Participate Translate Blank profile picture
Image for Spaniens Mateo Blanch kocht wie gedruckt

Spaniens Mateo Blanch kocht wie gedruckt

Published on

Translation by:

cafébabel DE

CreativeVoglio Mangiare CosìCreative Home

Werkzeuge, Kleidung, Waffen und sogar Körperteile… Der 3D-Druck ist die neue Fertigungstechnologie des 21. Jahrhunderts. Eine futuristische Welt, die - wie zu erwarten war - jetzt auch die europäischen Küchenherde erobert.

Mit 21 Jahren wurde dem 1975 in der katalanischen Stadt Lérida geborenen Mateo Blanch klar, dass das Studium der Elektrotechnik nichts für ihn war. Deshalb beschloss er sich etwas Neues zu suchen und landete bei einem Beruf, in dem auch viel Chemiewissen gefragt ist. „Ich machte einen Kochkurs und lernte meinen Meister kennen: Chicho Castaño. Er besaß ein Restaurant und schlug mir nach dem Kurs vor, bei ihm anzufangen. So fand ich zu meinem Traumberuf“, erzählt er begeistert. Aber bis er zum spanischen oder sogar internationalen Pionier in Sachen 3D-Kulinarik wurde, nahm sein Leben mehrere Wendungen. „Ich machte ein Praktikum im angesehenen Celler de Can Roca, das 2015 die Auszeichnung zum besten Restaurant der Welt bekam. Ich gewann einen Wettbewerb für Nachwuchsköche in Katalonien und begann mich für den 3D-Druck in der Küche zu interessieren. Ich finde es völlig abgefahren, dass ein Roboter ein Gericht entwerfen kann.“

Essen ist nicht mehr bloß die Befriedigung eines Grundbedürfnisses. Heutzutage ist es geradezu ein Ritual. TV-Programme wie Masterchef, the Great British Bake Off oder The Chef’s Table gehören zum selben unendlichen Universum, wie Kochbücher, Koch-Gurus und Kochkanäle auf YouTube. Millionen Menschen interessieren sich für eine Kunst, in der die Köche - ja, es gibt immer noch mehr Männer als Frauen mit Michelin-Stern - in den Koch-Olymp aufgestiegen sind. Der Geschmack ist natürlich grundsätzlich wichtig, aber in einer Welt, in der es zunehmend um Äußerlichkeiten geht, sind #foodporn, Instagram und ein farbloses Kartoffelpüree mit vier auf einem Teller verstreuten Fleischbällchen, ernst zu nehmen. Mit den Essens-Druckern lässt sich allerhand herstellen: falscher Kaviar, ein kindertauglicher Pocoyó (Figur aus einer spanischen Zeichentrickserie) aus Spinat oder vornehme, mit essbaren Buchstaben geschriebene Menüs, bei denen man nicht weiß, ob man sie mit dem Löffel zerstören oder im Wohnzimmer einrahmen soll. Die Welt des Druckens hat in der Küche Einzug gehalten. Für immer?

Der Anruf

„Warte mal einen Moment. Ich muss das Kabel einstecken.“ Mateo empfängt uns übers Internet im Esszimmer seiner Wohnung in Lérida. Er nimmt sich gerade eine Auszeit, weil er seit knapp zwei Monaten Vater ist und strahlt dabei über das ganze Gesicht. „Was für ein Glück, dass wir jetzt miteinander sprechen, wo ich mehr Zeit habe. Meine Arbeit ist großartig, aber sie fordert auch sehr viel“, erzählt er auf der anderen Seite des Bildschirms. „Die Sache mit der Dreidimensionalität klang für mich wie von einem anderen Stern. Aber dann ging mir auf, dass es wahrscheinlich nicht nur für mich, sondern auch für viele andere Menschen etwas ganz Neues und gleichzeitig Interessantes ist“, erklärt er.

2015 arbeitete Mateo im La Boscana, einem traditionellen Restaurant in einem Vorort von Lérida, als er einen Anruf bekam. Am anderen Ende der Leitung: der Portugiese Marcio Barrandas, mit einem Faible für Barcelona, und Chef der spanischen Firma Samba, die Materialien für 3D-Drucker herstellt. Eine Gruppe Niederländer des Unternehmens ByFlow waren auf der Suche nach einem Koch, der sich ein Showkochen auf der internationalen Messe für 3D-Druck in Madrid zutraute. Damit richteten sich alle Augen auf Mateo. Zum ersten Mal organisierte Spanien eine der größten Veranstaltungen für dreidimensionalen Druck auf internationaler Ebene. Viele Unternehmen, Designer und Experten trafen sich, um ihre Entwürfe zu präsentieren. Allerdings kam nur ein Team auf die Idee, 3D-Druck und Kochen zu verbinden. „Das hat mich gewundert. Wir waren der einzige Aussteller, der dreidimensionales Essen anbot. Die Art der Herstellung war revolutionär, die Verarbeitung perfekt. So bekommt man das mit den Händen niemals hin. Eine Offenbarung.“

