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Vom Bauarbeiterdekolleté

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Turm zu BabelKultur

Es gibt Dinge, die in der Öffentlichkeit nichts verloren haben: Prinz Harry im Adamskostüm, Wladimir Putin bei der oberkörperfreien Jagd oder die rektalen Tatsachen einiger Männer. Wenn T-Shirt und Hose beim Bücken ein wenig zu viel des Allerwertesten preisgeben, spricht man in Deutschland vom Bauarbeiterdekolleté. Und meist ist dieses hier - und auch anderswo in Europa - wenig verführerisch.

Man muss sich dieses Wort auf der Zunge zergehen lassen: Bau-arbeiter-dekolleté. Von der deutsch-französischen Wortschöpfung einmal abgesehen, ließen sich die fabelhaftesten Ideen zu diesem Begriff fabrizieren. Doch die tatsächliche Wortbedeutung des Bauarbeiterdekolletés, das im Englischen ganz nüchtern builders bum (Bauarbeitergesäß) heißt, ist leider weniger belustigend.

Sie entführt uns in eine Welt, in der Männer dem Klischee nach mittags eine Fahne haben und Schweißflecken als dekorative Hingucker auf ihren viel zu figurbetonten T-Shirts tragen. Wir sind auf dem Bau. Fließenleger, Klempner, Heizungsinstallateure, Elektriker, Dachdecker, Straßenbauer: Sie alle sind dafür bekannt, ihrem Hintermann gern einmal ein Stück ihres nackten Gesäßes entgegenzustrecken.

Eine deutsche Werbeagentur hat das Phänomen kürzlich inspiriert, das Bauarbeiterdekolleté (manchmal auch Maurerdekolleté) in ein neues Gewand zu hüllen. Und so werden die vier Buchstaben der Männer geschickt zur Oberweite von Cameron Diaz und ihren Kolleginnen umgedeutet.

Solche reizenden Anblicke würden sicherlich dem ein oder anderen Bauarbeiter ein verheißungsvolles Schmunzeln auf die Lippen zaubern. Dieses sollte man aber keinesfalls mit dem französischen sourire du plombier (Lächeln des Klempners) verwechseln. Denn es besteht ebenfalls aus dem oberen Ansatz des Allerwertesten, der zusammen mit dem Hosenrand des Blaumanns ein breites Grinsen bildet. Der Italiener aus Treviso würde in diesem Fall è arrivato l'idraulico ausrufen (der Klempner ist da).

Eine ganz eigene Form des Bauarbeiterdekolltees haben Jugendliche mit Vorliebe für HipHop schon vor einigen Jahren für sich entdeckt: Das Sagging. Dabei sitzt die Hose so tief, dass der in Boxershorts gehüllte Hintern der Außenwelt "hallo" sagt. Sagging ist die keusche Form des Bauarbeiterdekolletés und schlägt eben jenes im ästhetischen Sinn. Und das soll es auch. Denn beim Sagging ging es ursprünglich einmal darum, dass Männer im Gefängnis mit dem blitzenden Hintern ihre sexuelle Lust gegenüber anderen Insassen signalisierten. 

Im italienischen Cuneo werden beim Anblick des Bauarbeiterdekolletés gern auch Bleistifte positioniert (ti si vede il portapenne: man kann deinen Stifthalter sehen). In der spanischen Öffentlichkeit könnte man den Spruch se te ve la hucha ernten. Das heißt in etwa so viel wie "Ich kann dein Sparschwein sehen". Stellt sich nur die Frage, wer die ganzen Fünf-Cent-Stücke hineingeworfen hat, damit das "Sparschwein" so prall geworden ist.

Illustrationen: ©Henning Studte/ http://www.studte-cartoon.de/; Kampagne ©das-neue-handwerk.de