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Urlaub im Zoo

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Wanderlust

Sri Lanka- Artenreiche Tierwelt, vielfältige Fauna, prächtige Flora und eine lächelnde Bevölkerung. Es gilt würzige Eindrücke zu verdauen.

Seit etwa zwei Wochen bewege ich mich inmitten eines bunten Farbenmeers auf dieser Insel im Indischen Ozean. Angekommen bin ich immer noch nicht ganz, doch bin ich mir auch nicht sicher, ob ich meinen Traumzustand überhaupt verlassen möchte. Realität würde bedeuten zu analysieren. Würde bedeuten zu verstehen. Würde bedeuten zu akzeptieren. Dazu sehe ich mich noch nicht im Stande und so lasse ich weiterhin Bilder auf mich einrieseln. 

Kulturschock hin oder her, an die Mitbewohner meines privaten Zoos konnte ich mich soweit gewöhnen. Abgesehen von spärlichen Besuchen, alle Nachtschwärmer. Ab Sonnenuntergang fallen Moskitos ein, die mein Zimmer in Scharen bevölkern. Lieber sind mir die beiden Glühwürmchen, die bis spät nachts durch den Raum blinken und mir mit plötzlichen Lichtexplosionen immer wieder eine Freude bereiten.

Zwei unbeliebte Gäste sind eine Maus, die sich ab einer gewissen Uhrzeit einbildet, Lärm machen zu müssen, und eine Kakerlake, die nächtliches Pinkeln zum Abenteuer macht. Bei beiden bin ich mir nicht sicher, ob meine oder ihre Angst größer ist. Die Maus versteht inzwischen den Schwall an Schimpfwörtern, der bei jedem noch so kleinen Piepsen, auf sie niederhagelt- es wäre wohl auch dem allabendlichen Konzert der Grillen gegenüber unfair, sie gewähren zu lassen. Die Beziehung zur Kakerlake ist komplizierter. Beim Näherkommen bewegen sich die langen Fühler bedrohlich und die schwarzen Knopfaugen starren mich herausfordernd an. Meist überlasse ich ihr kapitulierend das Königreich Badezimmer.

Mit Geckos, Affen, Waranen und sonstigem käferartigen Getier lebe ich (inzwischen) in harmonischem Einklang. An Harmonie mangelt es hier prinzipiell nicht und genau das scheint mein Problem zu sein. Bin ich in einem Semester an der Sorbonne so sehr zur Pariserin geworden, dass ich nicht mehr mit einem einfachen freundlichen Lächeln umgehen kann? 

Nach längerem Reflektieren beantworte ich mir meine Frage selbst. Es ist egal ob die Anwort ja oder nein ist. Ein Lächeln heißt hier nämlich nicht, dass diese Person es freundlich meint. Es kann zwar sein, muss aber nicht. Ärger, Abneigung, Eifersucht, Missbilligung. Man lächelt. In einer Satire der Welt stand einmal "Diese Buddhisten lächeln dich in die Nervenheilanstalt". In den Wahnsinn treibt es mich allerdings, nicht zu wissen, woran ich bin. 

Noch bin ich am Dechiffrieren der versteckten, gelächelten Nachrichten. Doch vielleicht ist es an der Zeit mich damit abzufinden, dass ein ständiges Erraten der Gefühle des Gegenüber auch nicht das Wahre ist. Dass es eben so ist, wie es ist, ich bestimmt nicht der zweite Weltensammler werde und langsam mit einer singhalesischen Gelassenheit in die Realität zurückkehren könnte.