Der 3D-Druck, der in Europa bereits seit zehn Jahren für die industrielle Produktion genutzt wurde, tauchte erstmals im Lebensmittelbereich in den Niederlanden und in Spanien auf. Dort sitzen auch die derzeit wichtigsten Unternehmen, ByFlow und Natural Machines. „Nach dem erfolgreichen Auftritt auf der Messe in Madrid besuchten wir die 3D-Drucker-Fabrik von ByFlow in Maastricht. Wir wollten mehr über diese neuartige Technologie erfahren.“ Der Lebensmittel-Druck entwickelte sich weiter und Mateo wurde zu einer Art Guru, den alle um Rat fragten. Als das Thema so richtig boomte, gründete Marcio Barrandas zusammen mit Antony Dobrzensky das internationale Projekt FoodInk. Ihr größter Coup war die Eröffnung des weltweit ersten Restaurants, wo alles von den Stühlen über Tische bis hin zum Essen vor Ort gedruckt wurde.

Die Eröffnungsfeier in London dauerte drei Tage und die Reporter - zwölf pro Tag - konnten neun verschiedene Gänge genießen. Kreiert von Mateo. Der Preis? 250 britische Pfund pro Gaumen. „Ich fand es traurig, dass nur eine sehr ausgesuchte Gruppe von Leuten zu den Veranstaltungen kommen konnten. Aber die Idee war, Berühmtheiten und Unternehmer für eine Zusammenarbeit anzulocken, um so das gedruckte Essen künftig auch der breiten Masse zugänglich machen zu können“, erklärt Marcio am Telefon. „Wir versuchen das für alle anzubieten, aber zunächst einmal brauchen wir Investoren.“ Mit dem Projekt wollen sie um die Welt ziehen. Bisher stehen allerdings noch keine Termine oder Orte fest.

Was drucken wir heute zu essen?

Gedrucktes Essen kommt der ästhetischen Perfektion sehr nahe. Für einige Köche und Designer, wie die Niederländerin Chloe Rutzerveld, braucht der Einsatz von 3D-Druck aber auch ein Ziel. Die Designerin erklärte auf einer TEDx-Konferenz, wie wichtig es sei, dass die Technologie nicht nur - im wahrsten Sinne des Wortes - beeindruckt, sondern auch Ernährungsprobleme löst. Andererseits bestehe die Gefahr, dass der 3D-Druck zu einer Technik für Snobs wird.

Davor haben zuvor schon Köche wie Pepe Rodríguez oder Sergi Arola gewarnt. Zwar ist der Preis der Drucker für Profis und visionäre Heimwerker erschwinglich (das Modell Foodini der spanischen Firma Natural Machines kostet 1000 Euro, andere Varianten bis zu 3000 Euro), allerdings gehen die Dienste der Software-Designer und -Techniker ganz schön ins Geld. Mittlerweile haben einige Unternehmen wie Basquecook aus dem Baskenland Erfindungen wie Oskook auf den Markt gebracht. Dabei handelt es sich um einen Kochroboter für den Hausgebrauch, der auf Basis einer Open Source-Software kocht. Der Mensch denkt, die Maschine lenkt.

Für Mateo bleibt der Koch während der gesamten Zubereitung unabdingbar, denn Maschinen können noch keine Wunder vollbringen. „Normalerweise drucken wir Beilagen oder dekoratives Essen. Keine Hauptgerichte. Man nehme frische Zutaten nach Belieben, koche sie, zerkleinere sie und fülle sie anschließend in eine Art Rohr. Der Inhalt sollte die passende Textur und Dichte haben - wie Humus oder Guacamole. Wenn alles im Drucker ist, wird die gewünschte Form in Schichten übereinander gedruckt, bis das Ergebnis passt.“ Wer entwirft die Formen? „Das macht ein Designer mit einem Programm, das mit dem Drucker kompatibel ist. Dann kommt es per WLAN oder USB-Stick zum Drucker. Und los geht’s.“

Auf die Frage, ob diese Welt die Grenzen des Alltäglichen überschreitet, antwortet Mateo: „Ich bin überzeugt, dass bald alle Restaurants einen 3D-Drucker haben werden. Gleich neben dem Thermomix.“ Und fügt hinzu: „Wie bei allen experimentellen Sachen, beginnt es bei der Haute Cuisine und sickert dann bis in die Alltagsküche durch. Es wird bereits an Prototypen, einer Art Nespresso-Maschine, gearbeitet. Man packt Schokolade oder Püree in eine Kapsel und nachher kommt die gewünschte Form raus.“ Vielleicht werden wir sehr bald keine Tiefkühlpizzen mehr kaufen, sondern im Laden unser Essen in Kapseln holen.

