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Vorzeigeimam unter falschem Verdacht

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Islam in Europa

Benjamin Idriz gilt als Verfechter eines europäischen Reformislams. In München möchte der Imam ein Zentrum für Islam in Europa errichten. Doch das bayerische Innenministerium beschuldigt ihn, Verbindungen zu Islamisten zu unterhalten. Unterstützung erhielt Idriz nun von Opposition und Kirchen.

Seit Monaten beschäftigen die Pläne zur Errichtung eines Zentrums für Islam in Europa (ZIE) Politik und Medien der bayerischen Landeshauptstadt. Begonnen hatte der Streit, als Benjamin Idriz, der Imam einer kleinen Gemeinde im bayerischen Penzberg, Entscheidungsträgern in Stadt und Land das Konzept des geplanten Zentrums in der Münchener Innenstadt zusandte. Aufsehen erregte allerdings nicht das Papier, in dem der bosnische Imam detailliert seine Vision eines reformierten, modernen Islams darlegte und seine Ideen einer Begegnungsstätte umriss, für die er als Vorbild das im vergangenen Jahr in München eröffnete Jüdische Zentrum nannte. Aufsehen verursachten vielmehr die vom bayerischen Innenministerium prompt erhobenen Vorwürfe.

Obwohl Benjamin Idriz über Penzberg hinaus für seine Bemühungen um Integration bekannt ist, warf der zuständige Staatssekretär Georg Schmid (CSU) ihm Verbindungen zur islamistischen Gemeinschaft Milli Görüs vor. Nicht nur sei der Vereinsvorsitzende Bayram Yerli dort Mitglied, sondern auch die Frauengruppe der Gemeinde werde auf der Homepage der türkischen Bewegung geführt. Vor allem aber habe der Verfassungsschutz ein internes Konzept entdeckt, in dem von der Verbreitung eines "reinen Islams" und dem "erzwungenen Zusammenleben mit der Mehrheitsgesellschaft" die Rede sei. Umgehend stellte Schmid die Integrationsabsichten des Zentrums infrage.

Ungeprüfte Vorfwürfe

Bereits wenige Tage später jedoch stellte sich heraus, dass das fragliche Papier nicht aus Penzberg stammt, sondern von einem muslimischen Religionspädagogen aus Wien, den Idriz um eine Stellungnahme gebeten hatte. Zudem versicherte Yerli, im vergangenen Jahr aus Milli Görüs ausgetreten zu sein. Seine Frau, die die Frauengruppe leitet, sagte ihrerseits, dass ihre Gruppe niemals zur Bewegung gehört habe. Eine schriftliche Erklärung von Milli Görüs hat dies mittlerweile bestätigt. Daher bleibt vor allem die Frage, wie ungeprüfte Vorwürfe vorschnell an die Öffentlichkeit gelangen konnten.

Auf die Kritik der Opposition von SPD und Grünen reagierte das Innenministerium zu Anfang abweisend. "Wir in Bayern warnen lieber vorher, als wenn es zu spät ist", erklärte der Pressesprecher Michael Ziegler auf Anfrage. "Die Initiatoren haben selbst intensiv für ihr Projekt geworben. Da wollten wir unsere Vorbehalte nicht verschweigen." Im Islam gebe es totalitäre Bestrebungen, die es für rechtens hielten, sich zu verstellen, wenn es der Sache dient, sagte Ziegler. Natürlich gelte dies nicht für alle Muslime, aber "einige sprechen mit gespaltener Zunge". Inzwischen bemüht sich Jürgen Heike, der im Oktober Georg Schmid als Staatssekretär abgelöst hat, die Wogen zu glätten.

Vorbildliches Konzept

In einer Landtagsanhörung Mitte November gab sich Heike gesprächsbereit, rechtfertigte aber zugleich das Vorgehen seines Vorgängers. Die SPD beharrt daher auf einer Klärung des Vorfalls. Ebenso wie die Grünen befürchtet sie, dass der Islamismusverdacht dem Imam und seinem Projekt noch lange anhaften könnte. Ein solcher Verdacht ist zumindest aus dem vorliegenden Konzept nicht zu begründen. Es sieht neben einem Gebetsraum, einem Gemeindehaus und einem Museum auch Raum für Deutschkurse und eine Imamausbildung vor - auf Deutsch, so wie seit Jahren von der Politik gefordert.

Benjamin Idriz ist sich durchaus bewusst, dass seine Pläne sehr ehrgeizig sind - zumal sie bislang von keinem der großen islamischen Verbände unterstützt werden. Laut eigenen Angaben wird das Projekt lediglich von einem Kreis von Privatpersonen aus München getragen, die mit den bisherigen Moscheen unzufrieden sind. Ob dies reicht, ist ungewiss. Selbst Idriz ist angesichts des Streits, der schon vor dem eigentlichen Planungsbeginn entbrannt ist, vorsichtig geworden. Besonders besorgt ist er um die Finanzierung seines Zentrums.

Zwar hat Sultan bin Mohammed al-Qasimi, der Herrscher des kleinen Emirats Scharjah, versprochen, das Projekt zu unterstützen. "Seine Bedingung ist aber, dass das Zentrum von der Politik gewollt ist", erklärt Idriz. Nun hat zumindest die evangelische Landeskirche Bayern ihre Unterstützung erklärt. Sie bedauere den bisherigen Verlauf der Debatte, sagte ihr Islambeauftragter Rainer Oechslen und äußerte die Hoffnung, dass sich der Ton in Zukunft ändern werde.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Stuttgarter Zeitung. Erschienen am 07. Dezember 2007. Alle Rechte vorbehalten