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Volksmujahedin ohne Volk

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Islam in Europa

Deutsche und europäische Parlamentarier fordern seit langem, die iranischen Volksmujahedin von der Terrorliste zu streichen. Inwiefern dies berechtigt ist, bleibt schwer zu beurteilen. Unverständlich ist in jedem Fall, warum Abgeordnete sich für eine Gruppierung einsetzen, die in Radikalität und Rücksichtslosigkeit dem Regime, das es ablösen will, ins Nichts nachsteht. Mittwoch, 25.

November 2008

Demonstration der Volksmujahedin, Credit to: Pouya/FlickrSeit sechs Jahren stehen die iranischen Volksmujahedin auf der Terrorliste der Europäischen Union und ebenso lange kämpft die links-islamistische Gruppierung vor den Gerichten und in den Parlamenten dafür, von dieser Liste wieder gestrichen zu werden. Nun haben die Mujahedin-e Khalq, wie sie auf persisch heißen, auch im Bundestag Unterstützer für ihr Anliegen gefunden: 150 Abgeordneten unterzeichneten einen entsprechenden Appell an die Bundesregierung.

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Andreas Schmid (CDU), führte die Präsidenten der Volksmujahedin, Maryam Rajavi, am Dienstag persönlich durch den Reichstag und begleitete sie bei einem Besuch des Berliner Holocaustdenkmals. Auch im Europäischen Parlament genießen die Volksmujahedin breite Unterstützung, wiederholt haben sich Abgeordnete aller Fraktionen und aller Nationalitäten für die Streichung der Partei von der EU-Liste der Terrorgruppen eingesetzt.

Nun kann man durchaus diskutieren, ob eine Listung noch gerechtfertigt ist. Die Volksmujahedin haben sich 2001 angesichts steigenden internationalen Drucks offiziell von der Gewalt distanziert. Zudem sind sie seit der Schließung ihrer Lager im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins 2003 faktisch ihrer Operationsbasis beraubt. Es ist ihr gutes Recht, nun ihre Anerkennung als politische Partei zu fordern. Wenn sie sich glaubhaft vom Terror verabschiedet haben, sollte dem nichts im Wege stehen.

Alles andere als demokratisch

Maryam Rajavi, Credit to: Pouya/FlickrNur muss man sich fragen, warum deutsche Abgeordnete sie dabei unterstützen sollten. Die Volksmujahedin präsentieren sich gerne als demokratische Alternative zum aktuellen Regime im Iran. Die 1965 von Studenten gegründete Widerstandsgruppe gegen den Shah behauptet, die Revolution 1979 nur unterstützt zu haben, um eine pluralistische Demokratie zu errichten. Angesichts ihrer von Ali Shariati inspirierten Ideologie, die marxistische und islamistische Elemente verbindet, scheint dies einigermaßen unwahrscheinlich.

Auch ihr späteres Vorgehen lässt Zweifel aufkommen. Hatten sie vor der Revolution die Vertreter des Shahs und seiner amerikanischen Verbündeten angegriffen, richteten sich ihre Attentate seit 1979 gegen das neue Regime. 1981 töteten sie bei zwei gewaltigen Bombenanschlägen mehr als 70 Politiker, darunter zahlreiche Regierungsmitglieder. Das Regime antwortete mit der gnadenlosen Verfolgung der Volksmujahedin, die 1987/88 in der Massenhinrichtung tausender Gefangener gipfelte.

Die interne Führungsstruktur der Volksmujahedin wird vielfach als hierarchisch und totalitär geschildert. Die Führer Maryam und Massoud Rajavi umgebe ein wahrer Personenkult. Auch sonst werden der Gruppierung sektenartige Züge nachgesagt, Widerspruch werde nicht geduldet, Abweichler würden gewaltsam verfolgt. Die Volksmujahedin weisen solche Kritik als iranische Propaganda zurück. Unabhängige Gruppen wie Human Rights Watch haben sie aber bestätigt.

Ohne ausreichenden Rückhalt

Opfer der Volksmujahedin bei den Massern 1987, Credit to : Sams/FlickrBei der Unterstützung der Volksmujahedin verfahren die Parlamentarier nach dem Prinzip ‚Der Feind meines Feindes ist mein Freund’. Wohin das führt, hat man schon in den 1980er Jahren gesehen, als der Westen den Kampf der afghanischen Mujahedin gegen die sowjetischen Besatzer unterstützte. Die antikommunistischen Freiheitskämpfer erwiesen sich nach dem Abzug der Sowjets als islamistische Kriegsherren. Die Folge der damaligen Politik waren Jahre des Bürgerkriegs. Und auch Al Qaida geht letztlich darauf zurück.

Bei den iranischen Volksmujahedin bestehen nicht nur Zweifel an ihrem Bekenntnis zu Pluralismus und Gewaltfreiheit, sondern auch an ihrem Rückhalt im Iran. Sie als Alternative zum aktuellen Regime zu unterstützen, macht nur Sinn, wenn sie im Land Rückhalt besitzen. Eigenen Angaben nach haben sie 120.000 Mitglieder, die Wahrheit dürfte allerdings mindestens eine Null weniger haben. Spätestens als sie sich im Iran-Irakkrieg auf die Seite Bagdads schlugen, haben sie im Iran jede Sympathie verspielt.

Ob sie unter den Exiliranern mehr Vertrauen besitzen, darf bezweifelt werden. Der von ihnen mitbegründete Nationale Widerstandsrat, ein Art Exilparlament mit Sitz in Paris, beansprucht zwar, die Vertretung aller Exiliraner zu sein. Doch Experten sehen in ihm nicht mehr als den politischen Flügel der Volksmujahedin, wichtige andere Exilgruppen gehören ihm nicht an. Ohnehin muss davor gewarnt werden, Politiker als neue Führung einzusetzen, die seit Jahren im Exil leben. Der Irak sollte hier eine Lehre sein.