Sicherlich hat die Technologie auch Hindernisse. „Ist das die schnellste Art an Essen zu kommen?“, fragt sich Lynette Kucsma, Marketing-Chefin bei Natural Machine in einem Werbevideo. „Nein. Am schnellsten ist es, ein fertig zubereitetes Gericht zu kaufen, die Packung aufzumachen und das Ganze in die Mikrowelle zu stecken. Allerdings ist das nicht sehr gesund.“ Der 3D-Druck spart dem Nutzer keine Zeit, aber er kann kontrollieren, was er isst. Deshalb glauben Experten, dass die Technik gut für Personen mit Allergien oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten ist.

Jetzt mag man sich fragen, welchen Sinn es hat, ein Filet zu braten und es dann zu zerkleinern? „Ziel ist die Form der Lebensmittel zu verändern, nicht ihren Geschmack. Man kann einen typischen Nachtisch ohne Zusätze und Konservierungsstoffe herstellen. Zum Beispiel die berühmten portugiesischen Pastéis de Belém, die allerdings eine neue Form bekommen. Das ist die künstlerische Freiheit des 21. Jahrhunderts“, erzählt Mateo im Videointerview. Werden die Maschinen die Köche ersetzen? „Wir dürfen nicht vergessen, dass der Koch weiterhin dafür verantwortlich ist, dass das Gericht schmeckt. Die Maschine kümmert sich ums Aussehen, aber der Koch wacht darüber, dass das Essen haltbar, saisonal und hochwertig ist.“ Auch wenn es noch keine Vorschriften zu den 3D-Druckern gibt, halten die Köche die Augen offen, denn es gibt Hygiene- und Qualitätsvorschriften für die Produkte.

https://www.youtube.com/watch?v=UWOVvSfSjCM

Ist 3D-Druck die neue Mikrowelle?

Mateo ist gerade mit einem neuen Projekt beschäftigt, von dem er noch nicht viel verraten darf. Bis vor wenigen Monaten arbeitete er noch im Restaurant eines Paradors, einer staatlichen, spanischen Hotelkette in historischen Gebäuden. Sein Arbeitsplatz war eine zum Hotel umgewandelte Kirche in der Altstadt von Lérida, wo der 3D-Druck noch keine Bedeutung hat. „Ich wollte einen 3D-Drucker anschaffen. Aber das passt nicht mit dem Anspruch eines Paradors zusammen. Deren Zielgruppe sind eher ältere Menschen. Zwar sind die zahlungskräftig, haben aber weniger Interesse an Innovation. Jüngere Menschen dagegen sind zwar neugierig, aber ihnen fehlt das nötige Kleingeld.“

Auch ein Sternekoch kocht nur mit Wasser

Unser Gespräch geht dem Ende zu. Bald ist Essenszeit. Was Mateo wohl vorbereitet hat? „Salat und Linsen mit Gemüse.“ In 3D, mit aufgetürmten Blumen oder aufgeschäumt? „Nein. Ehrlich gesagt, auf die ganz bodenständige Art und Weise. Zu Hause habe ich keinen Drucker. Außerdem hätte ich auch gar keine Zeit ihn zu nutzen, weil ich den ganzen Tag im Restaurant verbringe. Daheim koche ich kaum. Ich mach mir ein Omelett oder brate mir kurz was an… Lieber verbringe ich Zeit mit der Familie. In der heutigen Welt muss man abschalten können. Ich schätze es auch sehr, auswärts zu essen. Um einen guten Job machen zu können, muss man auch mal abschalten.“ Geht er auch gerne essen? „Ja, sehr. Aber ich gehe nicht immer nur in Sternerestaurants, aber auch nicht in die schlechtesten. Mir gefällt es, wenn die Gerichte frisch sind, gute Produkte verwendet werden und auch noch nett angerichtet sind. Man muss nicht in ein Sternerestaurant gehen, um glücklich zu sein.“

__

Voglio Mangiare Così zeigt, was auf den Tellern des Alten Kontinents so los ist. Welche alternativen Ernährungsformen gibt es unter jungen Europäern? 8 Wochen - 8 Porträts.

__

Story by

Ana Valiente

Spanish freelance journalist based in Madrid. Currently exploring the boundless world of documentary filmmaking.

Translated from Mateo Blanch, el cocinero que imprime comida