rumänien sehen und erleben?

VV: Ich habe die leichte Befürchtung, dass die Frische, die ich bei den Studenten erlebt habe, durch eine westliche Einstellung zu Bildung ersetzt werden wird, nach der Studenten viel gleichgültiger sind. Das hängt auch mit Gemeinschaft, Traditionen und Familie zusammen, die in England und zum Teil in Frankreich stark an Bedeutung verloren haben. Was sich hoffentlich nicht verändern wird, sind die wunderschönen Dörfer und Häuser in den Maramuresch.

DLC: Ich würde die Entwicklung des Landes in den letzten 20 Jahren gerne eingehender diskutieren können und eine Nacht im Hotel Ingilterra in Biertan verbringen. Es war sehr interessant, die Dörfer, durch die wir gelaufen sind, zu sehen; auf der einen Seite die hübsch gestrichenen Häuser und auf der anderen die Armut.

Haben sie einen guten Rat für angehende Schriftsteller?

VV: Setzt euch über die gemeinen Feinde hinweg, die sagen: „nicht gut genug“, „habe einfach keine Zeit“, „ich finde nie einen Verlag“. Stellt euch einen großen Schrank vor, sperrt all die negativen Stimmen darin ein und schreibt. Wenn man mal darüber nachdenkt, ist das doch ein magischer Prozess - ein Stift, ein Blatt Papier. Mit leichterem Gepäck kann man wirklich nicht reisen.

DLC: Schreibt jeden Tag ein bisschen. Zögert nicht, wenn ihr keine konkrete Idee habt. Denkt nicht lange nach; schreibt einfach, was euch gerade durch den Kopf geht. Ihr werdet überrascht sein, wie sich ein kleines Bild, eine kleine Idee plötzlich verselbstständigt. Und wenn nicht, macht das auch nichts. Jedes Wort hat seinen eigenen Wert und wird seinen Platz finden, irgendwann. Und lesen, lesen, lesen!

Literaturtipps für das Jahr 2010

VV: Moonlight in Odessa von Janet Skeslien. John Hoares Leviathan, Samuel Johnson- Preisträger 2009 in der Kategorie Sachliteratur. Ich warte auf ein neues Buch von Anne Michaels (Fugitive Pieces). Wenn Ian McEwan noch einmal etwas so tolles schreibt wie Am Strand, werde ich dafür Schlange stehen.

DLC: Brooklyn von Colm Toibin, Wolf Hall von Hilary Mantel, Too Much Happiness von Alice Munro (Kurzgeschichten), One D.O.A. and One on the Way von Mary Robinson und Summertime von JM Coetzee.

Story by

Translated from British authors in Paris on writing and Romania