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Venedig: Krieg der Stars

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KulturGesellschaft

Das Staraufgebot bei den 64. Filmfestspielen von Venedig war groß – doch Eindruck hinterließen vor allem zwei Filme über den Irak.

Die riesige schwarze Kugel, welche die verhüllte Fassade des Filmpalasts am Lido aufzuschlitzen scheint – damals erbaut als Hommage an Prova d’orchestra von Fellini und seine berühmte Schlusssequenz - geht weit über die von Oskarpreisträger Dante Ferretti geplante Wirkung hinaus.

Nur acht Kinosäle

Dieser große schwarze Ball, der von Schutt umringt zum Symbol der 64. Filmfestspiele von Venedig bestimmt wurde, verweist vielmehr metaphorisch auf die endlich konkrete Bereitschaft zu Veränderung. Denn der neue Filmpalast, über den seit mindestens zwanzig Jahren öffentlich gezankt wird, ist in greifbare Nähe gerückt. Endlich gibt es genug Geld. Und auch die Politik dürfte diesmal mitspielen. Hauptgrund dafür ist die unbarmherzige Konkurrenz der Festivals in Cannes und Berlin, die Venedig immer deutlicher zu spüren bekommt. Sie macht einen Ausbau und die Modernisierung der Festivalgebäude, die seit der Einweihung der Filmfestspiele im Jahr 1932 beinahe unverändert blieben, dringend notwendig.

Duell zwischen Jude Law und Michael Caine

Eine erste provisorische Auswertung des Festivals kommt nicht umhin, die Interpretationen der Schauspieler vieler Filme, die um den Goldenen Löwen konkurrieren, zu würdigen. Viel stärker als sonst glänzten die Filme vor allem durch die schauspielerischen Leistungen. Schon lange hatte man auf der Leinwand nicht mehr ein so enthusiastisches, energisches und chamäleonartiges Duo gesehen, wie Jude Law und Michael Caine in Sleuth. Unter der Regie von Kenneth Branagh erzählt der Film, ein Remake des Mankiewitz-Films von 1972 und eine Adaption eines Theaterstücks von Harold Pinter, der auch die Drehbuchversion schrieb, die Geschichte eines reichen und berühmten Krimi-Autors (Caine) und eines jungen, aber ruinierten Schauspielers (1972 ironischerweise die Rolle von Caine, heute gespielt von Law). Die beiden rivalisieren um die Liebe einer Frau, die Ehefrau des Schriftstellers, schon längst in den Armen des neuen Liebhabers.

Komplett im Innenraum einer technologisch aufgemotzten Villa außerhalb Londons gefilmt, begnügt sich Branaghs Film mit dem Schauspielerduo Caine und Law, die sich ein einzigartiges psychologisches und später auch physisches Duell liefern, das jedoch meist verbaler Natur bleibt und mit einer giftigen Prise des englischen Sense of humour gewürzt ist. Ein gefährliches Spiel mit vielen Überraschungen, das in drei Akten, geprägt von List und Zynismus, die abwechselnde Entwicklung der beiden Rivalen von der Rolle des Opfers zu der des Henkers zeigt.

Ken Loach und das Prekäre

Wenn Sleuth seinen Ruhm zu je 50 Prozent unter seinen beiden Darstellern aufteilen muss, verdankt Michael Clayton fast alles George Clooney. In dieser ungewöhnlichen Inszenierung interpretiert Clooney einen dem Glücksspiel verfallenen Geschäftemacher, der in einer der wichtigsten Anwaltskanzleien von New York arbeitet. Clooney bekommt ein brisantes Dossier seines Kollegen über millionenschwere Versicherungsgeschäfte in die Hände. Der Kollege wurde jedoch von den Killern eines Konzerns, der für schwere Umweltverbrechen verantwortlich scheint, um die Ecke gebracht.

Genauso wie Clooney, verleiht auch Brad Pitt dem von ihm in The Assassination of Jesse James by the coward Rober Ford dargestellten Charakter Charisma und Persönlichkeit. Der Film von Andrew Dominik über die Ermordung des berüchtigten Banditen ist mit seinen 156 Minuten jedoch etwas zu lang.

In Joe Wrights Verfilmung des Romans von Ian McEwanAtonement glänzen nicht nur Keira Knightley und Vanessa Redgrave im Licht der Scheinwerfer, sondern auch die bisher unbekannte Romola Garai. Die Auszeichnung als beste weibliche Darstellerin verdient aber die Jungschauspielerin Juliet Ellis, die als zähe Darstellerin des Ken Loach-Films It’s a free world ihr Debüt gibt. Der Film weist auf prekäre Arbeitssituationen hin, ein stets wiederkehrendes Thema in den Filmen des englischen Regisseurs.

Der lange Schatten des Irakkonflikts

Und dann gibt es da noch die zwei Filme über den Irak: Redacted von Brian De Palma und In the Valley of Elah von Paul Haggis. Es sind zwei sehr unterschiedliche Filme, vereint jedoch durch den Anspruch, einen Konflikt anzukreiden, der die amerikanische Filmbranche mehr und mehr in seinen Bann zieht. De Palma setzt auf unbekannte Gesichter, um zu erzählen, dass dieser Krieg – wie jeder andere auch – nicht anders kann, als die betroffenen Soldaten in Monster zu verwandeln. Haggis, der 2006 einen Oskar für seinen Film L.A. Crash gewonnen hatte, baut dagegen auf das Talent von Tommy Lee Jones, im Film Vater eines Soldaten, der unter mysteriösen Umständen auf dem Rückweg von der Mission im Irak in die USA ums Leben kam, und Charlize Theron, die als mutige Polizistin den Fall untersucht. Das Ergebnis ist in beiden Fällen exzellent. Redacted erscheint mit seinen impliziten Überlegungen über multimediale Möglichkeiten (Video- oder Überwachungkameras, Handybilder) Realität zu vermitteln, deutlich experimenteller. Umso klassischer wirkt daher In the Valley of Elah mit packender Inszenierung und linearem Aufbau.

Experimentell oder klassisch – einen goldenen Löwen hätten sich beide verdient.

(Intext-Fotos: ©Getty Images)

Translated from Venezia, guerra di star