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Ungarisch-slowakische Beziehungen auf Talfahrt

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Default profile picture Linda lu

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Default profile picture Ann-Christin Doms

Gesellschaft

Die Premierminister von Ungarn und der Slowakei haben bei einem Treffen am 15. November im slowakischen Komarno (Rivkomarom) beschlossen, stärker gegen Extremismus vorzugehen und für den Schutz der Minderheiten einzutreten. Ein ungarischer Rückblick auf die Ereignisse, die zu diesem wichtigen Schritt führten.

Fußballrage

1. November, Dunajska Streda (Dunaszerdahely), Stadion, Slowakei: Circa 800 ungarische Fußballfans stürmen das Stadion. Sie wollen das Spiel des ungarischen Teams gegen die Elf der Slovan Bratislave sehen. Es wird ordentlich gepöbelt. Nach dem Anstoß werfen slowakische Fußballfanatiker Rauchbomben und andere Geschosse auf das Spielfeld. Die aufgebrachte slowakische Polizei geht daraufhin auch gegen die ungarischen Zuschauer vor. Mehr als 60 Menschen werden verletzt. Einer von ihnen ernsthaft.

©swperman/flickr

2. - 3. November, Budapest: Der Vorfall sorgt für Aufruhr in Ungarn. Einige hundert Demonstranten protestieren vor der slowakischen Botschaft. Eine slowakische Flagge wird verbrannt.

Zurück auf der Dunajska Streda: Ungarische Fußballfans bilden eine Lichterkette vor dem Stadion.

Slowakische Grenzorte: Radikale Aktivisten bauen teilweise Straßensperren auf. Sie wollen damit auf den Angriff der slowakischen Polizei aufmerksam machen.

©World Economic Forum8. November, Budapest: Mehr als 1000 Fußballfans und Klubmitglieder demonstrieren vor dem Sitz des ungarischen Premierministers. Sie rufen  zum Schutz der ethnischen Ungarn auf und verlangen eine Verurteilung der slowakischen Polizei. Slowakische Autoritäten prangern das Verhalten der Ungarn öffentlich an. Der Generalstaatsanhalt Dobroslav Trnka bestätigt, dass das Verhalten der Polizei „zeitgemäß, angemessen und gesetzestreu“ gewesen sei. Ungarische Autoritäten bitten die slowakische Gegenseite um eine Überprüfung der Polizeiaktion. Bratislava (Pozsony) bleibt eine Antwort schuldig.

Nur die Spitze des Eisbergs

Ungarn ist in Slotas Augen ein „ Krebsgeschwür aus der Wüste Gobi“.

Wenn anti-ungarische Einstellungen in den letzten zwei Jahren in der Slowakei drastisch gestiegen sind, so ist das teilweise auch dem Vorsitzenden der slowakischen Nationalpartei, Ján Slota, zuzuschreiben. Er kritisierte beispielsweise das äußere Erscheinungsbild der ungarischen Außenministerin Kinga Göncz und verglich sie indirekt mit Hitler. Den ersten ungarischen König, den Heiligen Stephan, beschrieb er als „Clown auf einem Pferd“. Zudem empfahl er, Panzer nach Budapest zu schicken. Den ungarischen Präsidenten László Sólyom bezeichnet Slota als Extremisten. Und um das Ganze komplett zu machen: Ungarn sei in seinen Augen wie„ Krebsgeschwüre aus der Wüste Gobi“.

Dem slowakischen Premierminister Robert Fico gelingt es nicht, sich von diesen Äußerungen seines Koalitionspartners zu distanzieren. Die slowakische Nationalpartei charakterisiert sich durch eine zunehmend radikale Politik. Im Ergebnis wandelt sich die eher negativ öffentliche Einstellung der Slowaken gegenüber der ungarischen Minderheit in einen allgemeinen öffentlichen Hass um. Insgesamt leben 600.000 Ungarn in der Slowakei

August 2008: Eine Studie des Open Society Institutes über die aktuelle Situation der ungarischen Minderheit besagt, dass 63 Prozent der 955 befragten slowakischen Studenten ihre Muttersprache Ungarisch nur zu Hause sprechen können. In der Öffentlichkeit würden sie ausschließlich Slowakisch sprechen. Im August 2006 wird die Studentin Hedviga Malinová, eine ethnische Ungarin, brutal zusammengeschlagen, als sie per Mobiltelefon Ungarisch sprechend durch das Stadtzentrum von Nitras (Nyitras) läuft.

Der Stein des Anstoßes

Anfang Oktober 2008: Kinga Göncz, die ungarische Außenministerin, nimmt sich der Sache an. Sie lädt den slowakischen Botschafter in Ungarn vor. Letzerer hätte es versäumt der Verpflichtung nachzukommen, ungarische Versionen von geographischen Namen in slowakischen Büchern anzugeben, die in ungarischen Schulen benutzt werden. Zudem habe es Beschwerden darüber gegeben, dass ungarische Schulen in der Slowakei nicht mit EU-Geldern unterstützt würden. Sowohl das Bildungsministerium als auch die EU-Mittel unterliegen der Zuständigkeit Ján Slotas und dessen Nationalpartei.

8 November, Kralovsky Chlmec (Királyhelmec): 28 Mitglieder der in Nyíregyháza ansässigen, ungarischen Extremistenguppe Ungarische Garde gedenken des 70. Jahrestages des Ersten Wiener Schiedsspruches. Die slowakische Polizei verhaftet einige Mitglieder und eröffnet Verfahren wegen Tragens von verbotenen Symbolen. Die Mitglieder trugen Armbänder, auf denen der Buchstabe H in alten ungarischen Buchstaben geschrieben stand. Ein altes Führersymbol. „Es ist inakzeptabel, dass ungarische Nazis auf slowakischem Boden in Uniformen marschieren.“, sagte Robert Fico noch am selben Tag auf einer außerordentlichen Pressekonferenz. Slota bittet den UN-Sicherheitsrat und die EU um Hilfe und Unterstützung gegen die Ungarn.

Das Treffen der beiden Premierminister bot eine reelle Chance für beide Länder, über ihre historischen Streitigkeiten hinwegzukommen. Sie können ein neues Leben mit ihrer neuen europäischen Familie beginnen. Seien wir optimistisch!

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Translated from Perspective: Hungarian-Slovak relations reach their nadir