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Turin: Mehr als das europäische Detroit

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Turins postindustrielles Underground-Flair: von der Fabrik zum Kulturzentrum.

Laut The Guardian gehört Turin zu den 10 alternativen Städten, die man unbedingt gesehen haben muss. Seine Szene-Viertel sind ein Labor für Street Art, musikalische Experimente und Hipsterhorden. Wer immer noch glaubt, Turin sei das Detroit Europas, ist nicht auf dem neuesten Stand. Die FIAT-Zeiten sind längst Vergangenheit. Turin ist heute eine Studentenstadt und ein Universitätszentrum (die Polytechnische Universität ist die beste Italiens und unter den ersten Europas) und hat sich durch die großen Veränderungen der letzten zehn Jahre einen neuen Look zugelegt.

Turin erstrahlt in neuem Glanz. Doch die norditalienische Stadt hat weder den Prunk Roms noch den Glamour Mailands. Turin ist vielmehr eine reservierte Schönheit, eher versteckt und manchmal ein wenig adelig. Die Stadt hat sich noch immer etwas von ihrem industriellen Charakter bewahrt - ein bisschen nebulös, dekadent, unschlüssig - was ihre ganz besondere Anziehungskraft ausmacht. Es gibt viele Orte, die sich als ehemalige Fabrikgebäude neu erfunden haben und zu alternativen Locations für das (Tag- und) Nachtleben geworden sind. Ihr Reiz liegt darin, dass sie sich nicht mitten im Zentrum befinden, sondern eher außerhalb, in der Peripherie. Typische Turiner lassen ihr Stadtzentrum gut und gern auch mal links liegen.

Wetten, dass auch ihr dem rauen Charme der etwas heruntergekommenen Turiner Viertel erliegt? Wir nehmen euch mit auf einen Rundgang zu den angesagtesten Orten.

LINGOTTO 

Eines der wichtigsten ehemaligen FIAT-Werke ist vielleicht das bedeutendste Beispiel. Es handelt sich dabei um einen Gebäudekomplex im gleichnamigen Stadtteil Lingotto, wo sich einst die Schlafstadt für die Angestellten des Autoherstellers befand. Obwohl noch immer in der Peripherie, ist das Lingotto heute kein Arbeiterviertel mehr, was vor allem an der Umgestaltung der Gebäude liegt. Die riesige Struktur des Lingotto ist ein vielseitiger Komplex geworden und beherbergt ein Einkaufszentrum, ein Multiplexkino, einen Veranstaltungsbereich unter freiem Himmel, ein Messezentrum (in dem wichtige Veranstaltungen wie Torino Comics und die Internationale Turiner Buchmesse stattfinden), den externen Sitz der Polytechnischen Universität, ein Hotel, die nach FIAT-Gründer Giovanni Agnelli benannte Pinakothek und das Auditorium sowieso einen Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach. Im Inneren des Gebäudes ist noch immer die spiralförmige Rampe erhalten, auf der die Autos früher zur Teststrecke aufs Dach gelangten. Außerdem hat gegenüber des Lingotto das erste Geschäft der Slow Food-Kette Eataly seinen Sitz, die in Turin entstanden ist und sich mittlerweile auf der ganzen Welt verbreitet hat. Wow.

DOCKS DORA 

Die Docks Dora liegen im Arbeiterviertel Barriera di Milano in der Nähe der Eisenbahnlinie, wo sie Anfang des 20. Jahrhunderts als allgemeine Lagergebäude entstanden sind. Mit ihrer kargen Backsteinstruktur erinnern sie an die Industriebauten des Londons von Oliver Twist im 19. Jahrhundert. Die Docks Dora erfüllen schon lange nicht mehr ihren ursprünglichen Zweck, wurden aber mittlerweile zu neuem Leben erweckt: in einem echten Underground-Viertel beherbergen sie heute Klubs und Bars, Galerien für zeitgenössische Kunst sowie Künstler- und Musikstudios. 

OFFICINE GRANDI RIPARAZIONI 

Die Officine Grandi Riparazioni Ferroviarie oder OGR (wörtlich Werkstätten für Eisenbahn-Großreparaturen) wurden Ende des 19. Jahrhunderts in der Nähe der Polytechnischen Universität als Werkstätten zur Produktion und Instandhaltung von Lokomotiven und Eisenbahnwagons errichtet. Das imposante Gebäude in Form eines H mit einem großen, grünen Innenhof ist heute der ideale Standort für Ausstellungen, temporäre Museen und ein Kulturzentrum. Für alle, die auf der Suche nach einem etwas anderen Ort für einen Aperitif sind, sind die OGR mit ihrer schicken Bar und den weißen Sofas im Innenhof genau das Richtige für laue Sommerabende.

CORTILE DEL MAGLIO 

Im Bohème-Viertel Borgo Dora, benannt nach dem angrenzenden Fluss Dora, befindet sich der Cortile del Maglio (wörtlich Hof des Hammers. So genannt nach dem großen historischen Schmiedehammer in seiner Mitte). Er ist Teil eines Architekturkomplexes, der einst das Turiner Militärarsenal darstellte. Im 16. Jahrhundert beherbergte das Gebäude eine Schießpulverfabrik sowie ein Salpeterarsenal, im 19. Jahrhundert war es Sitz für die Herstellung von Artilleriewaffen und ist heute der „alternative Ort” schlechthin der Stadt. Im Cortile werden laufend kulturelle Veranstaltungen und im Winter verschiedene Weihnachtsmärkte veranstaltet. In den umliegenden Straßen und Gassen werden jeden Samstagmorgen die Stände des Balons, eines großen Antik- und Flohmarktes aufgebaut, der an jedem zweiten Sonntag im Monat zum noch größeren Gran Balon wird. Mit seinen vielen Osterien, die Spezialitäten der piemontesischen Küche anbieten, den kleinen Antiquitätenläden und engen gepflasterten Gassen ist Borgo Dora definitiv das In-Viertel der Turiner Hipster.

LANIFICIO 

Die ehemalige Wollspinnerei (Lanificio) in der Via Bologna - aus den Zeiten als Turin ein wichtiges Zentrum der Textilindustrie war - beschreibt wohl am besten den Gefallen, den Turin daran gefunden hat, ehemalige Industriegebäude einer Verwandlung zu unterziehen. Das Lanificio befindet sich weit außerhalb in einer ansonsten weniger interessanten Gegend und wird heute auf verschiedenste Weise genutzt. Unter anderem ist dort das Warenlager eines der alternativsten (und teuersten) Geschäfte Turins zu finden, das nach jeder Saison die unverkauften Waren zu Schleuderpreisen anbietet. Hier treffen sich die Liebhaber alternativer, unkonventioneller Orte.

Hier geht’s weiter mit dem 2. Teil.

Translated from I luoghi della Torino post-industriale: da fabbriche a poli culturali PARTE I