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Stillstand des orangenen Uhrwerks?

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GesellschaftPolitik

Die Ukraine befindet sich noch immer an einem politischen Scheideweg. Europa beobachtet die Ereignisse im Land mit großem Interesse, im Bewusstsein über die strategische Bedeutung der ehemaligen Sowjetrepublik für seine Energieversorgung.

Die einstigen Rivalen bei den ukrainischen Präsidentschaftswahlen 2004 - Präsident Viktor Juschtschenko, 52, und Premierminister Viktor Janukowitsch, 56 - waren in den vergangenen zwei Monaten die Hauptakteure einer heftigen Auseinandersetzung. Ein Staatsschauspiel vor dem Hintergrund der parlamentarischen Kontrolle. Nach der Einführung von Reformen, die zu einer Stärkung der Legislative beitrugen, der Spaltung innerhalb von Juschtschenkos Koalition (Nationale Einheit) und der Flucht von Abgeordneten in die Reihen Janukowitschs, löste der ukrainische Präsident im April dieses Jahres das Parlament auf.

Im gleichen Atemzug kündigte er vorgezogene Parlamentswahlen an. Juschtschenko befürchtete zudem, dass die Opposition die 300 Mandate erhalten würde, die nötig wären, um das präsidentielle Veto zu blockieren. Dem Prozess der Amtsenthebung des Staatschefs stünde in diesem Fall nichts mehr im Wege. Die Partei des Premierministers weigerte sich, das Parlament aufzulösen und trug die Sache vor das Verfassungsgericht. Für ein paar Tage fand ein Rollentausch statt: plötzlich waren es die Revolutionsgegner von 2004, die auf die Straße gingen.

Heißer Herbst

Momentan scheint sich die politische Lage in der Ukraine entkrampft zu haben. Ende Mai unterzeichneten der Präsident und der Premierminister eine Waffenruhe und einigten sich auf Parlamentswahlen am kommenden 30. September. Die von Juschtschenko vorgeschlagenen Termine wurden aufgeschoben. Trotz der vergleichsweise ruhigen Situation, versprechen die kommenden Monate in der Ukraine ereignisreich zu werden. Seit der 'Orangenen Revolution' befindet sich die Ukraine in einem taktischen Tauziehen, das, Russland während der letzten Jahre mit dem Westen veranstaltete. Natürlich ist die Realität viel komplexer, als die alte Geschichte vom pro-westlichen Westen und den dem pro-russischen Osten, mit der die Medien die ukrainische Wirklichkeit vereinfacht darstellen. Es steht außer Frage, dass die derzeitige Krise droht, das Land weiter zu polarisieren.

Am vergangenen 25. Mai zeigte die Europäische Union, in Gestalt der Kommissarin Benita Ferrero-Waldner, ihre Besorgnis über die Verschlechterung der politischen Situation in der Ukraine. Brüssels Interesse an der Stabilität dieses Landes geht weit über die naheliegende Besorgnis um dessen unsichere Grenzen hinaus: Vier Länder der EU grenzen an die Ukraine. Besonders heikel für die EU, die auf die kommenden zehn Jahre gesehen zwei Drittel ihres Energiebedarfs aus dem Ausland importieren wird, ist die Stellung der Ukraine als wichtigstes Transitland für die Energielieferungen aus Russland. Der Gaspreiskrieg zwischen Kiew und Moskau Anfang 2006 hat bereits die strategische Bedeutung der Ukraine für die europäischen Importe deutlich gemacht: Als Gazprom Kiew, Polen und Deutschland – die durch die gleiche Gasleitung versorgt werden – den Gashahn zudrehte, sahen diese sich vorübergehend von der Versorgung abgeschnitten. Bedenkt man, dass die EU ein Viertel ihres Gasbedarfs aus Russland bezieht, überrascht es nicht, dass in zahlreichen europäischen Hauptstädten die Alarmglocken läuten.

Was setzt Europa aufs Spiel?

Jede Möglichkeit, dass Russland seinen Einfluss im Land - und damit seine Kontrolle über die europäische Energieversorgung - stärkt, lässt den Verantwortlichen in der Europäischen Union einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Die Verletzlichkeit der EU hat sich durch das am 12. Mai von Moskau, Kasachstan und Turkmenistan unterzeichnete Abkommen noch verstärkt. Die betroffenen Länder haben sich in dem Abkommen auf den Bau einer neuen Gasleitung nach Europa geeinigt. Dieses Projekt legt somit den Vorschlag aus dem Westen - eine Route durch das kaspische Meer und damit eine Umgehung des russischen Netzes – erstmal auf Eis.

In einem Moment besonderen Misstrauens gegenüber Moskau, gerät der pro-westliche Juschtschenko auf der politischen Bühne mehr und mehr ins Hintertreffen. Der letzte EU-Russland Gipfel in Samara am 17. und 18. Mai, machte die Verschlechterung der bilateralen Beziehungen deutlich. Polen und Estland versuchten das Treffen, als Reaktion auf den Handelsstreit und die diplomatischen Uneinigkeiten beider Staaten mit dem Kreml, zu boykottieren. Sowohl die von Tallin gegen Russland erhobenen Anschuldigungen der Datensabotage, als auch die wechselseitigen Anschuldigungen zwischen Moskau und London zum Fall Litvinenko sind mehr als Besorgnis erregend.

Die kommenden Monate werden allem Anschein nach entscheidend für die Zukunft der Ukraine sein. Die Verhärtung beider Parteipositionen könnte zu einem Konflikt führen, in dessen Rahmen der Zerfall des Landes nicht auszuschließen ist. Vor allem, wenn sich Russland und der Westen für eine offene Unterstützung der zwei verfeindeten Seiten entscheiden. Moskau trägt dem Westen noch immer seine Unterstützung der 'Orangenen Revolution' nach und weigert sich, den mittelfristigen Beitritt des strategisch wichtigen Landes zur NATO und zur EU zu akzeptieren. Brüssel, das sich der Bedeutung der Ukraine im Zusammenhang mit der Entfremdung von Moskau bewusst ist, hofft für seinen Teil auf die Sicherung der politischen Stabilität in der ehemaligen Sowjetrepublik. Vorzugsweise unter einer Regierung, die für die Energieinteressen der EU favorabel ist.

Der Autor ist Analytiker bei der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development)

Translated from Ucrania: la mecánica de la naranja no funciona