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Soziale Netzwerke: Todsünden 2.0

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Translation by:

Irina Brüning

Lifestyle

Durch das zunehmende Aufkommen neuer sozialer Netzwerke verbringen wir immer mehr Zeit über unseren virtuellen Profilen. Als ob Facebook uns nicht schon genug beschäftigt und unser Leben verkompliziert hätte, gibt es jetzt auch noch Twitter, Instagram, Pinterest... Die Verwaltung unserer zahlreichen Profile (Persönlichkeiten) im Internet ist fast zu einer Vollzeittätigkeit geworden.

Du hockst vor deinem Bildschirm und perfektionierst dein Image im Web. Misslungene Fotos werden wohlweislich gelöscht, coole Videos geschickt nach vorn geschoben. Du glaubst, dich ins beste Licht zu rücken - aber in Wahrheit machen dich die sozialen Netzwerke hinterrücks hässlich. Nicht nur, weil dein Gesicht nur mehr von deinem Bildschirm Licht bekommt, sondern auch, weil du unbewusst der Sünde verfällst.

Die offizielle Liste der Todsünden wurde 1215 im Rahmen des 4. Laterankonzils erstellt. Neun Jahrhunderte sind vergangen; die Laster sind dieselben geblieben, aber Halleluja! Im 21. Jahrhundert kannst du alle 7 begehen, ohne das Haus zu verlassen!

Die Hölle auf Erden

Hochmut: Facebook - dein Leben, zur Schau gestellt in HTML

Sucht die Narzissten nicht länger im Bad - sie haben einen neuen Spiegel gefunden. Die sozialen Netzwerke, Facebook an der Spitze, nähren sich von unserem Hochmut, einer unerschöpflichen Quelle an Inhalten. Selbstverliebt und auf der ständigen Suche nach Bestätigung setzen wir uns in Szene wie ein Produkt. Unsere Werbestrategie: Fotos vom Urlaub auf Inseln oder vom letzten Samstagabend (nach sorgfältiger Sortierung) und ein Panel an Verbrauchern, die das Produkt getestet haben - unsere Freundesliste.

Neid: Pinterest - die neue Garantie für guten Geschmack

Angesichts der momentanen Wirtschaftslage ist klar, dass wir unser Traumhaus so bald nicht kaufen werden. Dann stellen wir uns die perfekte Wohnung eben im Internet zusammen! Während wir die Deko eines Lofts in Brooklyn anschmachten, erstellen wir eine weitere Pinnwand voller Dinge, die wir niemals kaufen werden. Mit unserem Wunschzettel müssen wir nicht mehr bis Weihnachten warten - mit Pinterest können wir jeden Tag alles, das wir begehren, unserem moodboard hinzufügen. Sehr praktisch, denn bei 847 Facebook-Freunden braucht man schon einige Geschenkideen!

Völlerei: Instagram - hier bin ich der Sternekoch!

In den Zweitausendern war Schlanksein alles - bloß nichts Fettes, Süßes oder Salziges essen! Heute fängt Völlerei bei den Augen an. Die vielen Fotos von Leckereien auf unseren Bildschirmen sind euch sicher schon aufgefallen. Wir haben sie Instagram zu verdanken. Dank Instagram halten wir uns nun alle plötzlich für professionelle Fotografen. Aber da wir das in Wahrheit nicht sind und kein Model zur Hand haben, das uns inspiriert, fotografieren wir eben den Inhalt unseres Kühlschranks. Das ist Völlerei 2.0.

Zorn: Twitter und YouTube - die Arenen unserer Zeit

Es ist wie im Boxring: Es hagelt Beschimpfungen und jeder bekommt eins auf den Deckel. Amateure und Profis aus der Welt der Musik auf YouTube, Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens auf Twitter. Die Gemüter erhitzen sich, Zwistigkeiten blähen sich auf, Angreifer werden zu Opfern... Twitter und YouTube sind beliebte Hilfsmittel geworden, um einander virtuell anzuschnauzen. Ihr seid wütend? Nicht kloppen, twittern!

Wollust: Make Love Not Porn - ein Klick ist noch kein Betrug

Hinter dem Facebook-Profil versteckt flirtet es sich viel leichter. Nach Dating-Seiten für mehr oder weniger anspruchsvolle Singles und solchen für außereheliche Abenteuer ist der Sex nun in den sozialen Medien angekommen. Cindy Gallop hat ihr Sex-Netzwerk beim letzten SXSW vorgestellt. Das Ziel: Austausch rund um das Thema Sex, über Videos und Kommentare. 

Geiz: Zeit ist Geld

Mit einem Facebook-Ich, einem Twitter-Avatar, einem LinkedIn-Doppelgänger und einer Pinterest-Persönlichkeit hat man so einiges zu tun. Wen wundert es da, dass wir mit unserer Zeit geizen und uns für andere weniger Zeit nehmen? Kommunikation läuft nicht länger persönlich ab. Wir teilen Neuigkeiten über unseren Status mit und wer will, kann antworten. Dabei hoffen wir natürlich, dass zwei oder drei Leute sich die Zeit dafür nehmen, denn ein Post ohne Antworten sieht doch idiotisch aus.

Trägheit: Alle gemeinsam gegen Produktivität!

Wenn ein Laster durch soziale Netzwerke ordentlich Nahrung bekommt, ist es die Trägheit. Facebook, Vimeo und YouTube sind Königreiche der Prokrastination, Tempel der Trödelei. Eine Seite führt uns zur nächsten, wir haben kaum ein Video angeschaut und schon werden uns zwölf andere vorgeschlagen. Der berühmte Satz "Wenn Ihnen dies gefällt, wird Ihnen auch jenes gefallen" lässt uns endlos im Internet verweilen und hält uns gekonnt von der Arbeit ab.

Mehr Schein als Sein

Wer würde 500 Personen zu sich einladen, um ihnen von einem Sonnenstich zu erzählen? Wer würde jemanden von Angesicht zu Angesicht so übel beschimpfen wie auf YouTube? Das Internet scheint eine enthemmende Wirkung auf uns zu haben. Im virtuellen Raum haben wir das Gefühl, was wir sagen, sei nicht so wichtig. Sich im Internet gehen zu lassen scheint keine Konsequenzen zu haben. Also tun wir uns keinen Zwang an. Wie in einem Videospiel schießen wir aus nächster Nähe auf den anderen, ohne nachzudenken. Aber hier ist der "Feind" real. Und Beispiele von Auseinandersetzungen, Entlassungen und Mobbing aufgrund von Kommentaren auf Twitter und Facebook gibt es genug. Für soziale Netzwerke gilt ebenso wie für Videospiele: in Maßen genießen.

Translated from Réseaux sociaux : Les péchés capitaux 2.0