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Tunesiens Ben Ali: Kein Domino-Effekt für Mubarak und Gaddafi

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Die Lage in Tunis bleibt angespannt: Militär kontrolliert die Straßen und kämpft gegen Leibgardisten des geflohenen Diktators Ben Ali. Europas Presse freut sich einhellig über die Jasmin-Revolution, hält sie aber nicht für übertragbar auf andere arabische Länder.

Der Standard: Tunesien - quasi eine Mafia mit einem Land wie einem Unternehmen; Österreich

Die Diktatur des geflohenen tunesischen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali war leicht zu stürzen, schreibt die linksliberale Tageszeitung Der Standard, im Gegensatz zu denen in Iran und Ägypten: "Das tunesische war auch ein Beispiel eines Regimes, das völlig entideologisiert war und nur noch für sich selbst stand: quasi eine Mafia mit einem Land wie einem Unternehmen. [...] Man denke nur an den Iran. Dort hätten auch doppelt so viele Demonstranten auf der Straße das islamistische Regime nicht vertreiben können. Es hat eine ganz andere Durchhaltefähigkeit als Ben Ali sie hatte. Und Ägypten, wo jetzt die Emotionen hochgehen, ist wieder völlig anders: Dort ist das Regime nicht ideologisch, aber in Ägypten geht es nicht, wie in Tunesien, nur um Geld und interne Macht, sondern sehr wohl auch um Politik, um den politischen Platz Ägyptens in der Region und in der Welt. Gerade deshalb wäre es so wichtig, dass die Transition in die Post-Mubarak-Zeit luzide geplant würde." (Artikel vom 17.01.2011)

Lidové noviny: Der tunesische Führer konnte Unzufriedenheit nicht mit Geld aus Öl oder Gas befriedigen; Tschechien

Der Sturz des tunesischen Machthabers Zine el-Abidine Ben Ali müsste einen Dominoeffekt in der arabischen Welt auslösen, meint die konservative Tageszeitung Lidové noviny, wenn da nicht die Petrodollars wären: "Die nächsten in der Reihe könnten der langjährige ägyptische Autokrat Mubarak sein, der 'bellende Hund' Libyens, Gaddafi, oder am Ende gar die Herrscher der Ölmonarchien am Persischen Golf. Auch in diesen Ländern ist die Bevölkerung unzufrieden, gibt es ganze Armeen von Jugendlichen ohne Arbeit, gar nicht zu reden von den Repressionen gegenüber der Opposition. Doch ganz so einfach geht es auf der Welt nicht zu, auch nicht in der arabischen Welt. Die dramatischen Ereignisse in Tunesien waren sehr spezifisch. Der tunesische Führer konnte die Unzufriedenheit nicht mit Geld aus Öl oder Gas befrieden, wie das die Regime in Libyen, Algerien oder am Golf können." (Artikel vom 17.01.2011)

Und gibt es ganze Armeen von Jugendlichen ohne Arbeit

Público: Sturz einer Diktatur zeigt unzufriedenen Arabern, dass sie die ihre genauso stürzen können; Portugal

Tunesien steht am Scheideweg und mit ihm die gesamte arabische Welt, meint die Tageszeitung Público. Doch die Gefahren sind groß: "Es wird viel von dem Weg abhängen, der jetzt eingeschlagen wird, und zwar nicht nur für die Zukunft Tunesiens (wo innerhalb der nächsten 60 Tage Wahlen anberaumt werden müssen). [...] Denn der Sturz einer Diktatur, die mehr als 23 Jahre die Menschen unterdrückte, zeigt allen unzufriedenen Arabern, die auch von ihren Regimen unterdrückt werden, dass sie diese genauso stürzen können. […] Aber auch wenn der Sturz Ben Alis einfach war, weil das Regime nicht auf die Revolte des Volks vorbereitet war, wird ein eventueller Domino-Effekt nun niemanden mehr unvorbereitet treffen. Abgesehen davon, dass [...] auch schon neue Diktatoren auf der Lauer liegen - die diesmal durch islamischen Radikalismus geschult worden sein könnten." (Artikel vom 16.01.2011)

El País: Europa schweigt und verschließt die Augen; Spanien

Der Sturz des tunesischen Diktators Zine el-Abidine Ben Ali ist von größter politischer Bedeutung, doch Europa schweigt, kritisiert die linksliberale Tageszeitung El País: "Schweigen ist alles, was Europa zu einem der wichtigsten Ereignisse im Maghreb seit der Unabhängigkeit seiner Länder einfällt. Ein Volksaufstand, der mit einer langen Diktatur Schluss macht, ist in keiner Region eine Nebensache. Aber im Maghreb erlangt er eine ganz besondere Dimension. Denn in den wichtigsten Staaten der Region ähnelt sich die wirtschaftliche Situation und sie leiden unter Regimen, die abgesehen von formalen und feinen Unterschieden alle Diktaturen sind. Auch die gefällige Haltung der Europäischen Union ihnen gegenüber ist gleich, weil die EU auf die Zusammenarbeit der nordafrikanischen Regierungen in Sachen Terrorismus und Migration pocht und dabei die Augen vor Menschenrechtsvergehen, Korruptionsskandalen und systematischer Wahlmanipulation verschließt." (Artikel vom 17.01.2011) 

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Fotos: Ben Ali (cc)Nealy J/flickr; Protest (cc)gwenflickr/flickr

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